Am 29. und 30. November trifft sich die Ständige Konferenz der Innenminister der Länder und des Bundesinnenministers (IMK) in Saarbrücken zu ihrer Herbsttagung. Kurz vorher soll eine von Amnesty International Deutschland e.V. initiierte Petition an den derzeitigen Vorsitzenden der IMK und Innenminister des Saarlandes, Herrn Klaus Boullion, übergeben werden.

Die Innenminister werden auf ihrer Konferenz über den dramatischen Anstieg rassistischer Gewalt, insbesondere gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte, sprechen. Unklar ist, ob sie endlich wirksame Maßnahmen beschließen werden. Amnesty International fordert in der Petition ein bundesweites Schutzkonzept für Flüchtlingsunterkünfte. Mit der Übergabe von 100.000 Unterschriften soll nun dafür sorgen, dass dies jetzt auf dem Treffen besprochen wird.

Wie dringend der Handlungsbedarf ist, zeigen die weiterhin erschreckend hohen Zahlen des Bundeskriminalamts: Bis Ende Oktober gab es dieses Jahr bereits 832 rassistisch motivierte Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte, darunter 63 Brandstiftungen, sowie 1.803 Straftaten gegen Flüchtlinge außerhalb ihrer Unterkünfte.

Timm Christmann, Koordinator der Kampagne gegen rassistische Gewalt von Amnesty International Deutschland e.V., fordert: „Wir wollen, dass Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, bei uns nicht mit Gewalt empfangen werden, sondern Schutz und Hilfe finden. Die zunehmende rassistische Gewalt muss gestoppt werden.“

Im Folgenden geben wir den Text der Petition wieder. Sie kann hier über die Petitionsplattform WeAct von Campact in Zusammenarbeit mit Amnesty International Deutschland e.V. unterschrieben werden:

https://weact.campact.de/petitions/menschen-vor-rassistischer-gewalt-in-deutschland-schutzen-1

Petitionstext:

Sehr geehrte Innenminister und -senatoren der Länder,
sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,

wir erleben in Deutschland derzeit eine drastische Zunahme rassistischer Gewalt. Täglich werden Menschen angegriffen. Im vergangenen Jahr waren Flüchtlingsunterkünfte laut offiziellen Angaben 1.031 Mal Ziel von Straftaten – fünf Mal so häufig wie im Jahr zuvor. Ein Grund dafür liegt im jahrzehntelangen Versagen von Politik und Behörden, rassistische Taten zu erkennen und effektiv zu ermitteln.

Daher fordern wir von Ihnen,

• ein bundesweites Rahmenkonzept zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften vor rassistischen Angriffen zu vereinbaren,

• eine unabhängige Untersuchung einzuleiten, inwieweit institutioneller Rassismus in Polizei und Justiz die Ermittlungen zu rassistischen Straftaten behindert,

• die Behörden bei der Ermittlung von Straftaten dazu zu verpflichten, rassistische Motive zu prüfen und die Perspektive der Betroffenen zu erfassen.

Warum ist das wichtig?

Brandanschläge, Gewalt und Einschüchterungen: Täglich werden in Deutschland Menschen aus rassistischen Gründen angegriffen. Das ist ein Skandal, den wir nicht hinnehmen dürfen. Die Behörden müssen die betroffenen Menschen besser schützen.

2015 gab es laut offiziellen Angaben 13.846 „rechts motivierte“ Straftaten. Zivilgesellschaftliche Organisationen gehen sogar von noch wesentlich höheren Zahlen aus. Wer aus Sicht der Täterinnen und Täter nicht in das Bild eines „weißen Deutschlands“ passt – sei es wegen der äußeren Erscheinung, der angenommenen Religion oder anderer Zuschreibungen – kann zum Ziel von Angriffen werden.

Rassistische Gewalt und Diskriminierung müssen gestoppt werden! Jede rassistische Tat ist ein Angriff auf den Kern der Menschenrechte – die Gleichheit aller Menschen. Amnesty International hat deshalb eine Kampagne gegen rassistische Gewalt in Deutschland gestartet, die sie auch hier auf WeAct unterstützen können. Bis zur nächsten Sitzung der Konferenz der Innenminister und – senatoren der Länder Ende November wollen wir so viele Unterschriften sammeln, dass die Politik unsere Forderungen nicht ignorieren kann.

Grundlage der Kampagne ist ein Bericht, für den Amnesty International in mehreren Bundesländern recherchierte. Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner waren sowohl Betroffene von rassistischer Gewalt, als auch Vertreterinnen und Vertreter von Polizei und anderer Behörden.

Das Ergebnis: In den wenigsten Fällen werden die Verantwortlichen für rassistische Gewalt zur Rechenschaft gezogen. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden sind zu häufig nicht in der Lage, rassistische Straftaten als solche zu erkennen, zu verfolgen oder zu verhindern. In vielen Fällen vernachlässigt die Polizei rassistische Motive und erfasst sie beispielsweise lediglich als sogenannte Gewaltdelikte.

Ein bekannter Fall ist die Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Jahrelang hatten die Ermittlungsbehörden rassistische Motive unbeachtet gelassen und Verwandte der Opfer wie Tatverdächtige behandelt. Amnesty sieht darin ein Anzeichen für institutionellen Rassismus.

Daraus müssen endlich Konsequenzen folgen: Behörden müssen dafür sensibilisiert werden, rassistische Taten und Denkmuster nicht zu verharmlosen, sondern als solche anzuerkennen. Alle Menschen haben ein Recht darauf, sich in Deutschland sicher zu fühlen – egal woher sie kommen, welcher Religion sie angehören oder wie sie aussehen.

Weitere Informationen:

Campact-Interview mit Alexander Bosch, Polizei- und Rassismusexperte von Amnesty International:
https://blog.campact.de/2016/06/behoerden-lassen-opfer-rassistischer-gewalt-oft-im-stich/

Die Kampagne von Amnesty International:
www.amnesty.de/gegen-rassismus