Man war gespannt im vollbesetzten Theatersaal des Gemeindezentrums Zion in Bremen, wie der bekannte Banker Folker Hellmeyer (Chefanalyst der Solvecon Invest GmbH) und der China-Kenner Wolfram Elsner (Professor für institutionelle Ökonomik an der Universität Bremen) über das Thema „China – wohin?“ diskutieren würden.
Die Veranstaltung fand statt am 6. November 2018; es moderierten Barbara Heller vom Bremer Friedensforum und Prof. Dr. Sönke Hundt von der Hochschule Bremen.
Die beiden renommierten Referenten ergänzten sich gut, setzten natürlich unterschiedliche Akzente in ihren Beurteilungen, aber waren sich doch ziemlich einig darüber, dass Chinas Entwicklung „atemberaubend“ sei. Vor allem referierten und diskutierten sie völlig frei. Manche ihrer Formulierungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Und sie wurden dafür vom Publikum oft mit viel Beifall bedacht.
Zuerst ging es um den von Trump vom Zaun gebrochenen Handels-Zoll-Sanktions-Krieg gegen das „Reich der Mittel“. Der große Schaden für die Weltwirtschaft zeige sich schon heute, so Elsner, aber In China sei man sehr selbstbewusst geworden, China werde jedenfalls in ökonomischer Hinsicht nicht der Verlierer sein. „Ich bin unsicher“, so Elsner, „wozu die USA fähig sein werden, wenn sie, was passieren wird, vom ersten Platz in der Weltwirtschaft verdrängt werden.“ Ein „Finanzkapitalismus in seiner Verrottungsphase“, der über keine gesellschaftliche Rationalität, dafür aber über 80 Prozent der Zerstörungstechnologie in der Welt verfüge, sei in der Lage, die Welt mit seiner aggressiven Politik in den Abgrund reißen.
Folker Hellmeyer äußerte sich als Banker deutlich zurückhaltender gegenüber den USA, bewertete jedoch die ökonomischen Implikationen ähnlich. Er beschwor lieber die Rolle und die Aufgabe Europas. Europa müsse sich endlich seiner eigentlichen Aufgabe bewusst werden und baldmöglichst die ewige Rolle des Vassallen der USA verlassen. „Auch die Ultra-Transatlantiker in Berlin und Brüssel müssen begreifen, dass sie sich in den letzten 30 Jahren in einer Gedankenblase bewegt haben,“ so Hellmeyer. Und mit großer Emphase: „Schauen Sie nach Russland, schauen Sie nach China! Die Zukunft liegt im Osten!“
Das Hauptthema des Abends war natürlich die „Seidenstraße“, die „One-Belt-One-Road-Initiative (OBOR)“. Er – Folker Hellmeyer – könne wohl für sich in Anspruch nehmen, als einer der ersten und sehr frühzeitig auf die ungeheure Bedeutung dieses größten Infrastrukturprojektes aller Zeiten hingewiesen zu haben. Handelspolitik sei Friedenspolitik. Die Seidenstraße sei die neue Globalisierungspolitik, sie sei konstruktiv und nicht destruktiv (wie die Einkreisungs- und Regime-Change-Politik der USA und des Westens).
Ob dieser Lobeshymnen auf die Entwicklung und die Politik Chinas fragte der Moderator Sönke Hundt irgendwann: „Macht China denn eigentlich alles richtig?“ Worauf Wolfram Elsner meinte: „Einfache Frage – einfache Antwort, und die Antwort ist ja. China geht Wege, die die Menschheit noch nie gegangen ist. Und das mit einer Geschwindigkeit und einer Leichtigkeit des Wandels, die nur möglich ist, wenn die arbeitenden Menschen tatsächlich im Mittelpunkt der Politik stehen, und – vor allem – wenn das System ihnen soziale Sicherheit für die Zukunft bietet“.
Aber es wurden auch kritische Töne laut. Gegen das System der Sozialindikatoren, das zur Zeit offenbar in China flächendeckend erprobt und aufgebaut werde, seien die düsteren Dystopien eines George Orwell geradezu eine Persiflage, so Folker Hellmeyer. Wolfram Elsner setzte deutlich andere Akzente. Er schilderte konkrete Erfahrungen aus seinen insgesamt fünf Besuchen in China, referierte etwas über die politisch-gesellschaftlichen Begründungen für dieses Projekt und beurteilte es abschließend deutlich positiver.
Einig waren sich beide Referenten in ihrem Bedauern über das Ausmaß des Nicht-Wissens in der Politik und in den Medien gegenüber China (weniger in der Wirtschaft). Warum häufig diese Feindseligkeit? Warum nicht etwas mehr Neugier diesem Land mit seinen 1300 Millionen Einwohnern gegenüber?