Die offene Arbeitsgruppe (Open-Ended Working Group, OEWG) der UN zu nuklearer Abrüstung endete gestern abend, am 19. August, mit einem unerwarteten Votum. Dabei hat die Mehrheit der Staaten der südlichen Erdhalbkugel eine Minderheit, der vor allem entwickelte Staaten aus dem Norden angehörten, in einer Kampfabstimmung überstimmt. Sie setzten eine förmliche Aufforderung der OEWG an die UN-Generalversammlung durch, für 2017 Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen einzuberufen. Bereits Anfang der Woche zeichnete sich ab, dass eine Mehrheit der Staaten die Aufnahme solcher Verhandlungen befürwortet. Doch mit diesem Aufbegehren der atomwaffenfreien Staaten hatte niemand gerechnet.
Deutschland stimmte gegen die Aufnahme von Verhandlungen für ein Atomwaffenverbot. Sascha Hach von ICAN Deutschland drückte nach der Abstimmung die große Enttäuschung der deutschen Zivilgesellschaft über diese ablehnende Haltung aus. 93 Prozent der deutschen Bevölkerung befürworten nach einer Forsa-Umfrage vom April 2016 ein Atomwaffenverbot. Hach kritisiert die Kluft zwischen Regierungshandeln und öffentlicher Meinung: “Die Bundesregierung ignoriert in ihrer Abrüstungspolitik die Mehrheitsmeinung der eigenen Bevölkerung ebenso wie die der internationalen Gemeinschaft.” Das Genfer Votum habe gezeigt, dass der globale Süden die Dominanz einer militärisch überlegenen Minderheit nicht länger tatenlos hinnimmt. “Dieser Beschluss ist eine Rebellion gegen den Status quo und die Nutznießer einer diskriminierenden Weltordnung”, so Hach weiter.
Die Empfehlung an die UN-Vollversammlung, Verhandlungen zu beginnen, sollte in einem einstimmig beschlossenen Abschlussbericht stehen. Eine Handvoll von Staaten hat jedoch versucht, diese Empfehlung abzuschwächen oder ganz auszutilgen. Nach mehreren langen Sitzungen hinter verschlossenen Türen und einigen Verschiebungen des Schlussplenums legte der Vorsitz aus Thailand schließlich einen Kompromissentwurf vor. Obwohl viele Staaten dieses Papier als schwach und unbefriedigend empfanden, waren fast alle Staaten dazu bereit, dem Kompromiss zuzustimmen. Vermutlich hätte auch die Bundesrepublik dem aufgeweichten Konsensentwurf zugestimmt, sie war jedoch Teil der Gruppe von Staaten, die eine blockierende Rolle im gesamten Ablauf der OEWG spielte. Dann kam die große Überraschung: Australien kündigte im Namen von vierzehn alliierten Staaten die Ablehnung des Papiers an und forderte eine Abstimmung.
Nach einer kurzen Pause, in der die Drähte zu den Regierungszentralen heiß liefen, wurde die Sitzung fortgesetzt. Es folgte ein Antrag, die Empfehlung für ein Atomwaffenverbot im Sinne der Mehrheit wieder zu schärfen. Die bis dahin angestaute Energie wurde in ebenso schnellen wie klaren Abstimmungen nach Mehrheitsprinzip freigesetzt. Die Staaten aus dem globalen Süden hoben ihre Namensschilder für ein Atomwaffenverbot. Die Gegner waren zum größten Teil aus dem Norden und alle enge Partner der Atommächte. Das Ergebnis war überdeutlich: 68 dafür, 22 dagegen und 13 Enthaltungen.
Bei der nächsten Abstimmung in New York im Rahmen der UN-Vollversammlung im Oktober ist zu erwarten, dass die Zahl der zustimmenden Staaten noch deutlich größer wird.
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