Seit dem Jahr 2000 werden in Deutschland die BigBrotherAwards an Firmen, Organisationen und Personen verliehen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen. Anhand von konkreten Beispielen will Digitalcourage e.V das Thema auf die politische Agenda setzen und Datenkraken an die Öffentlichkeit zerren.
Am Letzen Freitag war es mal wieder soweit für die Verleihung. Und der diesjährige Negativpreis ging an den Verfassungsschutz, an die Kampagnenplattform Change.org, an den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, an die Generali-Versicherung und an die IBM für das Produkt „Social Dashbord“.
Als einziger Preisträger hatte Change.org Deutschland die Courage, zur Preisverleihung zu kommen, obwohl sich der Deutschland-Sprecher Hackmann mit der Annahme des Preises dann doch sichtlich schwer tat, wie der Deutschlandfunk berichtete.
Kategorie „Lifetime-Award“: Bundesamt für Verfassungsschutz / Landesbehörden für Verfassungsschutz
Der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ erhält rechtzeitig zum Eintritt ins Rentenalter den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie „Lifetime“ für 65 Jahre Datenschutz- und Bürgerrechtsverletzungen. Ausgezeichnet wird der „Verfassungsschutz“ insbesondere für Überwachung und Stigmatisierung staats- und gesellschaftskritischer Gruppen und Personen, für sein unkontrollierbares V-Leute-System, für heillose Verflechtungen in mörderische Neonazi-Szenen und die Vertuschung illegaler Praktiken. Trotz ihrer Skandalgeschichte werden die Verfassungsschutzbehörden nicht etwa wirksam gezügelt, sondern noch weiter aufgerüstet und mit neuen Geheimbefugnissen ausgestattet.
Kategorie „Wirtschaft“: Change.org, Kampagnenplattform, Berlin und USA
Die US-Firma und Kampagnenplattform change.org erhält den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Wirtschaft für ihr Geschäftsmodell, personenbezogene Daten von Unterzeichner_innen zusammen mit deren politischen Meinungsäußerungen zu vermarkten. Change.org kommt als alternatives Projekt daher, ist aber eine gewinnorientierte US-Firma. Dabei gibt es datenschutzrechtlich viele Mängel, zum Beispiel werden die Daten der Nutzer.innen auch weiterhin in den USA gespeichert, obwohl der Europäische Gerichtshof das „Safe Harbor“-Ankommen für ungültig erklärt hat.
Kategorie „Arbeitswelt“: IBM für die Software „Social Dashboard“
Die Firma IBM erhält den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Arbeitswelt für ihre Software „Social Dashboard“, mit der Firmen das Sozialverhalten von Angestellten kontrollieren und auswerten können. „Social Dashboard“ bedient sich an Metadaten aus dem firmeneigenen sozialen Netzwerk „Connections“ und vergibt für Likes und Weiterleitungen eine Punktzahl und ein „Soziales Ranking“. Es ist ein Versuch, die Bewertung von sozialem Verhalten einer Maschine zu überlassen. Es setzt falsche Anreize und führt zu mehr Arbeitsdruck.
Kategorie „Verbraucherschutz“: Die Generali-Versicherung
Die Generali-Versicherung erhält den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Verbraucherschutz, weil sie ihren Versicherten Vorteile verspricht, wenn diese ihre Fitnessdaten und ihr Einkaufsverhalten per App oder Sportkleidung an die Versicherung weiter melden, die sie wiederum an ein Bonuspunkte-System nach Südafrika übermittelt. Dies führt zur Entsolidarisierung und widerspricht dem Grundgedanken unseres Sozialsystems.
Kategorie „Technik“: Berliner Verkehrsbetriebe BVG
Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG erhalten den BigBrotherAward 2016 in der Kategorie Technik für ihre elektronische VBB-Fahrcard, auf der bei jedem Einsteigen Datum, Uhrzeit, Buslinie und Haltestelle abgespeichert wurden. Preiswürdig ist besonders die Informationspolitik der BVG, die lange wider besseren Wissens behauptete, eine solche Speicherung sei technisch unmöglich. Dieser BBA kritisiert auch die Absicht vieler anderer Verkehrsunternehmen, Papiertickets durch Chipkarten zu ersetzen. Wenn der Datenschutz hier nicht schon von Anfang an eingebaut wird, werden freie Bewegung und unbeobachtetes Reisen in Zukunft nahezu unmöglich.