KI hilft derzeit vor allem den Konsum anzukurbeln. Dereinst soll dieser Energiefresser – vielleicht – auch dem Klimaschutz dienen.
Jannik Hiddeßen moment.at
Dieser Gastbeitrag wurde von moment.at produziert. Infosperber hat eine gekürzte Fassung im Rahmen der Creative Commons-Lizenz BY-NC-SA 4.0. veröffentlicht. Titel und Vorspann von der Redaktion.
Stellt man großen KI-Modellen wie ChatGPT, Gemini oder Copilot eine Frage, wird diese nicht vom eigenen Laptop beantwortet. Stattdessen wird sie in kleine Datenpakete zerlegt und durch Glasfaserkabel quer über den Erdball zu einem Rechenzentrum von OpenAI, Google oder Microsoft geschickt.
Das ist zwar erstmal nicht anders als bei einer Suchmaschine. Der Unterschied liegt aber in der Rechenleistung, die notwendig ist, um die gewünschte Antwort zu erstellen. Bis zu zehnmal mehr Energie als für eine Google-Suche wird dazu laut einer Untersuchung von Goldman Sachs benötigt. Das ist auch ein Problem fürs Klima. Auf jeden Fall so lange wir unseren Strom nicht komplett aus erneuerbaren Energien beziehen.
Wie viel Energie verbraucht KI?
Herauszufinden, wie viel Energie ein KI-Modell tatsächlich verbraucht, ist gar nicht so einfach. Die großen Tech-Firmen halten sich zum Energieverbrauch ihrer Tools bewusst sehr bedeckt. Mit der kommerziellen Nutzung kam auch mehr Geheimhaltung.
Um zu erkennen, dass der Energiehunger der Künstlichen Intelligenz zum Problem für das Klima werden könnte, reicht allerdings ein Blick auf die Treibhausgasemissionen von Google. Eigentlich sollte das Unternehmen bis 2030 klimaneutral werden. Tatsächlich sind Googles Emissionen seit 2019 aber sogar laut eigenen Angaben um fast 50 Prozent gestiegen (PDF: Seite 8 bzw. 31). Das Unternehmen schreibt dies auch dem Wachstum seiner Rechenzentren zu und erklärt, dass es aufgrund der intensiven KI-Nutzung schwierig werden könnte, die schädlichen Ausstöße in naher Zukunft zu verringern.
Der Wasserverbrauch der Künstlichen Intelligenz
Warum aber verbrauchen diese Rechenzentren so viel Energie? Neben dem Betrieb der Computer selbst, lässt vor allem die Kühlung der Rechenzentren die Stromrechnung der Betreiber in die Höhe schnellen. Darauf reagieren die Unternehmen, indem sie Rechenzentren dort aufstellen, wo sie sich möglichst kostengünstig mit Strom versorgen lassen. Zum Beispiel in sonnigen Gebieten wie Kalifornien oder Arizona, wo es billigen Solarstrom gibt. Der Solarstrom fehlt dann aber anderswo, zudem gibt es dort auch enorm hohe Temperaturen. Das verursacht wiederum einen größeren Kühlbedarf, und erhöht so auch den Wasserverbrauch der Anlagen.
Wasserkühlsysteme, wie sie in den USA verbreitet sind, sind zwar energieeffizienter als Luftkühlung, verbrauchen aber Frischwasser. Eine Ressource, die nicht nur in der amerikanischen Wüste zusehends knapp wird. Schätzungen gehen davon aus, dass KI-Rechenzentren alleine bis 2027 halb so viel Wasser verbrauchen werden, wie das gesamte Vereinigte Königreich von Großbritannien.
Nachhaltigkeit durch Wasserkraft und Bergluft?
Es gehe auch anders, erklärt Ivan Dukic, Gründer des KI-Startups Localmind: «Wo die Rechenzentren gebaut werden, entscheidet maßgeblich darüber, welchen Klimaeffekt sie haben. Und wenn ich das mitten in die Wüste stelle, ist es halt ein absoluter Energiewahnsinn.» Die Server für seine KI-Modelle stehen daher in einer Gegend, die mit einer Wüste so gar nichts gemein hat. Mitten in den Alpen, in der Nähe von Innsbruck.
Dort haben die Innsbrucker Kommunalbetriebe einen alten Trinkwasserspeicher im Berg zu einem modernen Rechenzentrum umgebaut. Die Kühlung ist hier kein großes Thema. «Generell bleibt das Ganze durch die Höhe, die Luft und die schattige Lage sehr lange kühl, ohne Kühlmittel zu verwenden», meint Ivan Dukic. Bis 20 Grad Außentemperatur kann man die Anlage nur über die Außenluft kühlen. So warm wird es dort nur in den Sommermonaten. Braucht man sie doch einmal, wird die Kühlanlage, genauso wie der Rest des Rechenzentrums, mit Strom aus regionaler Wasserkraft betrieben.
Auch Ralph Hintemann, der am Borderstep Institut zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit forscht, betont die Relevanz der richtigen Standortwahl. Besonders in Ballungszentren ergäben sich Vorteile, da Abwärme der Rechenzentren zum Heizen umstehender Wohngebiete genutzt werden könnte. «Was da an Strom reingeht, geht zum Teil als Wärme wieder raus. Diese Wärme können wir auch nutzbar machen.»
Großes Hirn, großer Energieverbrauch
Die Frage nach der Nachhaltigkeit entscheidet sich allerdings nicht allein im Rechenzentrum. Auch das verwendete KI-Modell spielt eine Rolle. Die Bandbreite dabei ist groß und reicht von Meta-Modellen wie Gemini oder ChatGPT bis hin zu einfachen Programmen mit engem Anwendungsfeld.
«Das eine ist ein Riesengehirn, sowas wie ChatGPT. Und dann gibt es kleinere, spezialisierte Gehirne, die wesentlich weniger Rechenressourcen brauchen», fasst Dukic den Unterschied zusammen.
Weniger Rechenressourcen, das bedeutet in diesem Kontext auch weniger Energieverbrauch. Der Grund: «Riesengehirne», wie das von ChatGPT, werden mit Unmengen an Texten trainiert. Von Shakespeare bis zur Gebrauchsanleitung deines Staubsaugers ist alles dabei. Stellt man dem Chatbot eine Frage, wird dieser ganze Info-Haufen aktiviert. Logisch, dass das mehr Energie verbraucht, als eine Künstliche Intelligenz, die mit weniger Daten trainiert wurde, um dann gezieltere Aufgaben zu übernehmen. (Die sie dann oft auch besser erledigt.)
Laut einer US-amerikanischen Untersuchung verbrauchten sogenannte «Multi-Purpose-Modelle» 33-mal mehr Energie als «aufgabenspezifische Software». Generell gilt also: Je spezialisierter die KI, desto geringer ihr Energieverbrauch.
Hier offenbart sich eines der grundlegenden Probleme des aktuellen KI-Hypes. Die Modelle, die häufig für die banalsten Dinge benutzt werden, sind auch die Modelle, die die meiste Energie fressen. Während eine Menge Energie also für kleine Erleichterungen im Alltag draufgeht, tragen spezialisierte KI-Modelle an anderer Stelle sogar aktiv zum Klimaschutz bei.
KI-Versprechen: Bessere Wetterprognosen für grüne Energie
In der Meteorologie sei KI eigentlich nichts Neues, erklärt Irene Schicker, von der Geosphere Austria. Die Grundlage der aktuell besonders populären Formen von KI ist sogenanntes «Maschinenlernen». Damit werden große Datensätze mit Algorithmen analysiert. Das werde in anderer Form in ihrem Feld schon lange genutzt, um Daten zu analysieren und auszuwerten. Trotzdem hätte es in den letzten Jahren nochmal einen Umbruch gegeben.
Mit ihrem Team arbeitet Schicker an einem Forschungsprojekt mit dem knackigen Namen Atmol4REN-4Cast. Dabei nutzen sie Künstliche Intelligenz, um regionale Wetter- und Klimaprognosen zu verbessern. Das sei entscheidend für die Energiewende.
«Erneuerbare Energien sind sehr stark davon abhängig, wie gerade die atmosphärischen Bedingungen sind», erklärt Schicker. Schon kleine Wetteränderungen können große Auswirkungen auf die Stromproduktion von Solar- und Windkraftanlagen haben. Um das Stromnetz stabil zu halten, braucht es daher genaue, ortsspezifische Wetterprognosen. Und das quasi in Echtzeit.
Effizientere Windparks und Solaranlagen
Herkömmliche Wettermodelle können das kaum leisten. Zwar lassen sich die großen, überregionalen Entwicklungen gut vorhersagen. Bei Prognosen für einen spezifischen Standort stoßen sie allerdings an ihre Grenzen. Um so nah heranzuzoomen, sind die zugrundeliegenden Berechnungen zu komplex.
Künstliche Intelligenz soll dazu beitragen, dieses Problem zu lösen. Basierend auf den bestehenden Wettermodellen und mithilfe von Echtzeitdaten einzelner Wetterstationen, berechnet das Modell Prognosen mit großer räumlicher Auflösung. Und ist dabei schneller und energieeffizienter als die herkömmlichen Modelle.
Auch für die Planung neuer Windparks und Solaranlagen bietet das Projekt Vorteile. Angewendet auf ein Klimamodell lassen sich mit diesem Prinzip die Wetterverhältnisse an einem Ort in fünf, zehn oder zwanzig Jahren prognostizieren. Das ist gerade für die Planung neuer Windkraftanlagen entscheidend. Wer heute einen Windpark baut, möchte davon ausgehen können, dass an seinem Standort auch in Zukunft genug Wind zur Verfügung steht.
KI und Klima: Überwiegen die Chancen die Risiken?
Ist Künstliche Intelligenz also ein Klimakiller oder hilft sie uns sogar, das Klima besser zu schützen? Kommt darauf an, meint der Digitalisierungsforscher Ralph Hintemann: «Das Problem ist, dass es dabei häufig um Potenziale geht.» Und die müssten erstmal verwirklicht werden. Richtig eingesetzt, könne «Künstliche Intelligenz» durchaus große Veränderungen der Treibhausausstöße bringen – das sei aber kein Selbstläufer.
Die Unternehmen müssten das auch zum Ziel machen. Aber davon ist erst einmal wenig zu sehen. Glaubt man den Prognosen der Internationale Energieagentur, wird Künstliche Intelligenz schon 2026 für 1,5 bis 2 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich sein. Zwei- bis dreimal so viel wie ganz Österreich. Um die Emissionswaage ins Positive zu bewegen, müsste die KI also ganz schön viele «Potenziale» ausschöpfen.
Dennoch meint Hintemann, er könne sich kaum vorstellen, «dass wir die großen Herausforderungen, die wir jetzt beim Klimaschutz haben, ohne Digitalisierung und KI hinbekommen werden.» Dazu seien große Effizienzsteigerungen nötig, zu denen KI-Anwendungen maßgeblich beitragen könnten. Allerdings seien dabei solche Anwendungen zu fördern, die wirklich ressourcensparend sind.
Es geht in die falsche Richtung
Der Trend geht derzeit in eine andere Richtung. «KI wird aktuell hauptsächlich dazu eingesetzt, Konsum anzukurbeln», so Hintemann. Egal ob Amazon oder TikTok, große Techkonzerne nutzen die Technologie, um uns zum Kaufen oder zum Weiterscrollen zu bewegen.
Gesellschaftlichen Fortschritt bringen andere Modelle. Hintemanns Fazit: «Es kann eigentlich nur mit effizienten, schlanken Lösungen funktionieren. Wir sollten KI dort einsetzen, wo sie wirklich hilft, effizienter zu werden und gleichzeitig wenig Ressourcen braucht. Dazu müssen wir nicht mit Riesenmodellen arbeiten, sondern mit schlanken, direkt auf die Anwendung spezialisierten Modellen, die auch aus anderen Gründen unkritischer sind.»
Die Verantwortung, eine nachhaltigere Betriebsweise zu etablieren, liegt hier vor allem bei den Konzernen. Trotzdem sollten wir uns fragen, wo der Einsatz von KI wirklich sinnvoll ist. Das «Riesenhirn» ChatGPT zu nutzen, um eine Mail an den Chef zu schreiben, ist wie mit einer Kanone auf Spatzen zu schießen.