Journalisten dürfen hierzulande schreiben, was sie wollen. Nur wenn sie darüber hinaus auch die Absicht haben, ihre Artikel zu veröffentlichen, wird es schwierig. Dann müssen sie an Torhütern vorbei, meist Chefredakteuren und Medienbesitzern, die ihre Werke nicht nur schreibhandwerklich, sondern auch weltanschaulich vorselektieren. Was bedeutet es für die viel beschworene Meinungsvielfalt, wenn Medien in Deutschland zunehmend in den Händen weniger, meist stramm neoliberal ausgerichteter Großunternehmen sind?
Unter dem Arbeitstitel Pravda – die Wahrheit – räsonierte Elon Musk kürzlich über seine neueste Idee: eine Online-Plattform, die es ermöglicht, kritisch die Glaubwürdigkeit von Artikeln, JournalistInnen oder gar ganzer Medien auszuleuchten. Ein eigenwilliger Ansatz gegen Fake-News – vor allem Fake-News, die es zufälligerweise wagen, Marken wie Tesla in Verruf zu bringen.
Ähnliche Fälle finden sich auch diesseits des Atlantiks: Dietrich Mateschitz, Red-Bull-Gründer und wohl der reichste Österreicher, etwa monierte in einem für Aufregung sorgenden Interview öffentliche „Meinungsdiktate“ und gründete kurzerhand die, laut Eigenverständnis unabhängige, Rechercheplattform Quo vadis veritas – Wohin gehst du, Wahrheit?
Solche Nachrichten erregen natürlich Aufsehen. Einerseits weil sich beide – Mateschitz wie Musk – Hype und Aura des (post-)modernen Unternehmers zu eigen gemacht haben. Andererseits weil beide versuchen, auf die Medien – eine der demokratischen Grundinstitutionen – einzuwirken. Eine derartige Einflussnahme durch zwei so wohlhabende Individuen wirkt nicht gerade unproblematisch, auch wenn beide sich zur Legitimation die Begriffe Wahrheit, Unabhängigkeit und Fremdsprachenkenntnisse an die Fahne geheftet haben.
Sich aber isoliert über solche Sachverhalte zu echauffieren und dabei das etablierte Mediensystem aus der Kritik zu nehmen, scheint fehl am Platz. Man denke an die Gründung der FAZ – finanziert von einem Kreis aus Industriellen mit dem auserkorenen Ziel, den ideologischen Unterbau für eine liberale Wirtschaftsordnung im Nachkriegsdeutschland zu liefern.
Dies betrifft natürlich nicht nur eine Zeitung, sondern das Gros des Mediensystems in Deutschland.
Die meisten Medienunternehmen Deutschlands erwecken zwar dank ihrer Besitzstrukturen – zumeist sind sie ja in Familienbesitz – einen etwas romantischen, etwas altmodischen Eindruck. Tatsächlich handelt es sich bei ihnen aber natürlich um Unternehmen, die nach der Logik der kapitalistischen Produktionsweise agieren.
Wer demnach mit Unbehagen betrachtet, dass Musk, Mateschitz, Bezos und Konsorten ihr Vermögen als Sprachrohr nutzen, sollte sich gleichzeitig fragen, was für einen Einfluss Springer, Mohn und Jahr ausüben und seit Jahrzehnten ausgeübt haben.
Dass man den EigentümerInnen deutscher Medienunternehmen mit diesem Vergleich wenig Unrecht tut, zeigt ein kurzer Blick in Deutschlands Reichenlisten. Die untenstehende Grafik zeigt die Vermögen der größten MedieneigentümerInnen Deutschlands für das Jahr 2018.
Angesichts dieser Zahlen scheint die vielbeschworene Krise der Medien aus den reichsten deutschen Medienunternehmern noch keine armen Kirchenmäuse gemacht zu haben. Und auch wenn in manchen Fällen Vermögen geschrumpft zu sein scheinen, liegt der Verdacht nahe, dass das Kapital sich nicht über Nacht in Luft aufgelöst hat, sondern in steuerschonenden Stiftungen geparkt wurde.
Darüber hinaus ist natürlich der direkte Schluss vom Privatvermögen diverser Medieneigentümer auf die Konstitution des Medienmarktes insgesamt nicht zulässig, da zum einen diese Vermögen wohl nicht ausschließlich in Medienunternehmen zu verorten sind, sowie sicherlich Anteile von Personen und Unternehmen gehalten werden, die hier nicht abgebildet sind.
Der relevante, zugrunde liegende Widerspruch besteht jedenfalls in der idealisierten Rolle der Presse als demokratische Institution und ihrer ökonomischen Fundierung im Privateigentum.
Ein Widerspruch, der sich seit geraumer Zeit in der zunehmenden Tendenz zur Eigentumskonzentration im Pressebereich zugespitzt hat. So veranschaulicht alleine eine Betrachtung der ungefähr im Zweijahrestakt erscheinenden Studien Horst Röpers zum deutschen Tageszeitungsmarkt eine sich selbst überholende Tendenz zur weiteren Konzentration:
1997: Leichte Steigerung der Konzentration
2000: Konsolidierungsphase beendet?
2002: Wirtschaftliche Krise und steigende Konzentration
2004: Bewegung im Zeitungsmarkt 2004
2006: Probleme und Perspektiven des Zeitungsmarktes
2008: Konzentrationssprung im Markt der Tageszeitungen
2010: Rangverschiebungen unter den größten Verlagen
2012: Konzentration erreicht Höchstwert
2014: Erneut Höchstwert bei Pressekonzentration
2016: Pressekonzentration erneut leicht angestiegen
2018: Pressekonzentration wächst rasant
Die Studien Röpers beschränken sich dabei wohlgemerkt auf die Entwicklung am Tageszeitungsmarkt. Größere Studien, die eine holistischere Perspektive auf die Eigentumsstrukturen in der deutschen Medienlandschaft werfen, sind aber aufgrund der miserablen Datenlage äußerst rar gesät.
Diese schlechte Datenlage wird dabei von der Politik willentlich in Kauf genommen: Bis 1994 waren auf Basis der Pressestatistik des Statistischen Bundesamtes zuverlässige und breite Tendenzen im Mediensektor leicht recherchierbar. Diese wurde allerdings durch einen Kabinettsbeschluss der damaligen Bundesregierung ausgesetzt, was zu einem erheblichen Mangel an validen Daten im Bereich des Zeitungs- und Verlagswesen sowie im Rundfunkbereich führte, der nach wie vor gegeben ist.
Dieser Umstand wird zwar immer wieder problematisiert (zum Beispiel in einem Antrag der SPD und Grünen Fraktion vom 27. März 2012 oder im Gutachten des Hans-Bredow-Instituts von Februar 2017), allerdings sind bisher keine Verbesserungen zu erkennen.
Die wenigen Studien, Berichte und Forschungen im Bereich der Medienkonzentration sind damit aufgrund des fehlenden zentralen, umfassenden Datenangebots gezwungen, auf eine Vielzahl von fragmentierten Einzeldaten zurückzugreifen, was nicht nur mühsam ist, sondern die Forschenden auch vor Schwierigkeiten bei der Vergleichbarkeit und Analysierbarkeit der unterschiedlichen Quellen stellt.
Um dieser Schieflage in der Struktur und der Analyse des deutschen Medienmarkts beizukommen, unternimmt das isw-München eine Studie zur Verfasstheit der Politischen Ökonomie der deutschen Medien. Dabei werden die oben aufgeworfenen Problematiken behandelt und versucht, den Schwächen bisheriger Analysen beizukommen.
Im Sinne der kritischen Kommunikationsforschung ist damit das zentrale Ziel, die spezielle Position und Bedeutung von Medien unter der kapitalistischen Produktionsweise aufzuzeigen sowie konkrete Aussagen über die Existenz von Eigentums- und damit Machtverhältnissen im deutschen Medienmarkt zu treffen.
Vor diesem Hintergrund versucht das vorliegende Forschungsvorhaben eine Aktualisierung der Frage nach „ownership and control“ in Deutschland. Folgende Bereiche werden dabei berücksichtigt:
- Makroebene: Analyse genereller Entwicklungen am deutschen Medien- und Werbemarkt (Stichwort Medienkrise und Digitalisierung).
- Unternehmensebene: Eine vertiefende Analyse der größten Medienunternehmen. (hinsichtlich Eigentümerverhältnisse, finanzielle Kennzahlen und Konzentration).
- Personenebene: Die Aufschlüsselung der zugrunde liegenden Eigentumsstrukturen im Rahmen einer “power structure analysis”, um Verflechtungen in medienfremde Bereiche offenzulegen. (Verflechtungen zwischen Kapitalfraktionen).
Da es sich hierbei um eine sehr umfassende Tätigkeit handelt, hoffen wir Interessierte dazu bewegen zu können, unser Vorhaben zu unterstützen und es dadurch zu ermöglichen, uns in gebotener Tiefe mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen zu können. Diese Arbeit reiht sich in Ihrem Selbstverständnis in bereits bestehende Forschung der kritischen Kommunikationswissenschaft, wie etwa von Fuchs, Knoche, Meyen, Allmer, Rosa, Schenkel, Tröger, Stumberger, Sevignani und vielen anderen, ein.
Redaktionelle Anmerkung: Wer das oben vorgestellte Projekt unterstützen will, spendet bitte an ISW e.V., IBAN: DE49 700 905 00 0000983420, BIC: GENODEF1SO4, Kennwort: Medien.
Über die Autoren
Benjamin Ferschli ist Forschungsassistent am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft der Johannes Kepler Universität Linz und Doktorand an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er forscht zu Fragen der Vermögensschätzung und Ungleichheitsmessung. Darüber hinaus gilt sein besonderes Interesse Fragen und Methoden der Politischen Ökonomie sowie dem Wandel von Arbeit.
Daniel Grabner ist Doktorand, Gastlektor und Forschungsassistent am Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der kritischen Politischen Ökonomie der Medien.
Hendrik Theine ist Universitätsassistent am Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien. Er promoviert im Bereich der Kritischen Politischen Ökonomie der Medien sowie der Cultural Political Economy. Er ist Gründungsmitglied und Obmann der Gesellschaft Plurale Ökonomik Wien sowie im Vorstand des BEIGEWUM, dem Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen.
Anmerkung: Das Werk erschien auf Rubikon – Magazin für die kritische Masse und ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen darf es verbreitet und vervielfältigt werden.