Bis zum Jahr 2050 könnten bis zu 200 Millionen Menschen zu heimatlosen Klimaflüchtlingen werden. Diese Kategorisierung gibt es bislang nicht einmal in der Genfer Flüchtlingskonvention. Dennoch ist der Entzug jeglicher Lebensgrundlagen durch höhere Gewalt nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Wien anerkannter Asyl-Grund.

Nicht nur die direkten Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Überflutungen und unfruchtbarer Boden führen schon jetzt zu Abwanderung und Migration vieler Menschen. Durch Desertifikation gehen jährlich 120.000 Quadratkilometer fruchtbaren Bodens verloren.

Dem steigenden Meeresspiegel in Kombination mit verheerenden Sturmfluten fielen erst jüngst die ersten Gebiete zum Opfer. Und als wäre dies nicht schrecklich genug, wird dort, wo lebenswichtige Ressourcen knapp werden, nutzbares Land oftmals auch noch in großem Stil von Konzernen aufgekauft und der Allgemeinnutzung entzogen.[1]

Klimatische Extremereignisse sind oftmals auch die Vorläufer sozialer Konflikte. Wenn Wasser und fruchtbares Land knapp werden, eskalieren diese häufig zu kriegerischen Konflikten.

Jedes Jahr fliehen fast doppelt so viele Menschen vor Umweltkatastrophen wie vor Krieg. Und weil fruchtbarer Boden immer weniger wird, versuchen Konzerne, sich möglichst viel davon zu sichern. Der Appetit der industrialisierten Staaten des Nordens und von Schwellenländern nach Soja, Raps, Zuckerrohr, Öl, Erzen und anderen Rohstoffen wächst ungebremst.

In Afrika, dem wohl am stärksten ausgebeuteten Kontinent, sind laut jüngsten Berechnungen bereits rund zehn Millionen Hektar Boden durch Land Grabbing[2] in die Hände von internationalen Investoren gefallen. Die EU fördert zudem den Export hochsubventionierter Agrarprodukte nach Afrika, mit der Folge, dass dortige Märkte einbrechen.

Kinder in Afrika. Foto Robert Manoutschehri

Auch die Bevölkerung Afrika leidet unter den Folgen von Land Grabbing und dem Klimawandel. (Foto: Robert Manoutschehri)

Bis zum Jahr 2050 könnten durch diese tödliche Spirale bis zu 200 Millionen Menschen zu heimatlosen Klimaflüchtlingen werden – eine Kategorisierung, die es bislang noch nicht einmal in der Genfer Flüchtlingskonvention gibt. Dennoch ist der Entzug jeglicher Lebensgrundlagen durch höhere Gewalt zumindest seit September 2017 und einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Wien anerkannter Asyl-Grund. Einem Somalier wurde dabei erstmals in Europa aufgrund von Klimagründen subsidiärer Schutz gewährt.[3] In Neuseeland wurde schon 2014 ein ähnliches Urteil zugunsten einer Familie aus dem Pazifik-Inselstaat Tuvalu gefällt.[4]

Dieser Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Zeitalter und einer Lebensweise, die Klimawandel, Vernichtung von Ökosystemen, soziale Polarisierung und Verarmung verstärkt, widmen sich die Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen in ihrem Buch Imperiale Lebensweisen.[5] Dort heißt es u.a.:

Unsere imperiale Lebensweise beruht auf Exklusivität, sie kann sich nur so lange erhalten, wie sie über ein Außen verfügt, auf das sie ihre Kosten verlagern kann.

Unsere Gesellschaft muss sich folglich einer neuen Wirtschafts- und Lebensweise zuwenden, die sich nicht nach Wachstum und Profit, sondern nach Bedürfnissen, Solidarität und Gerechtigkeit bemisst. Klimaschutz sowie fairer Handel und Friedenspolitik sowie Akuthilfe in Krisenregionen dienen der Bekämpfung von Fluchtursachen und sind ungleich wirkungsvollere Maßnahmen als jede noch so hohe Mauer, Obergrenzen oder kurzfristige Abwehrpolitik.

[1] Artikel von Julia Schilly im österreichischen Standard.
[2] Land Grabbing bezeichnet die teilweise illegitime oder illegale Aneignung von Land, insbesondere Agrarflächen, oft durch wirtschaftlich oder politisch durchsetzungsstarke Akteure.
[3] Asylgrund Klima für Somalier. Bericht im österreichischen Kurier.
[4] Asylgrund Klima für Tuvalu. Bericht auf Zeit online.
[5] Das Buch „Imperiale Lebensweisen“ im Oekom Verlag.


Über den Autor: Robert Manoutschehri ist Fotograf, Journalist, Texter und Grafikdesigner aus Österreicher. Er engagiert sich ehrenamtlich für zahlreiche Bürgerinitiativen und NGO’s und berichtet regelmäßig über die Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent und die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels. Er lebt in Wien.

Der Originalartikel kann hier besucht werden