In ihrem Buch „Climate Engineering“ setzt sich die Physikerin und promovierte Philosophin Annette Schlemm mit Ideen und Versuchen auseinander, den Klimawandel mit technischen Mitteln zu bekämpfen. Im Untertitel benennt sie die kritische Perspektive, aus der sie das Thema bearbeitet: „Wie wir uns technisch zu Tode siegen, statt die Gesellschaft zu revolutionieren“. Dabei räumt sie ein, dass sie nach ihren umfangreichen Recherchen, die sie mit einer „harschen kritischen Einstellung gegenüber dem Climate Engineering“ begonnen hatte, „viel grüblerischer herausgekommen“ sei. Denn auch sie fürchtet, es könnte nicht mehr ausreichen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken.

Akribisch trägt die Autorin unterschiedliche Ansätze zusammen, mit denen versucht werden soll – und teils bereits versucht wird –, dem Klimawandel mit oft hochriskanten Methoden entgegenzuwirken. Dabei geht es grundsätzlich um zwei verschiedene Vorgehensweisen: Bei der einen soll die Sonneneinstrahlung vermindert werden, die andere möchte Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen. Für beides gibt es mehrere technische Möglichkeiten.

Die Sonneneinstrahlung vermindern

Um die Erde vor der Sonne zu schützen, kann die Sonneneinstrahlung manipuliert werden, was als „Solar Radiation Management“ (SRM) bezeichnet wird. Zum Beispiel könnten riesige Spiegel im Weltraum angebracht oder kleine Partikel oder Aerosole in der Atmosphäre verteilt werden, die das Sonnenlicht zurückwerfen oder abschirmen. Die Rückstrahlkraft der Erde – Albedo genannt – kann auch erhöht werden durch Bläschen in den Ozeanen, reflektierendes Material in der Wüste, weiße Anstriche von Gebäuden und anderes.

Auch das „Wettermachen“ gehört dazu, indem Wolken zum Abregnen gebracht werden, beispielsweise indem sie mit Silberjodid „geimpft“ werden („Cloud Seeding“). Schlemm weist darauf hin, dass in den 1940er Jahren „amerikanische Militärstrategen davon träumten, eines Tages Kriege mit Wirbelstürmen und Gewittern“ führen zu können. Die Vereinten Nationen hätten solche umweltverändernden Techniken jedoch als Waffen verboten. Weitere Ansätze für SRM sind die Aufhellung von Meereswolken, oder die Ausdünnung von Zirruswolken, die unter anderem als Kondensstreifen von Flugzeugen nachts die Abstrahlung der Wärme von der Erde hemmen.

Bei diesen Methoden der Strahlungsmanipulation ist nicht immer klar, wie sie sich technisch umsetzen ließen und ob sie überhaupt funktionieren, zumal sie in unvorstellbaren Größenordnungen durchgeführt werden müssten. Auch wie solche Eingriffe wirken, ist überhaupt nicht klar, und es muss von erheblichen unerwünschten „Nebenwirkungen“ und Umweltfolgen ausgegangen werden. Wo bisher Versuche durchgeführt wurden, gab es Proteste von Umweltgruppen und Betroffenen – oft Indigene im Globalen Süden, die ihre Lebensgrundlagen bedroht sahen.

Die Autorin schreibt, die Maßnahmen zur Manipulation der Sonnenstrahlung würden „im Allgemeinen stärker abgelehnt als jene der Kohlendioxid-Entfernung“. Einzig „die lokale Aufhellung der Lebenswelt“ sieht sie als sinnvoll an, diese hätte jedoch „keine globalen Auswirkungen“.

„Weg mit dem Kohlendioxid“

Die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, das „Carbon Dioxide Removal“ (CDR), könnte ein erster Schritt zur Minderung der Erderwärmung sein. Die technischen Verfahren dafür brauchen viel Energie, doch Schlemm geht davon aus, dass CDR näher an der Bekämpfung von Ursachen der Klimaveränderung ist als SRM – und dass es grundsätzlich notwendig ist. Als nächstes stellt sich dann allerdings die Frage, was mit dem abgeschiedenen CO₂ geschehen und wo es möglichst dauerhaft gespeichert werden soll.

Die Bundesregierung möchte das abgeschiedene CO₂ unter hohem Druck in den Boden pressen (Carbon Capture and Storage – CCS) und die Wirtschaft anregen, Produkte herzustellen, in denen das CO₂ gespeichert wird (Carbon Capture and Utilization – CCU). CO₂ wird derzeit zum Beispiel zur Gewinnung von Erdöl oder Gas mit hohem Druck in Bohrlöcher gedrückt. „Fossile Industrie in neuer Verkleidung“ wird CCS deshalb auch genannt. Auch CCS benötigt viel Energie und ist zudem mit erheblichen Risiken wie Verschmutzung des Grundwassers und klimaschädlichen Leckagen behaftet. Auch wenn die Energie regenerativ produziert würde, wäre dies in einem solchen Ausmaß nötig, dass der globale Strombedarf sich verdoppeln würde, „selbst wenn nur die übrig gebliebenen CO₂-Reste entfernt werden müssten, weil wir größtenteils schon klimaneutral lebten“.

Der Weltklimarat IPCC favorisiert die Energieproduktion aus sogenannten Bioenergiepflanzen mit nachträglicher CO₂-Abscheidung und -Speicherung, (Bioenergy with Carbon Capture and Storage, BECCS). Nach Schlemm „wurde diese Technik zum Trojanischen Pferd des IPCC-Berichts zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels von 2018“, da sich alle vier berechneten Szenarien auf BECCS bezogen und suggerierten, die CO₂-Speicherung sei problemlos möglich. Auch der enorme Flächenbedarf für die Energiepflanzen sei ignoriert worden.

Es ist also keineswegs geklärt, wie die CO₂-Speicherung überhaupt funktionieren könnte. Das CO₂ könnte auch „in Karbonat verwandelt, also quasi versteinert“ werden, um diese Gesteine dann „in gemahlener Form entweder aufs Land oder ins Meer“ auszubringen, führt Schlemm weiter auf. Die Idee stammt aus den 1990er Jahren – damals hatte bereits der US-Mineralölkonzern Exxon über Climate Engineering nachgedacht. Exxon (in Deutschland: Esso) betreibt einen Großteil der heute bereits bestehenden CCS-Anlagen. Sein Klimawandelprogramm wird von Haroon Kheshgi geleitet, der auch als Autor an den Berichten des IPCC mitwirkt – wogegen 2017 mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen protestiert hatten, wie die Autorin mit Verweis auf die technologiekritische Organisation ETC Group berichtet. Auch die Versteinerungsidee ist offensichtlich nicht seriös durchgerechnet worden. Aus einer Arte-Doku von 2022 zitiert Schlemm einen Geochemiker: „Wenn 90 Prozent der Treibhausgasemissionen verschwinden sollen, müsste alle fünf Jahre ein Matterhorn kleingeraspelt werden“ – so viel Gesteinsmehl würde dann benötigt.

Schlemm stellt vielerlei weitere Methoden vor, mittels derer CO₂ in den Ozeanen oder auf dem Land gespeichert werden könnte, vor allem in Pflanzen. Jedoch beinhalten all diese Techniken Risiken und Unwägbarkeiten, insbesondere wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Profitabilität zum Einsatz kommen.

So kann es bei Aufforstungen, die als risikoarmer Weg der CO₂-Bindung gelten, zu Konflikten um die Nutzung von Land und Wasser kommen. Wenn für lukrative CO₂-Zertifikate Monokulturen angelegt und damit indigene Bevölkerungen verdrängt werden, wird von „Green Grabbing“ gesprochen: Landgrabbing mit grünem Anstrich. Aufgrund mangelnder Kontrolle kam es schon mehrfach zu erheblichem Betrug mit überbewerteten Zertifikaten.

Der Konzern Microsoft propagiert „Biokohle als Wunderwaffe im Klimaschutz“, jedoch verdeutlicht die Autorin, dass sich die ursprüngliche Terra preta des Amazonasgebiets nicht industriell nachbilden lässt. Ozeane wiederum können versauern, und wenn sie mit Eisen „gedüngt“ werden, um das Planktonwachstum und damit die CO₂-Aufnahme zu erhöhen, kann es zur „Bildung toxischer Algenblüten mit der Ausbildung von ‚Todeszonen‘“ kommen. Je großflächiger in natürliche Abläufe eingegriffen wird, desto schwerwiegender können die Folgen sein.

So nicht – aber wie dann?

Angesichts bestenfalls halbherziger Bemühungen um eine Reduzierung von Treibhausgasen scheint „Climate Engineering“ als Plan B immer mehr an Akzeptanz zu gewinnen, obwohl es sich ganz überwiegend um höchst fragwürdige Techniken handelt. Je höher die Erwartungen in die technischen Möglichkeiten der Bewältigung des Klimawandels geschraubt werden, desto größer wird das Risiko, dass „der Scheinausweg Climate Engineering“ den Blick auf die Notwendigkeit einer drastischen Emissionsreduzierung verstellt. Dies beschreibt die Autorin als „Moral Hazard“ (moralische Gefahr) und führt aus, dass davon „auch die grundlegende Struktur ökonomischer Entscheidungen und gesellschaftlicher Strukturen“ betroffen sei, denn es werde die Illusion genährt, ein Weiter-so sei möglich.

Kritisch betrachtet sie auch die Mentalität der Quantifizierung und Ökonomisierung. Die Verengung der Perspektive auf die Reduzierung und Speicherung von CO₂ in der Landwirtschaft lasse beispielsweise vergessen, dass die „konventionelle Landwirtschaft selbst eine Quelle von starken Treibhausgasen wie Methan und Lachgas“ ist.

Immer wieder verweist Annette Schlemm darauf, dass es beim Klima um das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem geht, dass es sich dabei um eine Klassenfrage handelt, um Macht und um Interessen. Und je mehr Druck die Klimabewegung mache, weil die Zeit drängt, desto größer werde auch das Risiko, dass „über neue ‚Schockstrategien‘ herrschende Mächte“ gestärkt werden.

Klimatechnologien in der Hand privater Unternehmen schaffen dauerhafte Abhängigkeiten, zumal – besonders bei den SRM-Techniken – gefährliche „Terminationsschocks“ drohen, wenn die Klimabeeinflussung nicht auf Dauer durchgeführt wird. Denn sobald die technischen Maßnahmen beendet werden, „setzen die erwärmenden Folgen der angestiegenen Treibhausgaskonzentrationen innerhalb weniger Jahre wieder ein“.

Für CCS ist beispielsweise vorgesehen, dass „nach mehreren Jahrzehnten die Haftung auf den Staat übergeht und dieser dann die ‚Ewigkeitskosten‘ tragen muss, nachdem die Betreiber die Profite eingefahren haben“. So erstaunt es nicht, dass auch Bill Gates und andere Tech-Milliardäre in Climate Engineering investieren.

Die Logik der Naturbeherrschung stelle schon jetzt die menschliche Zivilisation in Frage und das Geoengineering treibe „diese Beherrschung der natürlichen Welt auf die Spitze“, warnt Schlemm. Statt die Natur zum Zweck der CO₂-Speicherung zu instrumentalisieren, sei eine grundlegende Veränderung im Verhältnis des Menschen zur Natur notwendig und die Anerkennung der Erde als ein lebender Organismus.

Die Autorin plädiert dafür, dass „nur naturnahe Techniken in einem verträglichen Ausmaß, d.h. mit der Nahrungsmittelproduktion und Biodiversität verträglich, eingesetzt werden“. Zuerst müsse es darum gehen, „die natürlich vorhandenen Wirkmöglichkeiten der natürlichen Senken auf dem Land und in den Ozeanen zu stärken“ und Rodungen zu stoppen. Auch naturnahe Maßnahmen dürften „nicht zum Feld für neue Profitmacherei werden“.

Beeindruckender Fundus

Etwa die Hälfte des Buches widmet sich den verschiedenen technischen Methoden des Climate Engineering. Dabei können der Detailreichtum und die Fülle an Zitaten und Verweisen mitunter verwirren, was jedoch nicht der Autorin angelastet werden soll, sondern dem komplexen Thema. In der anderen Hälfte geht es um die gesellschaftspolitische Einordnung dieser Technik-Fixierung.

Mit über tausend Anmerkungen und 39 Seiten Quellenangaben gibt dieses Buch ein erschreckendes Bild von einem Thema, das noch viel zu wenig öffentlich diskutiert wird. Um mit diesem beeindruckenden Fundus arbeiten zu können, wäre es hilfreich, wenn das Buch zusätzlich zur Druckfassung auch digital vorliegen würde, mit anklickbaren Links und vor allem durchsuchbar, denn einige Aspekte werden an verschiedenen Stellen angesprochen. Bisher ist dies leider nicht der Fall.

Ihre bisherigen Erkenntnisse möchte Annette Schlemm in eine notwendige öffentliche Debatte über Climate Engineering einbringen. Immer wieder betont sie überzeugend, dass es vorrangig um grundlegende Veränderungen von Lebensweise und Gesellschaftssystem gehen muss: „Wenn wir kein Climate Engineering wollen, müssen wir eine neue Gesellschaft wollen.“

Der Artikel von Elisabeth Voß erscheint in der Ausgabe Oktober/November 2024 der Berliner Umweltzeitung  „Der Rabe Ralf“.
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Annette Schlemm:
Climate Engineering
Wie wir uns technisch zu Tode siegen, statt die Gesellschaft zu revolutionieren
Mandelbaum Verlag, Wien/Berlin 2023
322 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-99136-507-5

Wer sich einen Überblick über das Thema verschaffen möchte, kann sich vom Blog der Autorin ein Poster herunterladen: philosophenstuebchen.wordpress.com/poster

Weitere Informationen: www.klimascheinloesungen.de 

Der Originalartikel kann hier besucht werden