Dieser Text basiert auf Bemerkungen, die Javier Tolcachier, ein argentinischer Redakteur von Pressenza, am 22. November 2024 an der Fakultät für Kommunikation und Humanwissenschaften der San-Marcos-Universität in Lima, Peru, während der dort stattfindenden Podiumsdiskussion „Herausforderungen des gewaltfreien Journalismus“ äußerte.

Es gibt viele Anforderungen von unserer Seite. Wir brauchen eine Umverteilung des Reichtums und Garantien für ein menschenwürdiges Leben für alle. Wir brauchen einen neuen politischen Ansatz, der über leere Rhetorik, trügerische Versprechungen, Verrat am Volkswillen und die Ausnutzung der repräsentativen Stellung zur Erreichung belangloser Ziele hinausgeht.

Wir brauchen eine Souveränität – politische und kulturelle Souveränität –, die es uns ermöglicht, uns zu entwickeln, ohne äußere Zwänge, die gegen unser Wohlergehen gerichtet sind. Wir brauchen und fordern Freiheit von Diskriminierung aufgrund unserer Herkunft, Hautfarbe, unseres Geschlechts oder unserer Überzeugung.

Wir brauchen Wissen, Solidarität und Verbundenheit miteinander. Doch inmitten all dieser Bedürfnisse und Unzulänglichkeiten gibt es eines, das grundlegend ist und oft übersehen wird: Es ist das Bedürfnis nach sicheren Bezugspunkten in einer unbeständigen und sich verändernden Welt. Einen Horizont, an dem man sich ausrichten kann, einen Orientierungspunkt – sowohl persönlich als auch sozial.

Angesichts dieser Instabilität spüren Millionen Menschen auf der ganzen Welt zutiefst dieses eine Bedürfnis. Konfrontiert mit einer ungewissen und verschwommenen Zukunft, unfähig, neue Alternativen zu finden, wenden sich viele der Vergangenheit zu und suchen nach Bezugspunkten in einer vergangenen Welt.

Und so flüchten sich große, von den aktuellen Umständen im Würgegriff gehaltene Gruppen in reaktionäre, konservative, realitätsverleugnende und letztlich gewalttätige Ansätze – Wahlmöglichkeiten, die manchmal verlockend erscheinen mögen, aber keine wirkliche Rettung oder Zuflucht bieten.

Wir Humanistinnen und Humanisten glauben, dass aktive Gewaltfreiheit als der Bezugspunkt dienen kann, den wir so dringend brauchen. Eine Empfehlung von großem Wert für alle Menschen, unabhängig von ihrem Status, ihrer Kultur oder ihrer persönlichen Situation.

Es ist jedoch notwendig, unser Verständnis von aktiver Gewaltfreiheit zu vertiefen. Das beginnt damit, unser Verständnis davon, was Gewalt ist, zu erweitern. Gewalt beschränkt sich nicht nur auf das Physische – in Form von Kriegen und Konflikten, die uns spalten und zerstören, während sie die Kassen der Waffenhersteller füllen. Gewalt ist auch wirtschaftlicher Natur, da, wo Ausbeutung gedeiht. Sie ist rassistisch, wo Ausgrenzung auf kulturellen, im fortbestehenden Imperialismus und seinem schmerzlichen Vermächtnis tief verwurzelten Unterschieden beruht.

Es gibt religiöse Gewalt, die entsteht, wenn vielfältige Formen der Spiritualität nicht akzeptiert werden und Menschen wegen ihres Glaubens oder seines Fehlens verfolgt werden. Psychische Gewalt tritt auf, wenn jemand anderen seinen Lebensstil aufzwingt und ihnen dann ihre eigenen Absichten und Wünsche und die Freiheit, ihren eigenen Weg zu wählen, abspricht. Geschlechtsspezifische Gewalt bedarf keiner weiteren Erklärung, erfordert aber sofortiges und entschlossenes Handeln.

Auch Umweltzerstörung und ökologischer Verfall entspringen der Gewalt einer irrationalen Reichtumsvermehrung, mittels der versucht wird, eine existenzielle Leere durch absurden und exzessiven Konsum zu überdecken.

All diese Formen von Gewalt sind nicht nur äußerlich; sie werden von Groll, Verzweiflung, Rachegelüsten, Schuldzuweisungen und der zunehmenden Entfremdung von anderen und uns selbst angetrieben. Die Gewalt wird nicht verschwinden, wenn wir weiterhin Missgunst verbreiten oder die überkommene Weltanschauung nicht verstehen, in der Gewalt als normal angesehen, akzeptiert und gerechtfertigt wird. Gewalt kann nicht durch Gewalt gelöst werden.

Angesichts dieser vielfältigen Formen von Gewalt, sowohl sozialer als auch persönlicher Art, schlagen wir vor, uns durch aktive Gewaltfreiheit weiter zu entwickeln – in Richtung Zukunft, hin zu einem neuen Leben und einem neuen Menschsein.

Wie die Bezeichnung schon sagt, ist aktive Gewaltfreiheit eine Haltung, die es zu kultivieren gilt. Sie lehnt jede Form von Gewalt ab und ist weit davon entfernt, passiv zu bleiben, sondern lädt zu kollektivem Handeln ein, um eine Gesellschaft der Zusammenarbeit und Kooperation zu schaffen, die frei von Ausbeutung ist. Sie sieht eine inklusive Gesellschaft mit gleichen Chancen für alle vor, völlig frei von jeder Form von Diskriminierung.

Aktive Gewaltfreiheit hat tiefe Wurzeln in den kollektiven Kämpfen unserer Völker und manifestiert sich täglich – nicht nur in Protesten, sondern auch im Aufbau neuer Realitäten an der Basis, wenn sich Menschen zu gemeinsamen, positiven Aktionen zusammenschließen.

Aktive Gewaltfreiheit ist vor allem eine innere Sensibilität, eine Lebensweise, die danach strebt, die Wurzeln der Gewalt in uns zu identifizieren. Sie schärft unser Bewusstsein, um nicht in alte überkommene Gewohnheiten zu verfallen, welche die soziale Gewalt in einem endlosen Teufelskreis aufrechterhalten. Diese Lebensweise führt uns zu einem in sich stimmigen Leben und fördert Empathie und Gemeinschaftsbindungen.

Gewalt, liebe Genoss*innen, Freund*innen und Weggefährt*innen, steht für die Vorgeschichte. Die Welt der Zukunft – die wahre Geschichte der Menschheit – wird durch die Übernahme der aktiven Gewaltfreiheit als neue Grundlage der persönlichen und sozialen Existenz zu blühen beginnen. Wir rufen euch zu dieser befreienden Utopie auf.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!