Im Haus des Friedens lud die belgische Redaktion von Pressenza am 4. Dezember zu einem Austausch über gewaltfreien Journalismus ein. Anlass war die Herausgabe des gleichnamigen Buches.

In Partnerschaft mit der Vereinigung Agir pour la Paix (Handeln für den Frieden) war dies die Gelegenheit, an die Wurzeln von Pressenza zu erinnern, die 2009 infolge des ersten Weltmarschs für Frieden und Gewaltfreiheit gegründet worden war. Dabei galt es, angesichts von Gewalt auf verschiedenen Ebenen, wie der Wirtschaft, Umwelt, Psychologie oder Diskriminierung, Konzepte aktiver Gewaltfreiheit zu verdeutlichen.

Julia, Haus des Friedens, Ben, Künstler, Tatiana, Pressenza Belgien.

Die wichtigsten Ziele von Pressenza, der internationalen Presseagentur für Frieden und Gewaltfreiheit, wurden beleuchtet, darunter vor allem:

  • Die Abkehr vom westlichen Blick auf die Welt durch die Öffnung gegenüber neuen Kulturen und somit der Erweiterung der Wahrnehmung.
  • Die Wertschätzung des Menschen und die Solidarität in gemeinsamen Aktionen angesichts eines entfesselten Kapitalismus.

Wir haben das Buch vorgestellt, das zehn Jahre nach Gründung der Agentur entstanden ist und das die zahlreichen diesbezüglichen Themen systematisiert und illustriert und den LeserInnen, die sich konkret an dieser Form der Aktion beteiligen möchten, praktische Werkzeuge an die Hand gibt.

Célia befragt Ben zur Gewaltfreiheit

Célia nimmt mit Tatiana einen Podcast über Pressenza auf

Anschließend regten die TeilnehmerInnen zum Gedankenaustausch an, indem sie die Gewaltfreiheit ins Zentrum des sozialen Engagements und der persönlichen Entscheidungsfreiheit stellten.

Ben, ein aktivistischer Poetry-Slammer berichtet von Lucha, einer militanten gewaltfreien Gruppe, die im Kongo aktiv ist. Gewaltfreiheit ist eine Lebenshaltung, eine Daseinsform. Auch Zweifel gehören zu diesem Lernprozess. Denn manchmal fragt man sich, was der Kampf angesichts der omnipräsenten Gewalt bringen soll. Angesichts von Ungerechtigkeiten bedeutet gewaltfrei zu sein im täglichen Tun jedoch zu reagieren und sich nicht unterkriegen zu lassen. Ben erzählt von einem LKW auf einer Straße in Goma, der eine Ölspur hinterlässt. Ein Motorrad, das hinter dem LKW fährt, rutscht weg und der Fahrer verliert die Kontrolle. Dann ein zweites. Schaulustige verfolgen das Ganze in Erwartung des nächsten. Mit einem Freund gehen sie Sand holen und verhindern so weitere Unfälle. Auch das ist Gewaltfreiheit!

Jorge erinnert sich an seinen Vater, der durch seine Arbeit eingespannt war und oft schlechte Laune hatte. Wenn er nach Hause kam, hatte er die unangenehme Angewohnheit, seine Laune ziemlich heftig an seinen Kindern, besonders aber an seinem kleinen Bruder auszulassen. Jorge hat sich immer vorgenommen, dieses Verhalten als Vater niemals zu wiederholen. Bis zu dem Tag, als er, in Gedanken an ein Problem bei seiner Arbeit, nach Hause kommt und sein Sohn ihm eine Frage zu viel stellt. Und dann findet er sich selber in der Situation wieder, seine Gereiztheit auf seinen eigenen Sohn zu projizieren! Und er bemerkt, wie sich die Dinge sinnlos wiederholen. Schweren Herzens geht er auf seinen Sohn zu – und entschuldigt sich! Und durch diese Entschuldigung, die aus einem starken Gefühl entstanden ist, wird ihm klar, dass er die Kette der Wiederholungen unterbrochen hat. Auch das ist Gewaltfreiheit – unsere Handlungen, die unsere Lebenshaltungen ändern. Gewalt ist intim und persönlich.

Angelika erzählt, was ihr im Buch „Gewaltfreier Journalismus“ sehr gut gefallen hat. Es ist das Thema der möglichen Veränderungen von Ansichten und Haltungen, wenn man einmal Situationen mit neuen Aspekten erfasst und verstanden hat. Diese Fähigkeit, sich in andere hinein zu versetzen und neue Wahlmöglichkeiten zu erkennen – auch das ist Gewaltfreiheit.

Abida lädt zum Schreiben ein, zur Poesie. Das Herz und die Liebe zu berühren, das Menschliche zu wecken, geht über Emotionen und Empfindungen. Dies ist dank der Kunst und insbesondere der Poesie möglich.

Zum Abschluss des Abends über gewaltfreien Journalismus trägt uns Ben eines seiner Werke vor.

Diese Initiative fügt einen weiteren Stein zur Errichtung des Konzepts der Gewaltfreiheit hinzu, die nicht nur eine Strategie des Reagierens ist, sondern auch eine Lebensphilosophie inmitten sozialer und persönlicher Interaktionen. Sich für Gewaltfreiheit zu entscheiden ist ein täglicher Akt, ein erneuertes Handeln angesichts einer Welt, in der Gewalt oft von den dominanten Medien banalisiert oder normalisiert wird. Durch diese mediale Verblendung werden Gewaltakte akzeptabel und friedliche Alternativen unsichtbar.

Der gewaltfreie Journalismus schlägt einen anderen Weg ein. Er setzt den Fokus auf die Gemeinschaft, auf die Blickwinkel derjenigen, die direkt von sozialen Problemen betroffen sind. Er ist wertschätzend gegenüber solidarischen Bewegungen und erkundet Alternativen zu vorherrschenden Sozialstrukturen, die oft von Individualismus und Distanz zwischen den Individuen geprägt sind. Diese Art des Journalismus umfasst die Vision einer Gesellschaft, die von gegenseitiger Unterstützung geprägt ist und die an Selbsthilfe und an die kollektive Fähigkeit zur Transformation glaubt.

Indem wir uns selbst angesichts potentiell gewaltsamer Reaktionen für gewaltfreies Handeln entscheiden, bejahen wir ein Gesellschaftsmodell, das auf Zuhören, Empathie und auf der aktiven Suche nach gerechten und menschlichen Lösungen beruht.

Nach dieser ersten Kooperation zwischen Pressenza und Agir pour la Paix hat man sich für die Zukunft vorgenommen, eine Reihe von praxisorientierten Workshops zur Entwicklung des gewaltfreien Journalismus in Belgien und darüber hinaus ins Leben zu rufen. Diese Workshops sollen eine Plattform anbieten, auf der verschiedene journalistische Formen entwickelt werden – insbesondere Artikel zur Meinungsbildung, zu aktuellen Ereignissen, Fotoreportagen, ausführliche und tiefgreifende Interviews und vieles mehr.

Text von Tatiana DB & Angelica M. 

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!