Honduras hätte eigentlich alles, um seine Bewohner zu versorgen: Berge und fruchtbare Ebenen, und Küsten an zwei Weltmeeren, die Fischfang und Handel ermöglichen.
Und vor der Ankunft der Spanier funktionierte das auch so, wie die Schriften des Chronisten der Conquista, Bartolomé de Las Casas, bezeugen. Denen zufolge lebten in Mittelamerika damals ähnlich viele Leute wie in den 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts, und lebten mehr oder weniger friedlich vor sich hin.
Dennoch ist Honduras heute eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. Die reichlich gebende Natur wird offenbar vor allem für den Anbau der sattsam bekannten Bananen in Anspruch genommen, neben einigen anderen Cash Crops. Für die Grundnahrungsmittel bleibt deshalb zu wenig Anbaufläche übrig.
Die Geschichte Honduras’ vor der Banane
Im Unterschied zu anderen Staaten Mittelamerikas wurden in Honduras in der Kolonialzeit Gold und Silber abgebaut. Zu diesem Zweck wurden auch schwarze Sklaven importiert, da die einheimische Bevölkerung den Strapazen des Bergbau nicht gewachsen war und sich durch den Arbeitszwang rapide verringerte.
Im Laufe der folgenden Jahrhunderte erschöpften sich diese Vorkommen und bis ins 19. Jahrhundert war die Gegend ökonomisch bedeutungslos für das Spanische Kolonialreich geworden. Die Unabhängigkeitskriege in Mittelamerika spielten sich daher im Schlepptau der wirklich grossen Auseinandersetzungen mit den spanischen Heeren im heutigen Mexiko und Südamerika ab, und waren vor allem Schlachten und Kriege der verschiedenen lokalen Feudalherren und Militärs gegeneinander.
Nach verschiedenen Versuchen, einen mittelamerikanischen Gesamtstaat zu schaffen, der vor allem von Grossgrundbesitzern aus dem Territorium des heutigen Guatemala hintertrieben wurde, konstituierte sich Honduras als selbständiger Staat. Es folgten Jahrzehnte des Kampfes der städtisch-bürgerlichen Schichten gegen Grossgrundbesitz und Kirche. Der „Pfaffenkrieg“ führte zur Ermordung des antiklerikalen Präsidenten Santos Guardiola im Jahr 1862.
Erst unter diesem Präsidenten kam jedoch die heutige territoriale Einheit von Honduras zustande, als mit Hilfe der USA die Karibikküste und die Inseln der Bahia von britischen Okkupanten und Abenteurern gesäubert und der honduranischen Oberhoheit unterstellt wurden. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert versuchten die englischsprechenden Bewohner dieser Gegenden, sich dem Schutz der britischen Krone zu unterstellen, erhoben Spezialsteuern auf honduranische Produkte usw. Die Bahía-Inseln waren insofern bedeutend für die Entwicklung von Honduras, als sich hier die ersten Bananenplantagen entwickelten und der Bananenhandel mit den USA begann, über eine Firma aus New Orleans.
Bananen, Eisenbahn und Schulden
Die Ausweitung der Bananenproduktion ist eng verbunden mit dem Eisenbahnbau in Honduras. Im 19. Jahrhundert gab es mehrmals Anläufe verschiedener Regierungen zur Erschliessung des nationalen Territoriums mittels einer Eisenbahnverbindung von Nord nach Süd, von der Karibikküste zum Golf von Fonseca.
Mittels Aufnahme von Krediten bei französischen und britischen Bankhäusern, über dunkle Mittelsmänner, die teilweise in ebenso dunklen Kanälen versickerten, wurden von 19867 bis 1870 einige Eisenbahnkilometer gebaut und Lokomotiven angeschafft, eine notwendige Brücke kam nicht zustande und die ganze Unternehmung krachte bald.
Zurück blieb ein Haufen Schulden unklarer Herkunft, deren Handhabung den Ruf von Honduras auf dem internationalen Kreditmarkt beschädigte, sodass seine Regierungen von da ab nicht kreditwürdig waren. China plant in neuerer Zeit abermals eine interozeanische Eisenbahnlinie in Honduras, als Alternative zum Panamakanal, aber sehr weit ist dieses Projekt derzeit noch nicht gediehen.
Der Bananenanbau- und Export entwickelte sich zunächst klein-klein – viele kleine und mittlere Landbesitzer kultivierten die Bananen und brachten sie irgendwie mit Last- und Zugtieren und über Flüsse an die Häfen der Atlantikküste, wo sie auf Schiffe geladen wurden, die Richtung USA, genau: nach New Orleans fuhren.
Die Zentralisierung kam zunächst über den Handel. Ausgehend vom Eisenbahnbau und der Not, die Eisenbahn auszulasten, entstand 1899 die United Fruit Company und der Vorläufer der Standard Fruit Company, beide in New Orleans. Um den Transport voranzubringen und so die Lieferwege schneller und sicherer zu machen, setzten sie auf die Eisenbahn. Die beiden Handelsgesellschaften finanzierten den Eisenbahnbau entlang der Karibikküste. Da Honduras nichts zahlen konnte, erhielten die Obstexport-Firmen grosse Territorien zum Gebrauch unentgeltlich überlassen, auch wenn es dort bereits Bananenpflanzer gab. Die konnten gehen. Ebenso erhielten die US-Firmen Steuer- und Abgabenfreiheit.
Für entsprechende Zahlungen verzichteten also verschiedene honduranische Präsidenten ab 1900 praktisch auf Teile ihres Territoriums. Dafür stellten gewisse Zahlungen der Obstfirmen eine Konstante für die Alimentierung diverser Regierungen dar, die Kooperation florierte.
Damals entstand, zumächst nur für Honduras, der Begriff der Bananenrepublik: Damit werden Staaten bezeichnet, deren Regierungen Land und Leute an Privatunternehmen verkaufen und daraus ihre Einkünfte beziehen. Die Souveränität dieser Staaten gleicht also der eines Art Hausmeisters, oder Forstverwalters, der die ausländischen Unternehmen in sein Haus oder auf sein Jagdgebiet lässt und dafür entlohnt wird.
Auch der Gewaltapparat solcher Staaten ist auf die Sicherung dieses Geschäftsmodells abgestellt. Den Bananenarbeitern gelang es im Verlaufe eines 1954 durchgeführten Streiks nur deshalb, den Obstfirmen einige Zugeständnisse abzuringen, weil das honduranische Militär damals damit beschäftigt war, beim Sturz des Präsidenten des Nachbarlandes mitzuhelfen.
Diese Harmonie zwischen ausländischen Gesellschaften, Militär und Regierung ist sehr brüchig, weil es immer sehr viele Aspiranten auf den doch relativ lukrativen Hausmeisterposten gibt, und auch hin und wieder Militärs und Politiker auftreten, denen dieses Modell nicht zusagt. Die USA mussten daher in Honduras öfter eingreifen, mit Kriegsschiffen, Bodentruppen und Diplomatie, um die US-Interessen zu schützen und für eine funktionierende Staatsgewalt vor Ort zu sorgen.
Das Militär
Zum oben beschriebenen Modell der Bananenrepublik gehört ein gut funktionierendes Militär. Die Eliten von Honduras achteten darauf, dass da nichts anbrannte. Zunächst benötigte Honduras sein Militär für die Unabhängigkeits- Separations- und Einmischungskriege gegenüber seinen Nachbarstaaten.
Dann wurde das Militär zu einem Element der Kontinuität der Staatsgewalt und einem Instrument der Sicherung des sozialen Friedens. Um diese Funktion auch erfüllen zu können, wurde erstens das Militär an staatlichen Versorgungsunternehmen beteiligt, um eine gesicherte Einnahmequelle unabhängig von der zeitweise leeren Staatskasse zu haben.
Ausserdem war der Wehrdienst jahrzehntelang verpflichtend. Das sah so aus, dass die Rekrutierungs-Kommissionen in die Schulen gingen und dort die Halbwüchsigen mitnahmen. Viele der Rekruten waren also minderjährig, Kindersoldaten, und besonders abhängig und formbar durch die Offiziere.
Dass es für wirkliche Kriegshandlungen gegenüber einem gleichermassen bewaffneten Gegner wenig taugt, erwies der Krieg der 100 Stunden gegen das weitaus kleinere El Salvador. Nur mit grosser Mühe und der Vermittlung anderer lateinamerikanischer Staaten gelang es Honduras, die salvadorianische Invasion zu stoppen und die Truppen zum Verlassen honduranischen Territoriums zu veranlassen.
Möglicherweise durch diese ernüchternde Erfahrung wurde das honduranische Militär in der Folge zum engsten Verbündeten der USA in Mittelamerika. Schon beim Sturz von Arbenz in Guatemala hatte sich Honduras als Hinterland für US-Operationen angedient. In den 80-er Jahren, nach dem Sieg der Sandinisten in Nicaragua, wurde Honduras zu einer Basis für die Contra-Ausbildung und deren Ausrüstung und Einsatz zur Terrorisierung der grenznahen Bevölkerung Nicaraguas.
Heute hat Honduras ein Berufsheer, mehrere US-Stützpunkte und das gesamte Territorium von Honduras ist für das US-Militär mehr oder weniger der Ersatz für die Panamakanalzone, die es um 2000 endgültig räumen musste. Das war auch der Hauptgrund für den Putsch gegen Zelaya 2009 – die USA wollten diese grosse Militärbasis nicht verlieren.
Das zivile Leben
Das Bananengeschäft hat seinen Zenit in Honduras schon lange überschritten. Der Hurrikan Mitch reduzierte 1998 die Bananenplantagen gewaltig, und bis sich die Pflanzungen etwas erholt hatten, war die Bananenindustrie weitergezogen und hatte sich andere Anbaugebiete erschlossen.
Hier kam auch die einseitige agrarische Entwicklung ins Spiel: Honduras hatte seine ganze Infrastruktur rund um den Bananentransport aufgebaut. Die Nordwestküste, die Häfen von Puerto Cortés und Ceiba, das Hinterland um San Pedro Sula und noch einige Gegenden waren durch Strassen und Eisenbahnen miteinander verbunden, um die Bananen abtransportieren zu können. Verwendbares Land für Anbau hätte es zwar woanders auch gegeben, aber die Transportmöglichkeiten fehlten.
Obwohl Honduras über grosse unerschlossene Gebiete verfügt, sind die weder für die Agrarwirtschaft noch für die Subsistenzbauern zugänglich und liegen weiter brach. Sie lassen sich nicht militärisch kontrollieren, ihre Nutzung ist daher auch von der Obrigkeit her nicht vorgesehen und wird nicht gefördert.
Honduras hat daher eine relativ grosse Bevölkerung von Landlosen, die in den Armenvierteln der beiden grossen Städte San Pedro Sula und der Hauptstadt Tegucigalpa vor sich hingammeln und von Gelegenheitsarbeiten und Kriminalität leben, und auf der anderen Seite grosse leere Gebiete, die aus den oben beschriebenen Gründen nicht zueinander kommen (können).
Das letzte Mal, als Teile dieser Urwälder & Sümpfe irgendwie benützt wurden, war für die Bekämpfung der sandinistischen Revolution.
Die Contras
Den Kern der Contras, also nicaraguanischen Konterrevolutionäre, bildeten die nach Honduras geflüchteten Mitglieder der Nationalgarde, der mehr oder weniger persönlichen Schlägertruppe der Familie Somoza, die von den USA auch seinerzeit gut ausgerüstet worden waren, um die Herrschaft in der Bananenrepublik Nicaragua aufrechtzuerhalten.
Als Garanten des Systems Somoza waren sie Mitglied der Elite und gut bezahlt, der Sieg des Sandinismus stellte daher einen beträchtlichen Statusverlust dar. Sie waren zu allem bereit, um wieder in ihre vorherige beherrschende Stellung zurückkehren zu können. Zu diesen Mitgliedern der Nationalgarde gehörten auch diejenigen Leute, die das Privat-KZ der Somozas neben dem Präsidentenpalast betrieben hatten und dort Oppositionelle gefoltert und zu Tode gebracht hatten. Es waren, mit einem Wort, ziemlich schwere Burschen.
Nachdem Ronald Reagan Präsident geworden war, nahmen er und die CIA-Spitze sofort Kontakt mit deren Anführern auf und sagten ihnen alle nötige Unterstützung zu, um die Sandinisten wieder zu vertreiben. Dies bezog sich auf militärisches Gerät, Geld, Propaganda und auch militärischen Beistand: So besetzten wiederholt US-Kriegsschiffe nicaraguanische Hafeneinfahrten, um das Land am Import dringend benötigter Güter – Lebensmittel, Medizin und Waffen – oder Export zwecks Devisenbeschaffung zu hindern. Ausserdem wurden Werbekampagnen gestartet, um die Sandinisten zu einer Gefahr für die USA zu stilisieren, und die Contras zu Helden, die die USA vor ihnen beschützten.
Das Geld war ebenfalls wichtig, weil so konnten die Contras nicaraguanische Flüchtlinge oder auch honduranische Elendsgestalten rekrutieren, die zwar keine Ahnung davon hatten, was die Sandinisten vorhatten, und warum sie sie bekämpfen sollten, aber für die eine Versorgung und Sold eine willkommene Einkommensquelle darstellten. Die Contra-Armee wuchs dadurch beträchtlich an.
Die honduranischen Präsidenten Policarpo Paz García und Roberto Suazo Córdova stellten gerne honduranisches Gebiet und Militärinstallationen für diese „Mission“ zur Verfügung, da für die Staatskasse und auch einige private Kassen dabei einiges abfiel, und im Vorübergehen auch etwaige einheimische Subversion erledigt wurde. Da der US-Kongress die Unterstützung dieser Mörder- und Foltertruppe, die in Nicaragua eine Politik der verbrannten Erde betrieben, einstellte, boten der CIA und die US-Regierung einiges an Einfallsreichtum auf, um diese Henker weiter zu finanzieren, was später als Iran-Contras-Skandal die Öffentlichkeit und die Gerichte beschäftigte.
Die Enthüllungen um die illegale Finanzierung und der Wahlsieg der antisandinistischen Partei UNO und die Amtseinführung der Präsidentin Violeta Chamorro führten zur schrittweisen Einstellung der Unterstützung, der Entwaffnung und der Integration in die Streitkräfte Nicaraguas. Diese „Versöhnung“ wurde auch mit viel Pomp und Glorie öffentlich-wirksam gefeiert, mit einer „Friedenshauptstadt“ und Waffenabgaben im Blitzlichtgewitter. Für die Öffentlichkeit war also alles in Butter.
Es ist allerdings naiv, anzunehmen, dass Leute, die nachweislich ganze Dörfer niedergebrannt und ihre Einwohner allen Alters und Geschlechts in Stücke gehaut hatten, sich ohne weitere Reibungen in das Militär und die Gesellschaft einreihen würden, die sie bisher mit dergleichen Methoden bekämpft hatten.
Die meisten „Contras“ konnten bzw. wollten daher nicht nach Nicaragua zurückkehren. Das Risiko war gross, dass jemand mit ihnen ähnlich verfahren würde, wie sie seinerzeit mit ihren Gegnern. Sie gaben auch ihre Waffen nicht ab, oder sie besorgten sich schnell neue. Sie blieben in Honduras und bildeten Banden, dienten sich als Drogentransporteure an und hoben dort das Kriminalitätsniveau an. Später schlossen sie sich mit Kriminellen aus El Salvador zusammen, und langsam versank ganz Honduras, zumindest die dichter besiedelten und erschlossenen Teile davon, in dieser Bandenkriminalität.
Ende Juli beschimpfte Trump den schwarzen demokratischen Bürgermeister der Stadt Baltimore mit den Worten, seine Stadt sei schlimmer als Honduras.
Dazu veröffentlichte der Standard am 31.7. folgende Zahlen:
„Nach Angaben der US-Bundespolizei FBI lag die Mordrate in Baltimore im Jahr 2017 bei 55,8 pro 100.000 Einwohner und damit hinter jener von St. Louis im Bundesstaat Missouri. Baltimore hat rund 600.000 Einwohner.
Im Neunmillionenland Honduras wurden 2018 insgesamt 41,2 Morde pro 100.000 Einwohner verzeichnet. Das honduranische San Pedro Sula ist einem Bericht der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) vom November zufolge eine der gewalttätigsten Städte der Welt. Die Mordrate lag dort demnach bei über 80 pro 100.000 Einwohner.“
Amelie Lanier