Letzte Woche fand in Paris ein Migrations-Gipfel statt. Daran nahmen folgende europäische Länder teil: Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Vom afrikanischen Kontinent kamen Niger, Tschad und der international anerkannte Vertreter Libyens. Ziel sei es, die Flüchtlinge schon in Afrika zu identifizieren und zu prüfen wer ein Recht auf Asyl in Europa hat.
Ein Kommentar von Jairo Gomez
Die afrikanischen Partner, Libyen, Tschad und Niger haben bei Amnesty International (AI) jeweils eine lange Liste von Beanstandungen aufzuweisen. Laut AI handelt es sich dabei hauptsächlich um Verstöße gegen die Menschenrechte. Libyen befindet sich immer noch im Bürgerkrieg, im Tschad ist eine Militärdiktatur an der Macht und der Niger gilt als eines der korruptesten Länder Welt.
„In der Sahelzone wird auch die Sicherheit Europas verteidigt“
Mit diesen drei Ländern haben sich die Europäer auf einen Plan geeinigt um zu verhindern, dass Flüchtlinge weiter über die Mittelmeerroute nach Europa kommen. Tschad, Libyen und Niger sind Transitländer und spielen eine Schlüsselrolle bei dem Plan, die Zahl der Flüchtlinge, die nach Europa kommen, zu verringern. Was in den Medien nicht groß betont wird, ist die Tatsache, dass es mehr Länder bedarf, um die Lage in Griff zu bekommen. Es kommen noch Mauretanien, Burkina Faso und Mali hinzu. Die Sahel-Zone bildet damit einen nahezu kompletten Riegel um eine Reise nach Europa zu verhindern.
In ähnlicher Weise, wie sich der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck am 4. Dezember 2002 äußerte: „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt.“, sagte auch der aktuelle französischer Außenminister Jean-Yves Le Drian: „In der Sahelzone wird auch die Sicherheit Europas verteidigt.“ Um das zu gewährleisten, bekommen die fünf afrikanischen Länder von Frankreich und Deutschland nicht nur mehr Entwicklungshilfe, sondern auch militärische Hilfe in Form von Waffen, Munition und Ausbildern. Von der Öffentlichkeit wird aber hauptsächlich der höhere Umfang der Entwicklungshilfe und die Teilnahme des UNHCR bei der Einrichtung von Auffanglagern betont. Die Militärabkommen werden nicht an die große Glocke gehängt.
Mit offenem Auge und doch großzügig ignorierend, nimmt die Öffentlichkeit nahezu weltweit, die Entstehung eines monströsen, menschenverachtenden Bollwerks zur Kenntnis. Durch das Anständigkeitsmäntelchen des UNHCR umhüllt, ist zeitgleich eine Zone des Grauens geschaffen worden. Einer der wenigen Journalisten, die sich trauen all das mit deutlichen Worten, öffentlich zu kritisieren, ist Georg Restle vom WDR. Völlig zurecht wirft er der europäischen Außenpolitik vor, auf grundlegende Werte wie es das Völkerrecht, Humanität und Menschenrechte sind, zu verzichten.
In allen teilnehmenden afrikanischen Ländern dürften die allgemeinen Menschenrechte nur vom Papier her bekannt sein und das wahrscheinlich nur bei den Mitarbeitern der jeweiligen auswärtigen Ämter in Europa und Amerika. In den Ländern selbst, sind zahlreiche, schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte Programm. Damit nicht genug, agiert die Terrororganisation Boko Haram, sowohl im Tschad als auch im Niger. Das Grauen wird durch die in der Sahara herrschenden Bedingungen vervollständigt. All die Flüchtlinge, die trotz dieser Hindernisse, den Höllentrip überstehen, sollen von der libyschen Küstenwache abgefangen werden. Hinter der Küstenwache steht aber nicht etwa eine libysche Regierung, sondern ein undurchsichtiger, rätselhafter Warlord namens Abdurahman Salem Ibrahim Milad.
Ein Hund der die Sonne anbellt
Der deutsche Journalist Georg Restle prangert in seinem Kommentar diese Zustände und Praktiken der EU-Länder an, als ob sie ein neues Phänomen seien. Das sind sie aber nicht. Hier wird alte Kolonialpolitik unter einem modernen Mantel fortgeführt.
Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien, das darf man nicht außer Acht lassen, sind ehemalige Kolonialmächte. Mit anderen Ländern saßen sie schon bei der Kongokonferenz 1884/85 zusammen, um über das Schicksal Afrikas zu entscheiden. Damals so wie heute ging es um nichts anderes als um die Ausbeutung dieser Länder und um Einflussnahme im afrikanischen Kontinent.
Für Frankreich zum Beispiel ist Niger die wichtigste Bezugsquelle für die Versorgung der französischen Atom-Industrie. Die Anwesenheit von Terrororganisationen wie Al-Kaida im Islamischen Maghreb und Boko Haram, stellen für die Uran-Minen eine ständige Gefahr dar. Der Nachbarstaat Mali ist neben dem herrschenden Bürgerkrieg auch Operationsraum für Terroristen.
Für die deutsche Uranversorgung ist Niger ebenfalls sehr wichtig, schon 2009 bezog Deutschland 485,07 Tonnen Uran aus diesem Land. Aus diesem Grund erklärt sich die Anwesenheit der Bundeswehr im Nachbarland Mali. Es hat sich gegenüber der Kolonialzeit nichts Wesentliches geändert. Heute wird lediglich die humanitäre Hilfe als Monstranz vorne weg getragen um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den wahren Gründen abzulenken.
Zur Kolonialzeit gab es noch keine Allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen – heute schon. Sie werden aber ignoriert, weil man sich lieber auf einen Pakt mit korrupten Despoten und Diktatoren einlässt und sie finanziell und militärisch unterstützt, auf diese Weise werden die eigenen Interessen gewahrt
Die Rüstungsindustrie dürfte es auch freuen, befinden sich laut SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) doch die vier teilnehmenden europäischen EU Länder unter den 20 größten Waffenexporteuren der Welt.
Es ist also viel Geld im Spiel und aus diesem Grund assoziiere ich das Statement des von mir hoch geachteten George Restle, mit dem Bild eines die Sonne anbellenden Hundes. Enttäuschend ist die Alternative, die er anbietet: Entwicklungshilfe. Nein, diesmal gebe ich Restle nicht recht. Diese Länder brauchen Augenhöhe und eine faire Behandlung seitens der EU.
In einem System, in dem der Profit im Vordergrund steht, wird sich nichts ändern und die so oft zitierten Grundwerte werden immer hintenangestellt, wenn sie mit den Interessen von Wirtschaft und Privatinvestoren zusammenprallen. Und was ist mit der Öffentlichkeit, wird sich mancher fragen. Ich frage zurück, was soll mit der sein?
Als Donald Trump während seines Wahlkampfes und kurz nach seinem Sieg propagierte, dass er eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen lassen wolle, da quoll das Netz nur so über vor Protesten. Ein Shit-Storm jagte den nächsten. Wo bleibt denn jetzt der Shit-Storm, wo der kollektive Aufschrei? Man mag nämlich in Zukunft seltener angespülte Leichen afrikanischer Menschen an Spaniens oder Italiens Küsten sehen, das heißt aber nicht, dass weniger Menschen sterben werden. Unbeobachtet von der europäischen Öffentlichkeit werden dafür aber mehr bleiche Knochen in der Sahara zu finden sein. Viele der Überlebenden werden in KZ-ähnlichen Lagern zu finden sein oder möglicherweise als Sklaven verkauft, Frauen vergewaltigt und/oder zur Prostitution gezwungen werden. Angesichts solcher Aussichten, dürften die sogenannten westlichen Werte, spätestens jetzt zu leeren Worthülsen verkümmert sein.
Noch einmal, wo bleibt der allgemeine Aufschrei? Artikel lesen