Ein Bericht über die Genitalmutilation der Frau (FGM) in der nördlichen Kaukasusregion hat in Russland eine hitzige Debatte entfacht. Einige Geistliche verteidigen diese Tradition.
Eine Gruppe der Zivilgesellschaft hat festgestellt, dass die Genitalmutilation der Frau (FGM) in den muslimischen Bergdörfern in Dagestan allgemein verbreitet ist. Die Mädchen wurden in primitiven Häusern beschnitten.
Der regionale Leiter der muslimische Gemeinde Ismail Berdiyev empfahl die Genitalmutilation für alle Frauen, nahm aber dann diese Bemerkung wieder zurück. Aber ein alter orthodoxer Priester, Vsevolod Chaplin, hatte ihn unterstützt. In einem Post auf Facebook (in russischer Sprache) hat Erzpriester Chaplin sein Mitgefühl für den Mufti ausgesprochen und seine Hoffnung geäußert, der Mufti möge nicht aufgrund des daraus folgenden Geheules und der verursachten Hysteriewelle, seine Stellungnahme zurücknehmen.
„Wir orthodoxe Christen haben verschiedene Traditionen – dies hat uns aber nie davon abgehalten, die Traditionen der benachbarten Völker zu respektieren“, schrieb er.
Er meinte, die weibliche Genitalverstümmelung wäre für die christlichen Frauen nicht notwendig, das „sie ohnehin nicht sexuell freizügig wären“. Aber er akzeptierte die Behauptung des Mufti, nach der Gott die „Frau erschaffen hat, um Kinder zu gebären und zu erziehen“. Und er fügte hinzu: „Der Feminismus ist eine Lüge des 20. Jahrhunderts“.
‚Eindämmung der weiblichen Sexualität‘
Der Mufti des nördlichen Kaukasus Berdiyev hatte erklärt, dass die weibliche Genitalmutilation in einigen Dörfern in Dagestan praktiziert wird und dass sie notwendig wäre, um die Sexualität der Frau zu einzudämmen. „Es wäre gut, alle Frauen zu beschneiden“, meinte der islamische Geistliche und fügte hinzu: „Es schränkt die Fähigkeit der Frauen nicht ein, Kinder zu gebären und würde die Ausschweifungen einschränken“.
Er äußerte sich später vor den russischen Medien und meinte, seine Aussage wäre ein „Witz“ gewesen und dass die Journalisten ihm das Wort im Mund umgedreht hätten, um es so aussehen zu lassen, als wäre er ein Befürworter der weiblichen Genitalmutilation.
Einige Facebooknutzer kritisierten den Standpunkt des Priesters zum Thema der weiblichen Genitalmutilation sehr scharf. So schrieb Arik Elman: „Sie brauchen kein Islamversteher zu sein, um zu wissen, dass die weibliche Genitalmutilation keine allgemein akzeptierte muslimische Tradition ist, sondern dass sie regionale Wurzeln und Wurzeln in der Stammeskultur aufweist.“
Igor Tetyuev meinte, es wäre nicht „die Aufgabe eines im Zölibat lebenden Mönchs, über den Körper der Frau, das Gebären von Kindern und Kinder zu debattieren“.
Irina Gubernatorova meinte: „Häretiker auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen und Hexen in Säcken ertrinken zu lassen waren auch alte, ruhmvolle christliche Traditionen – sollen wir diese denn erneut einführen?“
In ihrem (in russischer Sprache verfassten) Bericht behauptete die Russian Justice Initiative (RJI), dass sie viele Frauen in Dagestan interviewt und entdeckt hatte, dass die weibliche Genitalverstümmelung in den Bergdörfern des Landes weit verbreitet ist. Die Mutilation, die von den Vereinten Nationen als „Kindesmissbrauch“ verurteilt wird, wurde üblicherweise unter primitiven Bedingungen, ohne Betäubung an Mädchen unter drei Jahren durchgeführt. Die Frauen, die sich anonym im RJI-Bericht darüber geäußert hatten, waren der Meinung, die weibliche Genitalverstümmelung wäre eine muslimische Pflicht für ihre Töchter.
Normalerweise bestand die weibliche Genitalverstümmelung aus der vollständigen oder teilweisen Entfernung der Klitoris bzw. der Labia. Aber die extremste Form der weiblichen Genitalverstümmelung, die darin bestand, die Vagina zu nähen und nur ein winziges Loch offen zu lassen, wurde nicht praktiziert.
Die Mädchen litten unter einem psychologischen Trauma und bluteten. Außerdem hinterließ die weibliche Genitalmutilation auch schmerzhafte Narbenbildungen.
‚Die weibliche Genitalverstümmelung widerspricht dem Islam‘
RJI zufolge ist das Thema in den meisten Gebieten der Republik ein Tabu. Hier leben zahlreiche verschiedene ethnische Gruppen. Die größte Ethnie ist die der Awaren. RJI behauptet, dass die weibliche Genitalverstümmelung meistens von den Leitern der muslimischen Gemeinden ignoriert wird.
Ein Seniormufti in der russischen religiösen Verwaltung für Muslime, Rushan Abbyasov, sprach sich gegen die weibliche Genitalverstümmlung als „im Widerspruch zur islamischen Theologie stehend“ aus. Er meinte, es gäbe keine klare muslimische Anweisung zum Thema der weiblichen Genitalverstümmelung und auch keinen Beweis dafür, dass diese „die sexuelle Lust dämmt.“
Mehr als 200 Millionen Frauen und Mädchen sind weltweit Opfer der weiblichen Genitalverstümmlung. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass weitere drei Millionen gefährdet sind. Die weibliche Genitalverstümmelung wurde in 30 Ländern, vor allem in Afrika, aber auch im Nahen Osten und in Asien dokumentiert.