Der Equal Pay Day macht darauf aufmerksam, dass Frauen in Österreich immer noch weniger bezahlt bekommen als Männer – im Schnitt 17 Prozent. Frauen mit Migrationsgeschichte trifft es noch härter. Dabei halten Frauen – oft mit Migrationshintergrund – unser System am Laufen.

von Lisa Wohlgenannt (moment.at)

Der 1. November 2024 ist Equal Pay Day in Österreich. Frauen arbeiten von diesem Tag bis zum Jahresende gratis – statistisch gesehen. Der Gender Pay Gap, die geschlechtsspezifische Lohnlücke, liegt immer noch bei 17 Prozent. Allerdings gibt es in den Bundesländern große Unterschiede. In Vorarlberg bekommen Frauen in Vollzeitjobs fast ein Viertel weniger bezahlt als Männer. In der Bundeshauptstadt Wien ist die Lücke am kleinsten, liegt aber immer noch bei knapp elf Prozent. Das zeigt eine Analyse des Momentum Instituts.

Weibliche Arbeit wird abgewertet

Ein Grund, warum die Lohnlücke auch für vollzeitbeschäftigte Frauen immer noch mit 17 Prozent auseinanderklafft, wird in der sogenannte “Abwertungstheorie” erklärt: Weibliche Arbeit wird „entwertet“.

Sobald der Frauenanteil in einer Branche oder einem Berufsfeld deutlich überwiegt, sinkt dort das durchschnittliche Lohnniveau. Dabei sind das häufig systemrelevante Berufe.

Frauen halten die Gesellschaft am Laufen

Systemrelevante Berufe sind jene Berufe, die unsere Gesellschaft grundlegend am Laufen halten: Pädagog:innen und Lehrer:innen, Reinigungs- und Hilfskräfte, Ärzt:innen und Pfleger:innen, Kassierer:innen und Verkäufer:innen in den Supermärkten oder Müllabfuhr und Müllentsorgung zählen hier dazu.

Viele dieser Berufe werden vor allem von Frauen gemacht. 17 systemrelevante Berufsgruppen wurden identifiziert und untersucht. In zwei Drittel davon liegt der Frauenanteil über 50 Prozent – oft weit. In der Kinderbetreuung besteht fast die gesamte Berufsgruppe nur aus Frauen – nämlich etwa 97 Prozent. Ähnlich sieht es mit 91 Prozent Frauenanteil in der Gruppe der Reinigungs- und Hilfskräfte aus.

Gerade diese Berufe sind häufig schlecht bezahlt. Elf der systemrelevanten Berufe bieten einen niedrigeren durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn als in der Gesamtwirtschaft. Sieben dieser elf Berufe sind weiblich dominiert. Bei Küchenhilfen ist der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn von Frauen mit 11,10 Euro fast um die Hälfte niedriger als der durchschnittliche Stundenlohn der Gesamtwirtschaft (20,10 Euro).

Frauen mit Migrationshintergrund werden noch stärker benachteiligt

Doch systemrelevante Arbeit ist in Österreich nicht nur überwiegend weiblich, sondern oftmals auch migrantisch geprägt. Rund die Hälfte der weiblichen Küchenhilfen und des Reinigungspersonals hat Migrationsgeschichte*. Vier von zehn Kassierer:innen, sowie ein Drittel der Pfleger:innen und Kinderbetreuer:innen sind weiblich und migrantisch.

Die Analyse zeigt: Frauen mit Migrationshintergrund werden sogar noch stärker als Frauen ohne Migrationsgeschichte benachteiligt. Migrantische Frauen bekommen 25 Prozent weniger Gehalt als Männer, während es bei Frauen ohne Migrationsgeschichte 11 Prozent sind.

Die Lohndiskriminierung bei weiblicher Migrationsgeschichte ist auch in den systemrelevanten Berufsgruppen sichtbar. Die Lohnlücke einer Frau mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Sicherheitsdienst ist um 26 Prozentpunkte größer als jene einer Frau ohne Migrationsgeschichte in der gleichen Berufsgruppe. Auch bei den Assistenzberufen im Gesundheitswesen, der Krankenpflege und bei den Kassierer:innen vergrößert sich der Gender-Pay-Gap um etwa 18 Prozentpunkte, wenn eine Frau Migrationsgeschichte hat.

Teilzeit ist die Lebensrealität vieler Frauen

Der Gender Pay Gap zeigt gar nicht das ganze Ausmaß der Diskriminierung. Denn er vergleicht nur die Brutto-Stundenlöhne von Vollzeitbeschäftigten. Die Realität für viele Frauen ist allerdings eine andere. Sie arbeiten oft in Teilzeit.

Einer der Hauptgründe dafür ist, dass sie die unbezahlte Sorgearbeit zuhause übernehmen und sich um Haushalt, Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern. Vollzeit für einen Lohn zu arbeiten, ist da nicht möglich. Zusätzlich werden gerade in systemrelevanten Branchen wie Handel, Reinigung, Gastro und Kinderbetreuung oft nur Teilzeitstellen angeboten.

Betrachtet man die Nettogehälter, können viele Frauen ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Das durchschnittliche Netto-Einkommen der Systemerhalterinnen liegt oft nur knapp über oder sogar unter der Armutsgefährdungsschwelle. Gerade in den Berufen, in denen dieses Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt, ist der Anteil an Frauen mit Migrationshintergrund hoch.

“Viele Berufe, die weiblich, migrantisch und schlecht bezahlt sind, sind systemerhaltend. Es müssen veraltete Rollenbilder aufgebrochen und der Wert von Arbeit bzw. der Mehrwert einer Tätigkeit für eine Gesellschaft diskutiert werden. Es ist schließlich nicht selbstverständlich, dass die Arbeit einer Kinderbetreuerin weniger wert ist als etwa die eines IT-Technikers. Wie Arbeitgeber:innen aktuell diese Berufe aber entlohnen, zeichnet genau dieses ungewollte Bild: Frauenarbeit sei weniger wert”, so Katharina Mader, Chefökonomin am Momentum Institut.

Was tun gegen die Benachteiligung der Systemerhalterinnen?

Das Momentum Institut empfiehlt, die KV-Mindestlöhne auf mindestens 2.500 Euro brutto anzuheben und die weiblich dominierten Branchen und Berufe aufzuwerten, vor allem im Niedriglohnsektor. Außerdem eine verpflichtende Transparenz bei Gehältern in allen Unternehmen und eine verpflichtende Frauenquote auf allen Ebenen – sowohl in öffentlichen Einrichtungen als auch in der Privatwirtschaft und vor allem auf Vorstands- und Managementebenen. Bisher gibt es eine solche nur in Aufsichtsräten.

*Migrationshintergrund beschreibt in der vorliegenden Analyse Personen, deren Elternteile beide im Ausland geboren wurden. Die Definition entspricht den „Recommendations for the 2020 censuses of population and housing“ der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE). 

Der Originalartikel kann hier besucht werden