Hochwasser in Österreich ist ein Teil der Klimakrise. Sie ist die größte Bedrohung für unseren Wohlstand. Im Wahlkampf hat sie dank großer Teile der Politik und Medien bisher nahezu keine Rolle gespielt. Und auch jetzt wollen die üblichen Verdächtigen lieber nicht darüber reden. Ein Kommentar von Tom Schaffer.

“Katastrophengebiet”. Nicht einmal eine Woche nachdem viele von uns im Extremhitze-Sommer noch im Freibad gelegen sind, gehen große Teile Österreichs in einem Jahrhunderthochwasser unter. Es ist nach 2002 das zweite Jahrhunderthochwasser in diesem Jahrhundert. Vielleicht war es mancherorts sogar ein „Jahrtausendereignis„. Worte kommen oft nicht hinterher, wenn die Wirklichkeit sich verändert.

Und das tut sie. Denn: Das ist kein kurzfristiges Problem. Das Wetter spielt nicht verrückt. Es tut, was die Wissenschaft uns seit 40 und mehr Jahren vorhersagt. Es wird extremer. Auf mehr Hitze folgt mehr Regen oder Schnee. Auf lange Wochen, wo wir uns unter einem schönen, alten Baum ein Lüftchen herbeisehnen, folgen heftige Stürme, die diesen Baum entwurzeln. Wo gerade noch verbrannte Wiesen waren, ist nun eine reißende Flut, die das Wasser in unsere Keller drückt. Tausende Menschen starben diesen Sommer an den Folgen der extremen Hitze, nun weil sie den Fluten nicht entkommen oder weil sie beim Versuch anderen zu helfen ihr Leben riskieren.

Die Klimakrise ist da

Hochwasser gab es natürlich schon immer. Aber Regionen in Mitteleuropa haben seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie ein solches Wetter-Ereignis erlebt, sagen Meteorolog:innen. Wir haben davor auch noch nie einen so heißen Sommer wie 2024 erlebt. Es ist schwer zu sagen, welches dieser Ereignisse es sowieso oder eben nicht gegeben hätte (aber wahrscheinlich spielt die Erderhitzung auch konkret in diesem Fall eine Rolle). Aber dass diese extremen Situationen immer schneller aufeinander folgen, das ist die menschengemachte Klimakrise.

Der Grund dafür, dass die Naturereignisse ärger werden: Wir Menschen pumpen immer noch Treibhausgase in großen Mengen in die Atmosphäre. Wir verbrennen fossile Energieträger, statt unsere Wirtschaft und unseren Verkehr nachhaltig umzubauen. Wir kennen die Alternative, aber wir bauen sie nicht schnell genug aus. Und wir betonieren die Natur täglich Fußballfeld für Fußballfeld zu. Die nächsten Einkaufszentren und Lagerhallen am Ortsrand sind wichtiger als Böden zu schützen, die in der Hitze besser kühlen und bei schwerem Regen mehr Wasser aufnehmen könnten. Wir sind nicht schnell genug darin, unseren immer gefährlicheren Flüssen wieder natürliche Überschwemmungszonen zurück zu geben.

Die Sprache ändert sich, weil die Welt sich ändert

Haben Expert:innen uns einst noch das Verhindern des menschengemachten “Klimawandels” empfohlen, sind wir längst zum Verwalten der “Klimakrise” übergegangen. Die 1,5°C-Grenze der Erderhitzung, zu der wir uns eigentlich verpflichtet haben, ist realistisch nicht mehr haltbar. Anpassung ist das neue Zauberwort. Das verdeckt manchmal den Blick darauf, dass man sich an manches anpassen kann, aber nicht an alles. Und die Veränderung bleibt nicht einfach stehen. Jedes Kilo Treibhausgas, das wir weiterhin ausstoßen, bringt uns einer “Klimakatastrophe” näher. Jeder zusätzliche Zehntelgrad wird unseren Lebensraum weniger bewohnbar und unsere Anpassung an die neuen Verhältnisse schwieriger bis unmöglich machen.

Im aktuellen Wahlkampf wurde über das Thema unserer Zeit so gut wie gar nicht geredet. Die Boulevardmedien schreiben wochenlang lieber über herbei fantasierte Gender- und Kulturkampf-Themen und Asyl-Krisen. Die Qualitätsmedien hüpfen deren Themengebung zu oft nach. Die Klimapolitik hatten im Wahlkampf-September auch Qualitätsmedien wie Der Standard oder Die Presse nicht auf der Titelseite. Und sogar in den ORF-Wahlduellen konfrontierte die Moderation den grünen Vize-Kanzler und den FPÖ-Chef lieber mit den von Rechtsaußen gesetzten Themen Coronapolitik und Migration.

Nur eine Partei drängt auf Veränderung

Und die Politik? Von den politischen Parteien im Parlament haben nur die Grünen das Klima zum zentralen Thema im Wahlkampf gemacht. Man kann zu ihnen stehen, wie man will, aber hier sind sie die klare, positive Ausnahme. Sie mussten auch in der Regierung in den vergangenen fünf Jahren viel politische Energie aufwenden, um nach jahrzehntelangem Rückwärtsgang endlich wenigstens ein bisschen was weiter zu bringen. CO₂-Preis und Klimabonus, Klimaticket und Solar-Ausbau, Zustimmung zum Renaturierungsgesetz und zumindest eine Autobahn-Bremse kamen dabei raus. Aber egal, ob Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, Klimagesetz, “Nationaler Energie- und Klimaplan” oder Renaturierung – die grünen Vorstöße wurden von anderen blockiert, wo und solange es nur ging. Allen voran vom Koalitionspartner der Grünen.

Andere Parlaments-Parteien sagen zu dem Thema vor allem dann etwas, wenn sie müssen. Und selbst wenn SPÖ und Neos das Thema zumindest dann einigermaßen ernst nehmen, können nicht von sich behaupten, dass sie bisher ähnlich viel politische Energie wie die Grünen aufwenden, um den Klimaschutz voranzutreiben. Sie reden schon lieber über anderes (fairerweise: es gibt natürlich auch andere wichtige Themen). Im Zweifel heißt es dann trotzdem zu oft: Ausgabenbremse und Steuerabbau statt ein üppiges, sozial gerechtes Klimabudget.

Hochwasser Wienfluss, Ausschnitt Youtube

Bremsen und Leugnen

Die ehrlichen Slogans dieser Parteien wären:

“Dritte Piste bitte!”

“Ortsumfahrung now – und bitte gern ein Autobahnbau!”

“Tempolimits, nein Danke!”

CO2-Preis? Legen wir den lieber auf Eis!”

“Technologie- oder Privatjetverbot – dafür gibts keine Not!”

(Okay. Ich weiß, Wahlplakate reimen andere besser.)

Bei manchen Parteien ist es sogar besser, wenn sie einfach zum Thema schweigen. Wenn etwa die FPÖ darüber redet, leugnet sie die menschengemachte Klimakrise gegen jede wissenschaftliche Faktenbasis, wo es nur geht. “Klimakommunismus”, nennt der aktuelle Umfragenkaiser es, wenn man Politik zum Schutz unseres Lebensraumes machen will.

Die ÖVP ist kaum besser. Sie bremst als Regierungspartei Klimaschutz seit Jahrzehnten im Dienste von Industrielobbys aus. Zum “Autoland Österreich” rief uns der Kanzler aus, um gegen das unvermeidbare Verbrenner-Aus zu mobilisieren. “Die Renaturierung gefährdet unsere Ernährung”, log seine eine Partei im EU-Wahlkampf – und klagte sogar die eigene Klimaministerin, weil sie den Unsinn nicht mitmachte. “Technologieoffenheit”, fordern sie, wenn jemand eine klare Richtung vorgeben will.

Warum man jetzt darüber reden sollte

Es ist nicht ganz einfach, über diese Themen zu reden, während Menschen noch um ihr Hab und Gut bangen. Normalerweise wartet man bei Katastrophen ein paar Tage, bis Debatten über politische Konsequenzen folgen. Aber diese Katastrophe kam mit Ansage – und weggehen wird sie nicht mehr. Die

Politik ist im Hochwasser sowieso längst mittendrin. Natürlich gehört es dazu, dass Politiker:innen jetzt betroffene Gebiete besuchen. Aber es ist trotzdem auch eine politische Inszenierung zwei Wochen vor der Wahl, wenn sie in Gummistiefeln eine betroffene Miene aufsetzt. Damit haben manche immerhin schon Wahlen gewonnen – und verloren. Politiker:innen werden die heldenhaften Helfer:innen loben (zurecht), die Betroffenen zu trösten versuchen (natürlich), aber sie werden über die unerfreulichen Ursachen schweigen. Da heißt es dann: “Der Wahlkampf hat jetzt Pause”. Und: “Es gehört sich nicht, jetzt politisches Kleingeld zu wechseln.”

Aber es ist kein “Kleingeld”, wenn man endlich darüber reden will, dass wir unseren Lebensraum zerstören. Das Warten auf den “richtigen Zeitpunkt”, um eben auch über Konsequenzen und nötige Veränderungen von immer häufiger werdenden Katastrophen zu reden, das hat bisher dazu geführt, dass wir dann vergessen, genug zu tun. Weil die großen Medien wieder andere Themen gefunden haben. Weil die meisten Parteien lieber wieder über anderes geredet haben. Weil die fossile Industrie ihre Lügen wieder erfolgreich in den Vordergrund gerückt hat. Und weil der Boulevard sich mehr über Klimakleber als die Klimakatastrophe aufregt.

Die Verharmloser arbeiten schon am Spin

Die bezahlten Verharmloser:innen sind nicht blöd. Sie wissen, was sie tun. Und sie warten damit nicht. Sie gruppieren sich schon. Man kann sie in der Polit-Bubble in den Sozialen Medien beobachten – und wie ihr Spin in die Debatte sickert. Was sie sagen werden und bereits sagen: Hochwassser habe es schon immer gegeben. Österreich tue eh schon so viel für den Klimaschutz. Keine Einzelmaßnahme hätte diese Katastrophe verhindert. Die Wirtschaft und der Klimaschutz, da müsse man gaaanz vorsichtig sein. Und ganz verantwortungsschwanger werden sie uns mahnen: Jetzt nur bitte keine Anlassgesetzgebung (die machen sie man nur bei allen anderen Themen). Und alle, die ihnen widersprechen, werden diffamiert und attackiert werden.

Ihr Kampf gegen jede Vernunft hat auf der ganzen Welt skrupellose Verbündete. Von den fossilen Konzernen über die korrupten Diktaturen der Öl- und Gas-Staaten. Von ÖVP und FPÖ über die deutschen “Liberalen” bis zu Donald Trump. Die Ergebnisse dieser Politik, die schwemmt es gerade in unsere Ortschaften und Städte. Nicht nur in Österreich, sondern in großen Teilen Europas.

Menschen zittern deshalb seit Tagen, ob die Sandsäcke und Staumauern in der Nacht halten – und nicht alle halten. Unersetzbares geht verloren. Betriebe müssen ihre Arbeit einstellen und zurückfahren. Ganze Ernten in der Landwirtschaft sind vernichtet. Die Schäden des Hochwassers werden viele Millionen kosten. Die Klimakrise ist schweineteuer, Klimaschutz wäre daran gemessen lachhaft billig. Bleibt der Schutz aus, gefährdet und kostet das Leben, unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand. Und wer sich der Klimakrise wider besseres Wissen nicht entgegenstellt, ist ihre Kompliz:in.

Katastrophengebiet aufräumen

In den kommenden Tagen werden Menschen zusammenhalten. Das tun sie in schweren Zeiten meistens. Die Keller werden ausgepumpt. Österreich wird nach dieser Katastrophe wieder zusammengeräumt. Danach werden wir hoffentlich einige Jahre ohne “Jahrhunderthochwasser” und Katastrophengebiete erleben.

In der Zwischenzeit aber müssen wir das polit-mediale Katastrophengebiet aufräumen. Vielleicht schaffen wir den Anfang dieser Arbeit in den verbleibenden zwei Wochen des Wahlkampfs. Fordern wir im Wahlkampf 2024 doch noch Antworten auf die Klimakrise von den Parteien. Ansonsten ist zu hoffen, dass die Menschen am 29. September daran denken, wer dabei weiter leugnet, bremst und verharmlost oder gar keine Antwort darauf geben will.

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