Das International Peace Bureau (IPB) hat heute in Berlin zu einer Pressekonferenz geladen. Thema war die Veröffentlichung der sogenannten „Sipri-Zahlen“. Sie geben die staatlichen Ausgaben für Rüstung und Waffen an. Ergebnis: die Welt bedroht sich zunehmend selbst.
Die weltweiten Ausgaben für Militär und Waffen sind 2016 gestiegen. Die Zahlen des „Stockholm International Peace Research Institute“ (SIPRI) sind alarmierend und beweisen eine „deutliche Steigerungsrate“ der Rüstungsausgaben, wie Reiner Braun, Co-Präsident des IPB, warnte. Es sind nicht weniger als 1,686 Billionen US-Dollar, die weltweit für u.a. Kampfflugzeuge, Atombomben und Panzer ausgegeben werden.
Die Zahlen kennzeichnen dabei „keine kontinuierliche Fortschreitung“, sondern vielmehr einen „qualitativ“ signifikanten Anstieg staatlicher Aufrüstung, wie Braun unmissverständlich ausführte. Er kritisierte gleichzeitig die mangelnden „Konversionsprogramme“ der Staaten, die beispielsweise eine Umrüstung in zivile Programme befördern könnten. Stattdessen befände sich der gesamte Globus an einer „Scheidegrenze“.
Der Westen geht voran
Definitiv vorbei ist der westliche Abbau der Rüstungsausgaben. Er ging einher mit der Weltwirtschaftskrise, dem Abzug der US-Amerikanischen Truppen aus Afghanistan und Irak oder der Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland 2011. Die politischen Spannungen und Konflikte des vergangenen Jahres – so zeigen die Zahlen – reanimieren jedoch die Armee als legitimes Mittel der Außenpolitik. Kurz, es gilt das Recht des Stärkeren.
Eine Logik, die derzeit vor allem von den USA proklamiert wird. Mit jährlichen Militärausgaben von 611 Milliarden US-Dollar investieren sie weltweit am meisten in die Schlagkraft ihrer Armee. Deutschland liegt auf Rang neun mit ungefähr 41 Milliarden US-Dollar. Das sind 2,9 Prozent mehr als 2015. Auffallend ist, dass Gesamteuropa einen Anstieg der Rüstungsausgaben verzeichnet. Eine Entwicklung, die von der französischen Präsidentenwahl befördert werden wird.
Mit Emmanuel Macron steht dort ein Politiker an der Spitze, der die EU-Integration vorantreiben möchte. Und zwar auch durch eine gemeinsame, europäische Verteidigungsarmee. Zwar sagte die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger (Grüne) auf Nachfrage von Pressenza, dass eine europäische Verteidigungsarmee eine „Vision“ sei, die ablenke von „praktischen Problemen“. Jedoch ist es kein Geheimnis, dass sich in der Geschichte der Europäischen Union stets Möglichkeitsfenster auftaten, die vor allem die französisch-deutsche Kollaboration vorantrieben. Brexit, Krim-Annexion oder Rechtspopulismus sind solche Möglichkeitsfenster.
Die NATO-Frage
Es sind vor allem US-Amerikanische Flugzeugträger, die die Sicherheit der europäischen Handelsrouten gewährleisten. Aus diesem Grund verlangt der Präsident der USA, Donald Trump, höhere finanzielle und militärische Beiträge der europäischen Staaten für das transatlantische Verteidigungsbündnis NATO. Diese Forderung richtet sich vor allem an Deutschland. Stand die NATO bisher stellvertretend für den militärischen Schutz und die Sicherheit Europas, wird diese sicherheitspolitische Konstellation durch die Unberechenbarkeit eines Donald Trump oder den EU-Ausstieg der Briten fundamental in Frage gestellt.
Genau aus diesem Grund gibt das Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahl eine Entwicklung an, die durch ein zentral – d.h. französisch-deutsch – geführtes Europa ihren Ausdruck finden wird. Sie zwingt die beiden EU-Gründerstaaten buchstäblich dazu, ihren militärisch-industriellen Komplex zu koordinieren und zu kooperieren. Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke (Linke) kommentiert deshalb mit einem ganz klaren „nein“ die Frage nach einer europäischen Armee. Wer Europa verändern wolle, müsse auf Abrüstung setzen.
Doch die Sipri-Zahlen sprechen für sich. Abrüstung in einer staatlich dominierten Welt bleibt ein Wunsch, der die derzeit gültigen Regeln des internationalen Staatensystems verkennt. So werden im Westen gerne Feindbilder wie China und Russland propagiert. Tatsächlich aber „hat die EU mehr Rüstungsausgaben als China“, von den USA ganz zu schweigen. In diesem Sinne weißt auch Reiner Braun am Ende nochmals darauf hin, dass ohne die diplomatische Integration Russlands keine stabile Friedensordnung in Europa entstehen könne.