Susi Meret ist außerordentliche Professorin an der dänischen Universität Aalborg und interessiert sich seit 25 Jahren für die dänische radikale Rechte, aber auch für die anderer Länder. Dies wird das Hauptthema unseres Interviews sein.

Ich lebe seit 25 Jahren in Dänemark, ich habe Italien verlassen, nachdem ich mein Geschichtsstudium an der Universität Ca‘ Foscari in Venedig abgeschlossen hatte. Ich bin außerordentliche Professorin an der Universität in Aalborg, das direkt an der Spitze der dänischen Halbinsel liegt, etwa 600 km nördlich von Hamburg, tatsächlich ist es die nördlichste Universität Dänemarks. Als ich als Italienerin und Südeuropäerin in die skandinavischen Länder kam, war ich völlig schockiert, als ich den tief verwurzelten Nativismus (ein betontes Festhalten an bestimmten Elementen der eigenen Kultur infolge ihrer Bedrohung durch eine überlegene fremde Kultur), die starke kulturelle Gleichförmigkeit Dänemarks auf der einen Seite und eine starke Ablehnung von Einwanderern und die Idee einer durch kulturelle Vielfalt bedrohten Kultur miterlebte, also durch den Multikulturalismus auf der anderen Seite. Ich habe die Zurückhaltung gesehen, den Reichtum mit denen zu teilen, die zum Wohlergehen der Gesellschaft beitragen – mit den Einwanderern, um genau zu sein.

Scheint die Situation im Vergleich zu Schweden etwas anders zu sein?

Ja, anfangs war es so, aber jetzt hat sich Schweden der dänischen Sichtweise angenähert. Viele Jahre lang wurde ich nach Schweden eingeladen, um über die dänische radikale Rechte und die Entwicklungen zu sprechen, die in Dänemark stattfanden, gerade aus der Absicht heraus, zu verhindern, dass in Schweden gleichartige Verhältnisse erzeugt werden würden. Leider war dies ab dem Jahr 2015 der Weg, der eingeschlagen wurde, wobei die öffentliche Meinung nach rechts rückte; der Wählerwille konzentrierte sich dabei auch auf Parteien, die historisch gesehen extreme, ja sogar nazistische Wurzeln in Schweden haben. In Dänemark sind wir nicht so weit, in dem Sinne, dass es keinen nazistischen Nährboden gibt, aber das hat den Einzug dieser Parteien (gemeint sind die Rechten) ins Parlament erleichtert.

Glauben Sie, dass die skandinavische radikale Rechte das Europäische Parlament stark beeinflusst?

Die dänische Sozialdemokratie hat einige der Positionen übernommen, die vor 10 bis 15 Jahren die der rechtsradikalen Parteien waren, sie ins Europäische Parlament eingebracht und als sozialdemokratische hoffähig gemacht. Nun stellt sich die Frage, wie es bei den nächsten Wahlen in Deutschland weitergeht. Viele deutsche Kollegen, deutsche Organisationen, sogar solche, die mit der SPD verbunden sind, bitten mich um eine Darstellung der in Dänemark vertretenen politischen Linie, die auch von der dänischen Sozialdemokratie in einer Regierung des breiten Bündnisses mit den Gemäßigten und der Liberalen Partei unterstützt wird. Dänemark ist eines der Länder in Europa, das von Seiten der politischen Flüchtlinge aus gesehen und auch aus der Sicht der nicht-westlichen Einwanderer der zweiten und dritten Generation die restriktivste Politik verfolgt.

Kommen wir zum Thema dieser Tage: Geschlechterperspektiven in Europa und anderswo.

Ich habe fast sofort die Genderperspektive in meine Forschungsausrichtung mit aufgenommen, denn eines der interessanten Dinge an rechtsradikalen Parteien war die Hauptrolle, die Frauen einnehmen. Frauen an der Spitze rechter Parteien in Dänemark waren ein Phänomen, das schon lange vor Meloni existierte, wir sprechen hier von der Zeit von Umberto Bossi (Mitbegründer der Lega Nord 1989). Überall wurden Frauen in rechten Parteien in strategischer Weise benutzt, um sich den Wählern mit einer respektablen Fassade anzubiedern. Aber selbst wenn wir uns Trump anschauen, gibt es geschlechtsspezifische Implikationen, und das ist der Grund, der mich dazu veranlasst hat, mich intensiver mit dem „Project 2025“ zu beschäftigen, auch angeregt durch Diskussionen mit Kollegen, die sämtliche rechtsextremen Organisationen erfasst haben, diese extremen Randgruppen, die der Trump-Regierung nahe stehen.

Die vorherige Amtszeit von Trump hat Handlungen und Äußerungen legitimiert, die zuvor nicht so leichtfertig offen eingesetzt wurden: rassistische Reden, hasserfüllte Phrasen, Parolen gegen Frauen. … Er öffnete die Büchse der Pandora, aus der all dies herauskroch, einschließlich einer großen Frauenfeindlichkeit.

Er ist nicht der Einzige, es gab auch diejenigen, die ihn in Europa vorweggenommen haben. Innerhalb der populistischen radikalen Rechten gibt es eine Tendenz, eine bestimmte Art von Diskurs zu normalisieren oder zu legitimieren, sowohl der Art und Weise, sich auszudrücken, als auch in der Politik… In Italien nahmen die unterschiedlichen Regierungen zu Berlusconis Zeiten, denen auch die Lega und auch die Nationale Allianz angehörten, andere Entwicklungen im übrigen Europa vorweg.

Was die Vereinigten Staaten betrifft, so haben sie eine historisch weit zurückreichende Reihe von rechtsradikalen Parteien und sogar von Nativismus, der tiefe historische Wurzeln hat. Erinnern wir uns an die Bewegungen gegen Einwanderer, zwischen 1800 und 1900, auch die italienischen, die nach den Afroamerikanern diejenige Minderheit sind, an der in der Geschichte des Landes die meisten Lynchmorde begangen wurden. Denken wir an all die gegen Asiaten gerichteten Maßnahmen, zum Beispiel durch eine Einwanderungspolitik, die Quoten für die Anzahl der Chinesen festlegte, die in die Vereinigten Staaten einreisen durften.

Tatsache ist, dass es politische Maßnahmen gibt, die bei der derzeitigen Entwicklung in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa helfen könnten, Menschen zu begegnen, die sehr unzufrieden mit der Politik sind und sich nicht repräsentiert fühlen, und dies zu Recht. Schauen Sie sich nur an, was in den Vereinigten Staaten geschieht, zum Beispiel im Rust Belt, und in all den deindustrialisierten Gebieten, für die es keine industrielle Planung und keine Wirtschaftspolitik gab, die den Menschen geholfen hätte, aus den schweren Krisensituationen herauszukommen. In der Tat können wir sogar in Europa und Skandinavien beobachten, wie es zwischen den städtischen Zentren, die tendenziell progressiver sind, die links wählen und sensibel sind, was die Rechte angeht, die Rechte der Einwanderer, der Frauen, der Lesben-Homosexuellen-Transgender-Gemeinschaften, und den Vorstädten, in denen völlig andere Positionen vorhanden sind, eine starke Spaltung gibt. Niemand leugnet die Tatsache, dass es abgegrenzte, ethnisch stark überrepräsentierte Gebiete gibt, in denen das Problem die Armut ist, die als solche bequem maskiert und in ein Problem der ethnischen und religiösen Zugehörigkeit umgewandelt werden kann.

Vor diesem Hintergrund war es eine erfolgreiche politische Strategie, legitime Sehnsüchte, aber auch wirtschaftliche Notwendigkeiten in ein Bündel von Orientierungswerten zu kanalisieren, in eine Kultur, die Diskriminierung, Rassismus, das Gefühl des anderen als Bedrohung, als Bedrohung des Arbeitsplatzes, des Wohlergehens oder des Geschlechts schürte. So hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass in den letzten Jahren in den skandinavischen Gesellschaften, die wir immer als Modell für eine Gleichstellung der Geschlechter angesehen haben, die öffentliche Meinung die Ansicht vertritt, dass eben diese Gleichstellung der Geschlechter zu weit gegangen ist, dass sie die Grenzen überschritten hat, so sehr die Fakten uns auch sagen, dass immer noch eine Kluft vorhanden ist, dass es noch viel zu tun gibt.

In Ihrer Rede haben Sie ausführlich über das Projekt 2025 gesprochen und darüber, welchen Einfluss es auf eine konservative und genderfeindliche Politik nicht nur in Amerika haben wird.

Im Jahr 2023 beschloss die Heritage Foundation, The Mandate for Leadership zu schreiben, ein Wegweiser für die Trump-Regierung mit der klaren Vorstellung, alles unter Kontrolle zu haben. Es ist nicht die einzige Roadmap, die von Konservativen geschrieben wurde, aber meiner Meinung nach ist dies diejenige, die die größten Erfolgsaussichten haben wird, denn viele der Verbände, Einrichtungen, Think Tanks, die an der Ausarbeitung des Projekts beteiligt sind, sind Organisationen, die Trump nahestehen, tatsächlich waren sie im Zeitraum von 2017 bis 2021 Teil der Trump-Regierung. Beim Projekt 2025 geht es darum, alle ultrakonservativen amerikanischen Kräfte zusammenzubringen, aber auch die europäischen, angefangen bei Viktor Orbán, der seine Denkfabrik ins Leben rief, um bestimmte Positionen darüber verlautbaren zu können. Orbán hat gezeigt, wie man in einer liberalen Demokratie arbeiten und sich dabei dessen entledigen kann, was sie ausmacht, zum Beispiel die Gewaltenteilung, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht der Presse, sich gegen die Regierung zu positionieren.

Die 900 Seiten des Projekts 2025 behandeln alles, die gesamte Innenpolitik, die Wirtschaftspolitik, die Gesundheits- und Gesundheitspolitik, die Außenpolitik. Vor allem bei der internationalen Hilfe, der Entwicklungsfinanzierung, bei der Amerika einer der Hauptgeldgeber ist, wird das Heft in äußerst massiver Weise in die Hand genommen, und das wird noch viel stärker der Fall sein. Diese Finanzierung ist hier nun zu einer kompakten Form der indirekten Kontrolle über die Politik der Empfängerländer geworden, nämlich beim Thema Fortpflanzung, im Hinblick auf die Familie und deren Rechte, im Bezug auf die Sexualerziehung, sowie bezüglich Transgender, d. h. bei all den Konzepten, bei denen wir dachten, wir hätten erste Erfolge erzielt, aber stattdessen geht es darum, alles wieder umzukehren. Diese ultrakonservativen Netzwerke, die versuchen, die Welt in eine alte, rückschrittliche Form zurückzuführen, sind Netzwerke, die schon lange zusammenarbeiten und wissen, worin ihre Stärken bestehen.

Heute besteht das Problem darin, dass eine Institution wie das Europäische Parlament blockiert ist. Wo steht Europa? Ich sehe nicht den Willen, mit einer glaubwürdigen Antwort fortzufahren. Wir müssen zugeben, dass unsere Zivilgesellschaften nach wie vor diejenigen sind, die am ehesten in der Lage sind, Antworten und Orientierungen zu geben. Was jedoch eine wichtige Institution wie die Universität betrifft, so ist diese auf öffentliche, aber zunehmende begrenztere Mittel angewiesen. Sogar innerhalb unserer Universitäten gibt es den Versuch, diejenigen zum Schweigen zu bringen oder mundtot zu machen, die zu kritisch sind, und nicht nur das, die kritischen Stimmen in der Geschlechterforschung, bei den postkolonialen Studien und den Forschungen zu Rassismus waren diejenigen, die in allen Ländern, einschließlich Nordeuropa, am meisten gelitten haben, bei denen es Mittelkürzungen und Entlassungen gab und wo die Ansicht verbreitet wurde, dass es sich hierbei um Pseudowissenschaft handele. Stattdessen ist es so, dass wir verstärkt Fakultäten brauchen, in denen Gesellschaftskritik betrieben wird, auch kritische Studien. Unsere Gesellschaften sind durchzogen von dieser Vergesslichkeit gegenüber der jüngsten Geschichte – wie dem Faschismus – dieses Versagen, Verbindungen herzustellen, dieses nur „Momentaufnahmen des aktuellen Geschehens“ wahrzunehmen, das ist meiner Meinung nach das Problem der heutigen Zeit.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!