Anlässlich des 1. Februars, des internationalen Jahrestages für das muslimische Kopftuch, World Hijab Day, den es seit 2013 gibt und der bald naht, möchte ich Ihnen heute ein Interview mit einer österreichischen Muslima vorstellen, die sich für die Freiheit des muslimsichen Kopftuchs in ihrem Land einsetzt. Das muslimische Kopftuch anzuerkennen bedeutet, Millionen muslimischer Frauen anzuerkennen, die das Kopftuch tragen, weil es für sie der Ausdruck von Bescheidenheit ist. Im Koran heißt es hierzu in der Sure 25:63: „Die Diener des Allerbarmers sind diejenigen, die maßvoll auf der Erde umhergehen und die, wenn die Toren sie ansprechen, sagen: „Frieden!““
Die Idee dieser Bewegung kam von der Muslima aus New York, Nazma Khan und ist sehr einfach: Um mit den Musliminnen weltweit zu solidarisieren, fordert sie an diesem Tag Frauen jeglicher Herkunft und Religion auf, dieses Kopftuch mal selbst auszuprobieren und persönlich zu erleben.
Im Narrativ der Islamfeinde ist das Kopf das Symbol der Unterdrückung und Segregation der muslimischen Frauen, die nicht nach ihrer Meinung gefragt wird, weil sie als Objekt einer Diskussion gilt, an die sie gar nicht eingeladen wird. Nazma möchte mit dieser Initiative des Wold Hijab Day einfach betonen, wie wichtig es ist, das Kopftuch mal als Ausdruck der Freiheit der Muslima zu sehen.
In diesem Jahr erwartet Nazma 10 Millionen Teilnehmerinnen aus aller Welt. Und ProMosaik ist dabei! Nun möchte ich der Schwester aus Österreich das Wort geben. In einem Land zu leben, in dem es die Freiheit gibt, mit dem Kopftuch aufzutreten und sozial und beruflich anerkannt zu werden, war für die Türkinnen bis vor kurzer Zeit auch nur ein Traum.
ProMosaik ist der Meinung, dass das muslimische Kopftuch der Ausdruck der Freiheit der muslimischen Frau ist. Wie sehen Sie das?
Ob mit oder ohne Hijab, beides ist ein Ausdruck der Selbstbestimmtheit, der Freiheit der Person und auch des Glaubens. Denn im Islam gibt es keinen Zwang im Glauben. Es ist definitiv ein Teil der religiösen Praxis, ein weiterer Ausdruck der Gottesverbundenheit. Und dennoch darf die Muslimin nicht auf das Kopftuch reduziert werden.
Was hat es mit dem Hijab-Tag auf sich?
Dieser Tag wurde eingeführt, um auf die Diskriminierung von Musliminnen aufgrund ihres Glaubens aufmerksam zu machen und Bewusstsein zu schaffen. Leider hat Pluralität in unserer Gesellschaft noch nicht Normalität erlangt, sodass es notwendig wird, für die Selbstbestimmung und die Religionsfreiheit einzutreten. Musliminnen sind einer mehrfachen Diskriminierung ausgesetzt. Daher begrüße ich den Welttag des Hijab.
Wie ist die Situation in Österreich?
In Österreich bestehen, so wie in vielen Ländern Europas auch, massive Vorurteile gegenüber sichtbarer Vielfalt. Alles, was fremd aussieht, befremdet nach wie vor, obwohl MuslimInnen ein fester Bestandteil der Gesellschaft sind. Die bestehende Islamophobie führt bei manchen MuslimInnen zum Rückzug aus der Gesellschaft. Politik und Medien schaukeln das Thema gegenseitig hoch, polarisieren und bilden oft Fronten. Wir hingegen brauchen Brücken zueinander, ein Zusammengehörigkeitsgefühl auf allen Seiten, ein Wir-Gefühl, damit wir als gleichberechtigte BürgerInnen die Verantwortung für unsere Zukunft auch gemeinsam tragen können.
Das Kopftuch ist für mich auch Ausdruck der Bescheidenheit und Schönheit der Muslima. Was denken Sie darüber?
Für mich ist Hijab in erster Linie ein Ausdruck innerer Schönheit und Spiritualität. Der Selbstwert der Person nährt sich hier auch von der göttlichen Quelle und Liebe. Ich verbinde Hijab grundsätzlich mit viel Stoff und viel Stoff mit viel Weiblichkeit. Ein anderes Gefühl der Körperwahrnehmung sich feminin zu fühlen, Frauenräume und Erlebniswelten für Frauen zu schaffen. Der Hijab bedeutet auch nicht, sich stillos oder unästhetisch kleiden zu müssen. Und Schönheit liegt zudem auch ein Stück weit im Auge des Betrachters.
Warum denken Sie tragen Frauen ein Kopftuch?
Ich denke, hier gibt es viele verschiedene Gründe. Meiner Meinung nach sollten aber die Selbstbestimmtheit und die Gottesverbundenheit an erster Stelle sein. Aus Zwang und Druck ein Kopftuch zu tragen, erachte ich für sinnentfremdet.
Für Islamfeinde ist das Kopftuch ein Symbol, das bekämpft werden muss. Wie antifeministisch der Westen dadurch ist, ist den Islamfeinden nicht klar. Wie kann man als Feministen die Stimme gegen Islamfeindlichkeit erheben?
Es ist zunächst von enormer Bedeutung, die Muslimin oder gar den Islam nicht auf den Hijab und sonstige äußerlich sichtbaren Elemente zu reduzieren. Es gilt stets das Selbstbestimmungsrecht der Person zu respektieren und religiöse Inhalte nicht mit Äußerlichkeiten zu simplifizieren. Zudem erachte ich das Kopftuch nicht als Symbol, das für etwas steht, sondern als Teil der religiösen Praxis.
Frauen, Musliminnen, mit und ohne Kopftuch, sind keine Objekte, sondern Subjekte. Und sie sind es leid, dass ständig über ihre Köpfe hinweg bestimmt wird, was richtig oder falsch für sie ist. Diese Bevormundung von Frauen, egal bei welchem Thema und in welchem Land, degradiert Frauen zu unmündigen Personen und ist entwürdigend. Es wäre wünschenswert, mehr Musliminnen, mit und ohne Kopftuch, als starke Persönlichkeiten und Vorbilder in der Öffentlichkeit zu begegnen, auch wenn ihnen diesbezüglich viele Steine in den Weg gelegt werden. Frauenrechte sind Menschenrechte. Es ist nicht wichtig, ob und was auf dem Kopf ist, aber sehr wohl, das in dem Kopf ist. Feministinnen sollten sich zudem weltweit mehr solidarisieren und gemeinsam für ihre Ideale kämpfen.