Zum ersten Mal hat ein bayerischer Pfarrer aus Immenstadt im Allgäu einen Strafbefehl erhalten: er soll 4.000 Euro zahlen, weil er einem 22-jährigen Flüchtling aus Afghanistan Asyl gewährt hat.
Die offizielle Begründung lautet „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“. Der Fall ging auch durch die Regionalpresse und hat es sogar in die Süddeutsche Zeitung geschafft. Dort wird allerdings mal wieder nichts zu den Hintergründen erwähnt.
Reza Jafari kam 2015 nach Deutschland und hat sich trotz traumatisierender Erlebnisse bei der Flucht in kürzester Zeit bestens integriert: er lernte Deutsch, machten seinen Mittelschulabschluss, spielt mit Enthusiasmus im örtlichen Fußballverein und hat auch schon eine deutsche Verlobte, mit der er eigentlich seine Zukunft planen wollte. Ab 1. August diesen Jahres hätte er bereits eine Ausbildungsstelle gehabt.
Bis dann plötzlich im April 2018 aus heiterem Himmel die Polizei auftauchte und Reza noch am selben Tag per Flugzeug nach Afghanistan abschieben wollte.
Es ist der beherzten Hilfe des evangelischen Pfarrerehepaars Marlies und Ulrich Gampert zu verdanken, dass Reza Zuflucht in ihrer Kirche erhielt und dort über ein Jahr auf den Abschiebestopp wartete. Familie Gampert war es auch, die zusammen mit dem Helferkreis Asyl Lauben eine Petition auf Change.org startete, die inzwischen von fast 80.000 Menschen unterschrieben wurde. Dort sind auch die Hintergründe erklärt, warum es einem Todesurteil gleich käme, Reza nach Afghanistan abzuschieben:
„Reza gehört der durch den herrschenden Volksstamm der „Paschtunen“ und vor allem durch die Taliban und den IS am meisten bedrohten Volksgruppe der Minderheit der „Hazara“ an, welche in den letzten Monaten auch immer wieder gezielt Opfer brutaler Anschläge mit vielen unschuldigen Todesopfern geworden sind. Zudem haben es die Taliban und der IS gerade auf die meist völlig mittellos abgeschobenen Flüchtlinge, die in den improvisierten Lagern in Kabul angekommen sind, abgesehen.
Rezas Familie ist mit ihm, als er vier Jahre alt war, in den Iran geflohen. Das bedeutet, dass Reza sein Geburtsland nicht kennt. Auch die Kultur Afghanistans ist ihm fremd, was in so einem Land äußerst gefährlich ist. Außerdem spricht er die iranische Sprache „Farsi“. Durch diese Voraussetzungen müssen abgeschobene Asylbewerber in Afghanistan um Ihr Leben fürchten! Zu der ständigen Angst vor Anschlägen und Tod werden sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen und müssen mit einer äußerst schweren Existenzgründung kämpfen. Reza hat in Afghanistan keine Familie, keine sozialen Kontakte und erst recht keine Perspektive!“
Auch Reza erhielt einen Strafbefehl über 900 Euro oder 90 Tagessätze, was ihn nun in den Augen der Justiz zum „Straftäter“ macht und er somit noch leichter abgeschoben werden kann. Im Oktober soll der Fall verhandelt werden.
Es ist anscheinend wieder soweit gekommen: um Menschen vor dem Tod zu bewahren, müsste man sie eigentlich verstecken, da nunmehr weder normales Asyl noch Kirchenasyl gewährt wird. Die Vorlage zur Kriminalisierung hatten im Juni vergangenen Jahres die Innenminister von Bund und Ländern gestellt: seitdem wurden die Regeln für das Kirchenasyl verschärft und damit trauen sich immer weniger Kirchengemeinden, Schutzsuchenden Asyl zu gewähren. Das erinnert an ganz, ganz böse Zeiten in diesem Land!
Der detaillierte Verlauf der Geschichte von Reza und seinem Kampf, sich eine Zukunft aufbauen zu dürfen, ist in den verschiedenen Updates der Petition „Zukunft für Reza! Ausbildung und Familie – statt Angst und Trennung durch Abschiebung!“ gut dokumentiert und kann dort nachvollzogen werden. Es wurde auch ein Spendenkonto eingerichtet, um Mittel für die Anwaltskosten einzusammeln, denn Reza darf immer noch nicht arbeiten und selber Geld verdienen.
Rezas Geschichte steht beispielhaft dafür, was gerade in Deutschland passiert, denn leider ist es nicht der einzige Fall. Dazu kommt, dass viele junge Flüchtlinge nicht das Glück haben, sich integrieren und einen Freundeskreis aufbauen zu können. Immer mehr nehmen sich aus Verzweiflung und Angst vor Abschiebung das Leben. Und die wenigsten dieser Fälle schaffen es über die regionale Presse hinaus, sie werden einfach totgeschwiegen.