Liebe Kameradin Präsidentin Cristina,
Ich schreibe Dir diesen Brief in einem sehr schwierigen Moment für Dich, für mich und für unsere Leute.
Die wahren Korrupten, die unser Land beraubt und seine Reichtümer an die Mächtigen überschrieben haben, die unsere Leute verhungern lassen, die alte Menschen in Rente allein gelassen haben, die die höchsten Arbeitslosenquoten in unserer gesamten Geschichte produziert haben, die unser Land in den letzten Jahrzehnten zerstört haben, so wie sie es auch heute tun, jene Subjekte, die Dich verurteilen und Dich verfolgen, weil Du die Leben der Gedemütigten und die aller Argentinier berührt hast.
Ich weiß, dass Du stark bist, nicht umsonst nannte Dich Nestor (der 2010 verstorbene Ehemann von Cristina, der sich 2007 nicht wieder zur Wahl stellte, um ihr den Platz zu überlassen; Anm. d. Übersetzung) „Präsidentin Mut“ und ich weiß auch, dass das, was wir gerade erleben, nur eine Fußnote in der Geschichte unseres Volkes sein wird. Wir werden umkehren und wir werden noch einmal aufs Neue unser Vaterland wiederaufbauen, weil wir unser Volk zutiefst lieben. Sie hassen, wir jedoch lieben.
Ich erinnere mich gerne daran, dass unsere Organisation aus dem Versuch heraus geboren wurde, die Hungersnot zu lindern, den jene Subjekte in unseren Vierteln entstehen haben lassen, und wir haben es getan, indem wir Becher Milch verteilten. Von dort sind unsere Aktivisten gekommen, die heutzutage wie Kriminelle behandelt werden. Unser Programm war die Solidarität und die Zurückweisung dieser Politiker, die uns in den Hunger und die Arbeitslosigkeit geführt haben. Dann seid Ihr, Nestor und Du, gekommen, und ihr habt uns gelehrt, dass die Politik ein wunderbares Instrument ist, um die Probleme unserer Menschen zu lösen. Und wir haben uns erneut engagiert und das getan, was die alte Politik nie für uns getan hat.
Ich weiß, dass Du stolz auf uns bist, und wir sind es auf Dich, für uns bist Du immer noch unser Präsidentin Mut.
Sie werden uns verfolgen, wie sie Eva und Peron 1955 verfolgt haben, mit den gleichen Argumenten verbreitet durch ihre Medien, mit ihrem Justizapparat und den Politikern, die im Dienste der Mächtigen stehen. Sie sind so grob, dass sie noch nicht einmal originell sind.
Welch Ironie. Sie werfen mich ins Gefängnis, weil ich Häuser, Straßen, Schulen, Gesundheitszentren und Behinderteneinrichtungen, Sportplätze und Schwimmbäder für die Ärmsten meiner Region gebaut habe. Und Dich wollen sie auch einsperren, dafür, dass Du dem argentinischen Volk Würde gegeben hast, dass Du die beste Präsidentin der Geschichte warst, dass Du die Mächtigen herausgefordert hast, die heute unser Land berauben und seine Reichtümer auf Ihre Firmen im Ausland verteilen wollen.
Es lohnt sich noch nicht einmal, die Verräter beim Namen zu nennen, wenn sogar Tupac Amaru verraten wurde, was können wir dann noch erwarten? Aber die Geschichte wird sich nur an die wahren Helden erinnern, die die von ihrem Volk als solche anerkannt werden.
Nächsten Mittwoch, wenn Du vor ihnen stehen wirst, schau‘ ihnen geradewegs in die Augen! Sie können Deinem Blick nicht standhalten, noch dem Deiner Kinder, noch dem ihrer Familien: sie sind Heuchler und Freibeuter.
Wir werden uns weiterhin engagieren, von wo aus auch immer, Gefängnis oder Straße, immer mit hochgehobenen Haupt und mit der Gewissheit, unseren Kindern, Enkeln und Kollegen mit Würde und Kohärenz in die Augen schauen zu können, so wie Du und Nestor es uns gelehrt habt.
Ich wünsche Dir Kraft, gib nicht auf, so wie wir nicht aufgeben.
Ich hab Dich sehr lieb.
Aus dem Frauengefängnis von Alto Comedero Jujuy. 10. April 2016.
Milagro Sala
Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter