Hunderttausende haben in Deutschland gegen das Freihandelsabkommen mit Kanada demonstriert. Doch die politische Karawane zieht unbeeindruckt weiter. Das Kabinett hat die Zustimmung zur Unterzeichnung von CETA gegeben. Hier beginnt die Satire.

Vielleicht sollten sich die Freihandelsgegner ein Anti-CETA-Gesetz kaufen. Der Vorschlag ist nicht ernst gemeint, das will betont sein, auch wenn es mit https://gesetz-kaufen.de schon eine geeignete Initiative im Internet gibt.

Die Macher der Webseite werfen eine ausgefallene Frage auf: Wenn Demos und Petitionen von der Politik ignoriert werden, könnten sich die Bürger vielleicht eigene Gesetze kaufen?

„Ich bin überzeugter Demokrat, aber ich zweifel mittlerweile daran, dass die Demokratie an der Wahlurne gemacht wird“, sagt Jürgen Scheffler. Er ist einer der Initiatoren von gesetz-kaufen.de und stinksauer auf die Politik. „CETA zeigt mir, dass die Regierung die Bürger und deren Willen nicht für voll nimmt.“ Unterschriftensammlungen, Demos, Bittbriefe und immer wieder Protest: CETA ist hartnäckig wie ein Bazillus und resistent gegen jede Form des zivilen Widerstands. Hin und wieder gibt es Teilerfolge.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die von über 190.000 Bürgern unterstützten Eilanträge zum Stopp des Abkommens wegen möglicher Verstöße gegen das Grundgesetz zurückgewiesen, aber der Bundesregierung immerhin Auflagen erteilt, damit unter anderem ein Ausstieg aus dem CETA-Vertrag möglich bleibt.

Ein Naturgesetz

Scheffler, der Jahrzehnte als IT-Experte in Großunternehmen arbeitete, räumt ein, dass die Debatte um die Transatlantic Trade and Investment Partnership und das Comprehensive Economic and Trade Agreement unter der Unverrückbarkeit der Positionen leidet.

„Das ist wie ein Naturgesetz. Gegner und Befürworter reden nicht miteinander, sondern vor allem gegeneinander. Die Politik macht, was sie will und am Ende trifft man sich vor Gericht“, sagt Scheffler und mahnt Lösungskompetenz an. „Man überzeugt Menschen nicht dadurch, dass ihr Veto völlig ignoriert wird.“ Der Glaube an eine funktionierende Demokratie würde dadurch zerbröseln.

Doch die Fronten fahren sich im CETA-Morast fest. Die Fans predigen wie bei einem Officium divinum, wie wichtig der Freihandel sei und wie schlimm, wenn es diesen Deal mit Kanada nicht gebe. „Als müssten Deutschland und Europa schon morgen im wirtschaftlichen Nirwana versinken, würde CETA verschoben, an relevanten Stellen deutlich nachgebessert oder von der To-do-Liste gestrichen.“

Die Gegner von CETA werden nicht müde zu betonen, wie übel sich der Freihandel auf den Arbeitsmarkt auswirkt, Umweltstandards untergraben werden und private Schiedsgerichte Recht und Gesetz aushebeln.

Scheffler: „Man muss konsequent in der Sache argumentieren und sollte trotzdem nicht zu engstirnig sein, schließlich leben wir in einer globalisierten Welt. Leichte Bewegung schadet da nicht.“

Jetzt soll an dieser Stelle nicht zum x-ten Mal debattiert werden, ob nun durch den Freihandel neue Jobs entstehen oder bis zum Jahr 2023 in der EU 200.000 Arbeitsplätze verschwinden und die Löhne sinken werden, wie es in einer US-Studie zu CETA heißt.

Es soll auch nicht interessieren, ob eine Erklärung der EU-Kommission, es würde zum Abkommen eine Zusatzerklärung zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung geben, die Tinte auf dem Papier wert ist. „Es geht um die Art und Weise, wie Gesetze und Verträge entstehen und durchgepeitscht werden“, sagt Scheffler. „Da liegt der Hase im Pfeffer.“

Alles was jetzt kommt, ist reine Theorie und sehr verkürzt dargestellt. Was nicht schlimm ist. Wer mag schon den übertrieben ausgefeilten Businessplan, der sich durch eine einzige Message auszeichnet: Erfolg! Einbahnstraße wäre als Begriff blumiger. Dabei macht nicht das Detail das Konzept, sondern die Eckpunkte. Gute Pläne passen also durchaus auf einen Bierdeckel.

Was man braucht

Deshalb wird an dieser Stelle laut gedacht, wie der Bürger zur gleichen Waffe greifen kann, die Konzerne gerne in die Hand nehmen: Lobbyismus. Das Ziel ist definiert: Die Ausgestaltung von Gesetzen maßgeblich beeinflussen. Was wird dafür gebraucht? Scheffler: „Juristische Beratung, wohlwollende Studien und Expertisen, ausformulierte Gesetzestexte, Parteispenden, ein paar Hausausweise für den Bundestag vielleicht und ein üppiges Spesenkonto.“ Public Relation Experten? „Natürlich.“ Und Lobbyisten? „Die Einflüsterer sind substanziell.“

Sie pflegen den Kontakt zu den Entscheidungsträgern und beackern die wichtigen Themenfelder. Das fällt in den Bereich des Issue Management. Da werden geeignete Handlungsstrategien entwickelt und nach Bedarf angepasst.

Das Coalition Building darf auf keinen Fall vernachlässigt werden. Für gute Lobbyisten dürfte es eh eine Selbstverständlichkeit sein, politische Kampagnen auf die Beine zu stellen und über die Fortschritte zu berichten. Sie halten die Fäden in der Hand.

Das fiktive Vorhaben, ein Gesetz durchzubringen, braucht allerdings Zeit. „Das kann ruhig ein paar Jahre dauern.“ Um Geschwindigkeit geht es Scheffler und seinen Mitstreitern schließlich nicht. „Wir wollen in einer Art Planspiel ja die Möglichkeit aufzeigen, wie leicht es sein könnte, etwas zu verändern, würde sich ein überschaubarer Teil der Bevölkerung einig sein.“ Und in einen Topf einzahlen.

Bürgerlobbyismus auf Konzernniveau

Geld ist wichtig. Anwälte, Professoren, PR-Leute, Lobbyisten: Alles verursacht Kosten. Die sind allerdings leicht zu decken. „Würde jeder, der an einer Anti-CETA-Demo teilgenommen hat, einen Euro den Hut werfen, könnte man schon die eine oder andere Maßnahme einleiten“.

Bei der Skepsis gegenüber CETA besteht ja große Einigkeit. Über 40 Prozent der Deutschen halten das Abkommen für schlecht. Da sollte der Euro locker im Portemonnaie sitzen. Die Anschubfinanzierung darf als gesichert angesehen werden.

Es schadet daher nicht, bereits eine grobe Skizze anzulegen, wie man es drehen muss, damit künftig durch Bürgerlobbyismus auf Konzernniveau Gesetze (mit)gestaltet werden, sofern die Politik nicht spurt.

Ob Atomstrom, Massentierhaltung, Erbschaftssteuer, Fracking oder eben Freihandel: Es gibt immer eine günstige Gelegenheit für Lobbyarbeit. „Die Branche hat Zukunft“, glaubt Scheffler. Dabei ist die Konkurrenz groß. Lobby Control, eine Initiative für Transparenz und Demokratie, geht von 20.000 Lobbyisten aus, die allein in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen nehmen. Davon arbeiten etwa 70 Prozent für Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Scheffler: „Da ist noch Luft nach oben.“

Die Blaupause

Zurück zum Gesetz und zum ersten Problem: Gesetze und internationale Verträge sind kompliziert. Der Vertragstext von CETA ist ein schönes Beispiel. Der ist mit Anhängen wohl um die 2000 Seiten stark und gespickt mit unzähligen Verweisen auf bestehende europäische und kanadische Gesetze. Es gibt Erläuterungen auf Deutsch, die nützlich sind.

Doch wer hat schon die Fähigkeit, diese Werke zu erstellen, die juristische Kompetenz, sie zu verstehen und vor allem Zeit, diese Schinken zu lesen?! Jürgen Scheffler betrachtet den lästigen Papierkram als erledigt: „Das macht man nicht selbst. Das übernehmen spezialisierte Anwaltskanzleien.“

Klingt überzeugend. Wie sieht es mit Studien aus? „Wir finden geeignete Wissenschaftler, die eine freundschaftliche Beauftragung und Fremdfinanzierung …“ Public Relation Agenturen? „Gibt es wie Sand am Meer.“ Geeignete Lobbyisten? „Da wird es etwas schwieriger.“ Vielleicht kann eine der europäischen Public-Affairs-Agenturen bei der Suche behilflich sein. Was bleibt noch zu tun? Die Parteien …

Spenden für Parteien, die „unserem Anliegen wohlgesonnen gegenüberstehen“ sind eine Selbstverständlichkeit. Die müssen auch nicht so hoch sein. Vielleicht immer unter 10.000 Euro, dafür aber regelmäßig. Das schafft eventuell Nähe und Vertrauen. Hauptsache die Bestimmungen im Parteiengesetz für Parteispenden werden eingehalten. Scheffler: „Selbstverständlich …“

Nun, das hört sich so an, als könne das Projekt „Bürgerlobby Gesetz kaufen“ nicht früh genug beginnen. Jürgen Scheffler: „Natürlich im Moment nur theoretisch, es ist ja zunächst noch als Satire gedacht und Übereinstimmungen mit der Realität sind demnach rein zufällig.“

Die ungeschminkte Sprache

Die sieht ziemlich schlimm aus, sofern man dem IG BAU-Bundesvorsitzenden Robert Feiger Glauben schenken darf. Der äußerte im Dezember 2014, dass das CETA-Abkommen verstörend sei. Es wäre einmalig, wie ungeniert sich die Europäische Kommission mit Unterstützung von Lobbyisten über rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien hinwegsetze. In einer Mitteilung auf der Webseite der IG-BAU ist die Äußerung nachzulesen.

Da steht auch: „CETA spricht die ungeschminkte Sprache einer Clique von Interessenvertretern, die nur ein Ziel verfolgen: Sie wollen ihren Reibach auf Kosten der Allgemeinheit und unter Umgehung von Parlamenten und Justiz bis in alle Ewigkeit sicherstellen.“

PS: Ein Verein oder Verband sollte noch gegründet werden. Man will schließlich keine privaten Interessen mit geschäftlichen Angelegenheiten vermischen.

Von Gunther Sosna für Neue Debatte

Der Originalartikel kann hier besucht werden