Schwarze Löcher verschlucken alles Licht und sind daher unsichtbar. Was plausibel klingt, ist in der Praxis zum Glück für die Astronomen doch ein wenig anders. Denn schwarze Löcher sind von leuchtenden Gasscheiben umgeben und heben sich daher vom dunklen Hintergrund ab, ähnlich wie eine schwarze Katze auf einem weißen Sofa. Und so ist es mit dem Event Horizon Telescope jetzt erstmals gelungen, ein schwarzes Loch zu fotografieren.
Dabei nahm dieses weltweite Netzwerk von acht bodengebundenen Radioteleskopen die rund 55 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie Messier 87 ins Visier. An der Beobachtung beteiligt sind auch Forschende des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie und des Instituts für Radioastronomie im Millimeterbereich (IRAM).
Im April 2017 verlinkten die Wissenschaftler zum ersten Mal acht Teleskope rund um den Globus und bildeten auf diese Weise ein virtuelles Teleskop, dessen Öffnung nahezu dem Durchmesser der Erde entsprach. Very-Long-Baseline-Interferometrie (VLBI) heißt diese Technik, in der die Signale der Einzelantennen gleichsam überlagert werden. Diese Synchronisation geschieht mithilfe von hochpräzisen Atomuhren auf die Nanosekunde genau. Dabei lässt sich eine extreme Winkelauflösung von weniger als 20 Mikro-Bogensekunden erreichen; hätten unsere Augen ein derartiges Leistungsvermögen, könnten wir die einzelnen Moleküle in unserer Hand sehen.
Zum Verbund dieses sogenannten Event Horizon Telescope (EHT) gehörten unter anderem der 30-Meter-Spiegel von IRAM in Spanien sowie das APEX-Teleskop in Chile, an dem das Max-Planck-Institut für Radioastronomie beteiligt ist. Insgesamt haben die Teleskope allein bei den Beobachtungen im Jahr 2017 etwa vier Petabytes an Daten aufgenommen – eine solch große Menge, dass der Transport auf dem Postweg tatsächlich schneller und effektiver ist, als das Senden der Daten per Internet. Die Messdaten wurden am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn mittels eines Supercomputers, dem Korrelator, kalibriert und ausgewertet.
„Die Ergebnisse geben uns zum ersten Mal einen klaren Blick auf ein supermassives schwarzes Loch und sie markieren einen wichtigen Meilenstein für unser Verständnis der fundamentalen Prozesse, welche die Bildung und die Entwicklung von Galaxien im Universum bestimmen“, sagt Anton Zensus, Direktor am Bonner Max-Planck-Institut und Vorsitzender des EHT-Kollaborationsrats. Es sei bemerkenswert, dass in diesem Projekt astronomische Beobachtungen und theoretische Interpretation schneller als erwartet zum erhofften Resultat geführt hätten.
Nach den Worten von IRAM-Direktor Karl Schuster basiert der Erfolg auf einer „jahrzehntelangen europäischen Fachkompetenz“ in der Millimeterastronomie: „Schon in den 1990er-Jahren haben das Max-Planck-Institut in Bonn und unser Institut mit seinen beiden Observatorien technisch und wissenschaftlich gezeigt, dass wir mit hochauflösenden Radiobeobachtungen eine einzigartige Methode besitzen, die unmittelbare Umgebung von supermassiven schwarzen Löchern zu analysieren.“ IRAM als eine von der Max-Planck-Gesellschaft mitfinanzierte Einrichtung nahm mit dem 30-Meter-Teleskop an der Kampagne aktiv teil. Dieses Teleskop spielte mit seinem in Europa gelegenen Standort und seiner außerordentlichen Empfindlichkeit eine entscheidende Rolle für den Erfolg der EHT-Beobachtung.
Das Herz der supermassiven Galaxie M 87 besitzt zwei spezielle Eigenschaften, die es zu einem geeigneten Kandidaten für das Projekt machen: Es ist zum einen dank seiner ungewöhnlichen Größe und zum anderen wegen seiner relativen Nähe zur Erde gut zu sehen und damit ein perfektes Studienobjekt für Wissenschaftler, die mit dem weltumspannenden Teleskopverbund nun endlich ein Instrument besitzen, um ein solch exotisches Objekt direkt zu beobachten.
Die Regionen um supermassive schwarze Löcher sind den extremsten Bedingungen ausgesetzt, die wir im Weltall kennen. Schwarze Löcher sind faszinierende kosmische Objekte, die eine unglaubliche Gesamtmasse innerhalb eines winzigen Raumbereichs umfassen. Ihre Masse und damit ihre Anziehungskraft sind so groß, dass selbst Licht ihnen nicht entkommen kann. Daher bleiben sie schwarz – und es ist unmöglich, sie direkt wahrzunehmen.
Die einzige Chance, schwarze Löcher zu sehen, besteht darin, ihren „Schatten“ abzubilden. Dieser entsteht durch die extrem starke Beugung des Lichts – und zwar kurz bevor es unwiderruflich im schwarzen Loch verschwindet. Hochauflösende Radiobeobachtungen im Bereich von Millimeterwellen erlauben es den Astronomen, ungestört von dichten Staub- und Gaswolken bis an die Ränder von schwarzen Löchern vorzudringen.
Das jetzt veröffentlichte Bild wurde bei 1,3 Millimeter Wellenlänge gewonnen und zeigt klar eine ringförmige Struktur mit einer dunklen Zentralregion – eben den Schatten des schwarzen Lochs. Um dieses sehr massereiche und kompakte Objekt bewegt sich mit hohen Geschwindigkeiten ein heißes Gasplasma. Die ringförmige Struktur auf dem Bild ist nichts anderes als die stark erhitzte Materie um das Massemonster, dessen Licht von ihm selbst wie durch eine Linse umgelenkt und verstärkt wird. Nach einer rund 55 Millionen Lichtjahre langen Reise trifft es auf die Teleskope des EHT-Verbundes.
Der Ursprungsort, M 87, ist eine elliptische Riesengalaxie nahe dem Zentrum des Virgo-Galaxienhaufens. Charles Messier trug im Jahr 1781 das Objekt unter der Nummer 87 in seinen Katalog ein. Die Galaxie ist auch als starke Radioquelle namens Virgo A bekannt und sehr aktiv. Aus ihrem Kern schießt ein mindestens 5000 Lichtjahre langer Jet – Materie, die in der Akkretionsscheibe des schwarzen Lochs im Zentrum beschleunigt wird und in Form eines stark gebündelten Strahls senkrecht zu dieser Scheibe mit hoher Geschwindigkeit ausströmt.
Der Schatten verrät den Forschenden eine Menge über die Natur der zentralen Maschinerie und ermöglicht es ihnen, die enorme Gesamtmasse des schwarzen Lochs von M 87 präzise zu bestimmen. Sie liegt bei 6,5 Milliarden Sonnenmassen. Dieser Wert deckt sich gut mit dem aus anderen Beobachtungen gewonnen.
„Über viele Jahrzehnte konnten wir schwarze Löcher nur indirekt nachweisen“, sagt Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Dann haben Detektoren vor ein paar Jahren zum ersten Mal Gravitationswellen gemessen und die Auswirkungen von schwarzen Löchern auf die Raumzeit bei deren Verschmelzung gleichsam hörbar gemacht. „Nun können wir sie endlich auch sehen und haben die Möglichkeit, diese exotischen Objekte und deren extreme Raumzeitkrümmung mit all ihrer Faszination auf einzigartige Weise zu untersuchen“, sagt der Wissenschaftler, einer der Hauptverantwortlichen von BlackHoleCam. Dieses Projekt ist Teil des EHT, dem rund 200 Forschende angehören.
Die Beobachtungen gehen weiter. Seit Ende 2018 ist auch NOEMA, das zweite IRAM-Observatorium in den französischen Alpen, Teil des weltweiten Verbundes. Mit seinen zwölf hochempfindlichen Antennen wird dieses Observatorium das leistungsfähigste des EHT auf der nördlichen Hemisphäre sein. „Dank NOEMA werden wir in einen neuen Empfindlichkeitsbereich vorstoßen und damit noch mehr faszinierende Erkenntnisse gewinnen“, sagt Karl Schuster.
Für Anton Zensus bedeutet der Erfolg eine Zäsur in der Astronomie. „In Zukunft werden sich Forscher weit über unser Arbeitsgebiet hinaus klar an eine Zeit vor und nach dieser Entdeckung erinnern“, sagt der Max-Planck-Direktor. Seiner Meinung nach werden die Astronomen die galaktischen Zentren besser verstehen und ein vollständiges Bild von Entstehung und Entwicklung aktiver Galaxien gewinnen. Zudem werde man die allgemeine Relativitätstheorie auf Herz und Nieren testen können. „Denn schwarze Löcher sind ein ideales Labor für Messungen unter starker Schwerkraft.“ (HOR / NJ / ZA)