Ein Blick in die Medien der letzten Wochen verstärkt den Eindruck, dass beutehungrige Wesen die Zuckerinsel Kuba, die Insel der Hoffnung, verstärkt umkreisen.
Der neugewählte Staatspräsident, Miguel Diaz-Canel, hat kein leichtes Amt übernommen. Innenpolitisch hat er einen Berg von Aufgaben zu lösen. Nicht so sehr in den Bereichen der Gesundheitsversorgung, der Bildung, der Kultur, der Frauenrechte, der Jugendförderung, der inneren Sicherheit, der Ernährung und der Grundversorgung. Auf diesen Gebieten hat die kubanische Regierung in Castros Jahren unter Beachtung ihrer Möglichkeiten Enormes geleistet. Das alte Erbe in der Wirtschaft drückt noch schwer. Unsummen für mögliche Investitionen aus der Wertschöpfung der Zucker-, Tabak- und Rumproduktion und des Exports sind vor der Revolution in New Yorks Tresoren gelandet. Sie standen für die innere Entwicklung Kubas nicht zur Verfügung. Nach den Revolutionsjahren beschränkten Boykotte und andere handelspolitische Instrumente der westlichen Industrieländer die Investitionsmöglichkeiten Kubas. Sie haben den Ausbau von wirtschaftlichen Alternativen enorm erschwert. In der Landwirtschaft Kubas ist das Erbe der Latifundienwirtschaft und der Monokulturen aus den vorrevolutionären Zeiten noch nicht überwunden. Eine Bauernschaft hat sich historisch neben den beherrschenden Latifundien nur rudimentär auf schlechten Bodenlagen entwickeln können. Noch müssen zu viel Nahrungsmittel zu Lasten der Zahlungsbilanz importiert werden.
Ohne eine starke wirtschaftliche Basis sind erfolgreiche soziale und naturbewusste Alternativen nur langfristig entwickelbar.
Die Erbmasse in internationalen Bereichen ist nicht weniger kompliziert, zumal Nachbar Trump, der mit dem „BIG Stick“, deutlich auf eigenen Zugewinn bedacht ist und von einer Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen nichts hält. Alle internationalen Partner, die der Logik des Profits folgen, beobachten Kuba mit Argusaugen. Sie sind Brüder im Geiste mit Trump, auch wenn sie teilweise von der Embargopolitik und den Sanktionen der USA betroffen sind.
Unter scharfer Beobachtung steht an erster Stelle der Umgang Kubas mit der Demokratie.
Kuba pflegt anstelle der präsidentiellen oder der repräsentativen Parteiendemokratie, die von den Anhängern der Profitlogik bevorzugt werden, stärker das Modell der partizipativen Demokratie. Kubanische Politiker sind überzeugt, dass ihr Demokratiemodell dem Volkssouverän einen höheren Grad an Beteiligung ermöglicht. Die Legitimation für die Ausübung der drei Gewalten im Parlament, Regierung und Rechtswesen wird nicht geschmälert. Das belegen die gültigen Regeln für die abgeschlossene Wahlperiode. Die Programmziele für das Land wurden mit den Wählern in allen 16 Verwaltungsgebieten Kubas partizipativ in Volksversammlungen besprochen und Vorschläge dazu eingeholt. Wahlkandidaten wurden von der kommunistischen Partei und von Massenorganisationen (Gewerkschaften, Frauen- und Jugendorganisationen) vorgeschlagen. In Versammlungen des ganzen Landes werden Wahlkandidaten befragt und auf Eignung geprüft. Die Versammlungen sind auch der Ort, wo das künftige Regierungsprogramm besprochen wird. Kubanische Gesetzesregeln geben den Wählern das Recht der Abberufung der Abgeordneten.
Ein grober Vergleich: Die Abgeordneten des deutschen Parlaments sind nicht an Wähleraufträge gebunden und unterliegen bei Entscheidungen im Parlament nur ihrem Gewissen, was dem Egoismus und der Lobby die Türen öffnet. Ein Fraktionszwang zur Stimmenabgabe kann verhängt werden. Eine Parteienfinanzierung für Wahlzwecke beeinflusst die Richtung der Politik. In Deutschland übliche Mechanismen, die den Wahlausgang steuern können, wie Wahl-o-mat, Umfragen über ganze Jahre sind in Kuba unbekannt. Die Siegerpartei repräsentierte in Deutschland in den Wahlen 2013 und 2017 real um die 14 Prozent aller Wahlberechtigten.
In Ländern mit präsidentieller Ordnung und der Möglichkeit mit Dekreten zu regieren hat die Demokratie Defizite.
Das Wahlalter beträgt in Kuba 16 Jahre. Der Grad der Repräsentation des Volkswillens in Kuba ist beispielslos hoch; damit auch die Legitimation für das Amt, das Abgeordnete oder Regierungsmitglieder auszufüllen haben.
Der Wechsel des Präsidenten macht nicht Bange!
Kuba schätzt die großen Werte der französischen Revolution, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die den Feudalismus schließlich zum Sturz brachten. Unterschiede bestehen in der Interpretation der drei Menschheitswerte. Freiheit ist ein hohes Gut, ihr Gebrauch, auch in den Medien, sollte der Gemeinschaft dienen, nicht dem Egoismus des Geldes oder als Instrument der Macht. Pressefreiheiten für Kriegspropaganda oder Gewalttaten gegen die Ordnung wird nicht erlaubt. Die Gleichheit strebt Kuba in vielen Bereichen aktiv an (Verteilungsfragen, Gleichheit der Geschlechter und der Herkunft, internationale Zusammenarbeit und vieles mehr). Die Brüderlichkeit ist dem kapitalistischen System gleich nach der französischen Revolution abhandengekommen. In Kuba hat sie einen hohen Stellenwert.
Worauf aber kommt es eigentlich an?
Seit Platons „Politeia“ wissen wir, dass es bei der Staatsverwaltung um die Frage „nach dem guten oder schlechten Leben für die Mehrheiten ankommt“ und „die Gerechtigkeit ist das Prinzip, dessen Durchsetzung dem Staat obliegt“ (Platon, der Staat, Reklamverlag). Das waren auch Leitgedanken, die Fidel Castro und seine Begleiter zur dauerhaften Veränderung des alten ungerechten Systems und seiner revolutionären Überwindung in Kuba im Sinn hatten.
Eine Umwandlung gesellschaftlicher Verhältnisse in ihren Hauptbereichen und in eine neue soziale und naturgerechte Alternative benötigt viel Zeit, meistens Generationen. Sie ist abhängig von den konkreten Gegebenheiten des Landes, vom eigenen materiellen und geistigen Vermögen die Kräfteverhältnisse in den jeweiligen Zeitetappen real zu erkennen, vor allem aber von der Gegenreaktion der alten Beharrungskräfte innerhalb und außerhalb des Landes.
Die Brüder Castro haben ihre Aufgaben gemeistert, auch wenn die konkreten Bedingungen sie oft von ihrer Ideallinie abgedrängt haben. Wie tief ihre revolutionären Ideen Wurzeln im Volk geschlagen haben, zeigen beispielhaft zwei Ereignisse, die die Ergebnisse der Revolution bedrohten: Die schwere Sonderperiode (Wirtschaftskrise nach dem Zerfall der Sowjetunion) und der Versuch mit Waffengewalt in der Schweinebucht die Regierung zu stürzen.
Der neue Präsident wird durch rationelles Handeln, mit der Einbeziehung der Bevölkerung und unter Beachtung der Vernunft, das Land weiterhin auf revolutionären Kurs halten. Kuba wird die Prämissen der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen“ von 1947 weiterhin achten. Die in seiner Antrittsrede angekündigte Verfassungsreform zeugt von seinem Willen, den von der Revolution vorgezeichneten Weg zu gehen. Seit 1917 (Mexiko) ist Lateinamerika Vorreiter fortschrittlicher Verfassungen.
In den vergangenen 62 Jahren hat das energie- und rohstoffarme, sowie kapitalschwache Kuba internationale Solidarität aus der sogenannten 3. und 2. Welt erfahren, z.B. bei Resolutionen in der UNO, gleichberechtigte Bedingungen im Handel mit Ländern der sozialistischen Welt oder im Rahmen der CELAC. Kuba selbst hat aktive Solidarität in Afrika (z.B. Bekämpfung der Ebola) und Lateinamerika (Bildungs- und Gesundheitswesen) geleistet. Das Land und Präsident Miguel Diaz-Canel brauchen sie auch weiterhin.
Che Guevara hinterließ uns den schönen Spruch, dass die Solidarität die Zärtlichkeit der Völker ist. Kuba ist historisch eine Hoffnung für Lateinamerika und für uns. Es wäre ein Gewinn, wenn Kuba als eine Alternative seinen Weg erfolgreich im Sinne Platons und für eine bessere Welt weitergeht.