Das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada gilt als Blaupause für TTIP; viele US Unternehmen haben Firmensitze in Kanada und und wären somit bereits durch CETA an der geplanten Freihandelszone beteiligt. Die Ankündigung der EU-Kommission letzte Woche, die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten nun doch am Ratifizierungsprozess an CETA beteiligen zu wollen, scheint auf den ersten Blick positiv. Doch leider sieht die Realität anders aus.
Der Zeitplan für CETA und der Trick dabei
Schaut man sich den genauen Zeitplan zu CETA an, so stimmen EU-Parlament und EU-Rat bereits diesen Herbst darüber ab. Erst 2017 folgen dann die Abstimmungen in den nationalen Parlamenten. Nachdem CETA, im Gegensatz zu TTIP, bereits fertig verhandelt ist, würden aber bei einem positiven Ausgang im Herbst bereits Teile davon „vorläufig“ in Kraft treten, und zwar jene, die nicht in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten fallen, im Falle von CETA wären das aber 90%. Wenn dann ein knappes halbes Jahr später die nationalen Parlamente dran sind, werden die Richtlinien bereits gelten, Unternehmen bereits danach handeln und auch vom umfangreichen „Investorenschutz“ Gebrauch machen. Für den Fall, dass CETA doch wieder rückgängig gemacht werden sollte, wurde es als „völkerrechtlich bindend“ konzipiert. Eine Klausel in Kapitel 34 sieht für den Fall einer Auflösung von CETA vor, dass die Klagerechte für Investoren noch weitere 20 Jahre erhalten bleiben.
Bayern kann per Volksentscheid Hoheitsübertragung an EU stoppen
Im Klartext heißt das, wenn CETA nicht schon diesen Herbst auf europäischer Ebene gestoppt wird, ist es am Laufen und so schnell nicht wieder rückgängig zu machen. In Bayern hat man nun ein interessantes „Schlupfloch“ in der Verfassung gefunden: 2013 wurde per Volksentscheid beschlossen, dass der Landrat oder die Bürger, wiederum per Volksentscheid, die bayerische Staatsregierung binden können, bei Übertragung von Hoheiten an die EU dementsprechend im Bundesrat abzustimmen, sofern die Übertragung Regelungen auf kommunaler Ebene betreffen, was bei CETA massiv der Fall wäre, es sei nur die Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung genannt.
Am 16. Juli Start zum bayerischen Volksbegehren
Ein breites Bündnis aus Sozial-, Umwelt- und Zivilverbänden, Gewerkschaften und politischen Parteien sowie humanistischen und Tierschutz-Vereinen ruft nun zum Volksentscheid zu CETA auf. Der Weg dazu erfolgt in zwei Stufen: Am 16. Juli sollen bei einem großen Aktionstag die notwendigen 25.000 Unterschriften gesammelt werden, um ein Volksbegehren in Gang zu setzen. Wenn sich dazu 10% der Wahlberechtigten eintragen, kommt es danach binnen 6 Monaten zu Volksentscheid. Der hat gute Aussichten, denn ein großer Teil der bayerischen Bevölkerung ist in der Landwirtschaft und ihren affinen Branchen tätig, die allesamt um ihre Einkünfte fürchten, sollte durch die geplanten Freihandelsabkommen ein Flut von ausländischen Konkurrenzproduktion auf den Markt kommen.
Bei einem erfolgreichen Volksentscheid gegen CETA wäre die bayerische Regierung gezwungen, auf Bundesebene dagegen zustimmen, wobei zusammen mit den von SPD und Grünen geführten Ländern somit sehr gute Chancen auf eine Mehrheit bestehen. Dies wiederum hieße, dass Deutschland gegen CETA wäre.
Es rumort in ganz Europa
Aber auch in anderen EU-Ländern wächst der Widerstand gegen TTIP und CETA immer weiter. In den Niederlanden will man ebenfalls ein Referendum gegen CETA auf die Beine stellen. In Belgien hatte die wallonische Regierung als Erste bereits eine Resolution gegen CETA verabschiedet. In Luxemburg fordert eine Plattform von 20 Organisationen der Zivilgesellschaft eine klare Position ihrer Regierung gegen CETA, die nach eigener Aussage 60 bis 80 Prozent der luxemburgischen Bevölkerung vertritt.
In Italien hat das Netzwerk Stop-ttip-italia zu einem landesweiten Aktionstag am 13. Juli aufgerufen. Dort finden Veranstaltungen in vielen größeren Städten statt, um die Verhandlungen zu TTIP und den Ratifizierungsprozess von CETA zu stoppen. In Rahmen der Großaktion haben Bürger auch die Möglichkeit, sich an einem Tweetstorm an die EU-Kommission zu beteiligen.
Auch in Frankreich, Spanien und anderswo erklären sich immer mehr Städte und Gemeinden als „TTIP-freie Zonen“. Sogar in den osteuropäischen Staaten wie Polen, Slowenien, Kroatien und Tschechien wächst die Anzahl der Bürger rasant, die sich an den zahlreichen Kampagnen und Demonstrationen gegen die Freihandelsabkommen beteiligen.
Der Chor der europäischen Stimmen wächst
Eine breite demokratische Front formiert sich in Europa und sie wird auch endlich selbstbewusster.
Die vom griechischen Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis ins Leben gerufene paneuropäische Bewegung DiEM25 ermutigt das, indem sie Selbstbestimmung für europäische Städte, Gemeinden und Regionen nicht nur fordert, sondern bereits in die Praxis umsetzt. Barcelona ist ein gutes Beispiel dafür.
Demokratie wird nicht in Brüssel beschlossen. Sie ist lebendig und, so absurd es auch klingen mag, sie wächst wieder dank der Versuche der Technokraten, sie durch Tricks zu umgehen. Demokratie ist ein großer Chor aus vielen verschiedenen Stimmen, die nun endlich immer lauter werden. Und Bayern ist eine davon.