Als sich die NATO vor einigen Wochen in Washington D.C. versammelte, haben wir einen Gegengipfel und eine Kundgebung abgehalten, eine Reihe von Interviews geführt, eine Reihe von Artikeln geschrieben, usw. Alle Videos und Berichte sind auf http://nonatoyespeace.org/ zu sehen und zu lesen.

Von David Swanson, World BEYOND War

Wir hatten einen minimalen Einfluss auf die US-amerikanische und weltweite Kommunikation über den NATO-Gipfel. Wir haben für das Buch von Sevim Dağdelen geworben, das in Deutschland ein Bestseller ist. Wir haben für mein Buch und das von Medea Benjamin geworben, das jetzt in mehreren Ländern veröffentlicht wird. Ich habe einen absurd kurzen Artikel über die Probleme der NATO geschrieben, der demnächst im Congressional Quarterly erscheinen wird.

Auf ihrem Gipfeltreffen hat die NATO nicht viel mehr getan, als sich selbst zu feiern und sich zu einer Fortsetzung des Bisherigen zu verpflichten. Sie erklärte die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als unumkehrbar, was jedoch weder bedeutete, dass sie unmittelbar bevorsteht, noch dass sie tatsächlich umgesetzt wird – letztlich ließ die Erklärung alles offen. Das Interesse der US-Medien galt fast ausschließlich der Frage, was die Ereignisse für die seit Jahren andauernde Präsidentschaftswahl zwischen Joe Biden und Donald Trump bedeuten könnten. Biden nannte Zelensky Putin, Harris, Trump und wirkte allgemein verwirrt. Es wurde ernsthaft über einen Wechsel des öffentlichen Gesichts nachgedacht, der schließlich auch umgesetzt wurde. Kamala Harris versprach nun die tödlichste Streitmacht der Welt und betonte die unerschütterliche Treue zur NATO. Aber es wurde nie die Frage gestellt über Bidens Unterstützung der NATO und seine Vortäuschung Trump sei ein Feind der NATO, obwohl Bidens große Behauptung darin bestand, die Militärausgaben der NATO erhöht zu haben, was Trump mehr getan hat als Biden – Trump, der jetzt 3 % des Bruttoinlandsprodukt (BIP) fordert –  und mehr NATO-Mitglieder aufgenommen zu haben, was durch einen Krieg ermöglicht, wenn nicht gar unvermeidlich wurde, der leicht hätte vermieden werden können und was wahrscheinlich zum Teufelskreis von Wettrüsten, Kriegen und der Gefahr einer nuklearen Apokalypse beitragen wird.

Einige der Diskussionen im Zusammenhang mit den Ereignissen im Juli haben mir die Argumente gegen die NATO verdeutlicht, die sich meines Erachtens in fünf Punkte gliedern lassen.

  1. Die NATO ist nach eigenem Verständnis ein Rezept zum Scheitern. Der scheidende NATO-Generalsekretär sagt, dass das Beharren auf der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine den gegenwärtigen Krieg ausgelöst hat, was natürlich den jahrzehntelangen Vorhersagen, den Beobachtungen zahlreicher kluger Leute und dem Grund für die Bezeichnung des Krieges als „unprovozierter Krieg“ entspricht, nämlich dem Ausmaß, in dem er offensichtlich provoziert wurde. Die Antwort der NATO auf diese Katastrophe ist mehr vom Gleichen, mehr Beharren auf der Erweiterung der NATO, mehr Stützpunkte, mehr Waffen, mehr Militärausgaben, mehr Drohungen und Provokationen, mehr Ablehnung von Verhandlungen, Diplomatie oder Rechtsstaatlichkeit. Und zahlreiche NATO-Vertreter:innen haben in letzter Zeit einen totalen NATO-Krieg mit Russland innerhalb von etwa fünf Jahren (wenn nicht früher) vorausgesagt – nicht, um ihn zu vermeiden, sondern um die Menschen darauf vorzubereiten – was immer das auch bedeuten mag (Vorbereitung auf Armageddon). Selbst wenn man also der Meinung ist, dass die NATO eine brillante oder unvermeidliche Idee war, die 75 Jahre lang alles perfekt gemacht hat, sollte die Tatsache, dass die NATO selbst glaubt, sie treibe uns in Richtung Atomkrieg, ein Grund sein, etwas anderes zu versuchen, selbst wenn es keine guten Optionen gäbe, sondern nur unwahrscheinliche Strohhalme, nach denen man greifen könnte.
  1. Es gibt gute Möglichkeiten. Habt ihr euch jemals das X-Konto der NATO angesehen? Sie behauptet, sie setze sich für Frieden, Sicherheit und Freiheit für eine Milliarde Menschen ein. Da sollte man sich fragen, was sie für die anderen sieben Milliarden Menschen tut und wie sie glaubt, dass die eine Gruppe Frieden haben kann und die andere nicht, und warum die eine zur internationalen Gemeinschaft gehört und die andere nicht. Jedenfalls postet die NATO am 24. August auf X ein Videointerview mit einem ehemaligen Präsidenten Lettlands, in dem er erzählte, wie sich die baltischen Staaten durch gewaltfreie Aktionen von der sowjetischen Herrschaft befreit haben – im Grunde die Geschichte, die in dem wunderbaren Film „Die singende Revolution“ zu sehen ist. Die Tatsache, dass die NATO von der falschen Behauptung, sie selbst habe etwas mit der Unabhängigkeit der baltischen Staaten zu tun gehabt, abrückt und mit der Errungenschaft des überlegenen Instruments der unbewaffneten Zivilverteidigung werben konnte, zeigt, wie wenig sich die NATO darum kümmert, dass es überhaupt jemand bemerkt. Aber unbewaffnete Verteidigung ist eine gute Option, die von den Regierungen nur deshalb verschmäht wird, weil die Regierungen ihre eigene Bevölkerung fürchten. Verhandlungen sind eine gute Option, die in der Ukraine aufgrund des Drucks von außen, der USA und des Vereinigten Königreichs, gescheitert ist.
    Rechtsstaatlichkeit, Abrüstung, Entmilitarisierung und Zusammenarbeit sind sehr gute Optionen. Der größte Teil der Welt ist gegen die NATO und unterstützt in Umfragen diese anderen Ansätze, aber der größte Teil der Welt sind die 7 Milliarden, die nicht zählen, wenn es im Namen der Demokratie Waffen zu verkaufen gibt.
  2. Die NATO ist nicht das, was sich ihre Befürworter:innen unter ihr vorstellen.
    Die NATO ist weder legal noch legalistisch. Sie verstößt gegen die Charta der Vereinten Nationen, wenn eine Gruppe von Nationen schwört, sich an den Kriegen der anderen zu beteiligen, und sollte sie dies jemals tun, würde dies einen Krieg weder legalisieren, noch autorisieren, noch legitimieren oder entschuldigen. Krieg ist ein Verbrechen, und wenn sich eine größere Gruppe daran beteiligt, ist das Verbrechen einfach größer. Aber die NATO hat noch nie einen Krieg zur Verteidigung gegen eine Invasion oder einen Angriff oder auch nur eine Bedrohung eines NATO-Mitglieds geführt. Die NATO hat nur ein einziges Mal verlangt, dass sich alle ihre Mitglieder an einem Krieg beteiligen, und das war der bereits begonnene Krieg der USA gegen Afghanistan – mit den vorhergesagten katastrophalen Folgen. Die anderen Kriege der NATO in Jugoslawien, Irak und Libyen waren Angriffskriege gegen das Völkerrecht; im Gegenteil, die Beteiligung der NATO wurde der Welt so präsentiert, als sei sie selbst die rechtliche Grundlage. Die NATO hat enorme Mittel für diese Propaganda aufgewendet.
  3. Die NATO ist in erster Linie ein Waffenhändler. Sie hat mehr Personal, das mehr Geld für die Vermittlung von Waffenverkäufen verwaltet als für alles andere, was sie tut. Die NATO verkauft Waffen an ihre Mitglieder und setzt sie unter Druck, immer mehr für Waffen und immer weniger für Menschen und Umwelt auszugeben. Die NATO verkauft auch Waffen an ihre Partner:innen, Dutzende von ihnen, die über den ganzen Globus verteilt sind, darunter die schlimmsten und schamlosesten Diktaturen der Welt. Dass dies die Haupttätigkeit der NATO sein kann und die NATO sich immer noch als Verfechterin der Demokratie verkaufen kann, mag an den Mitteln liegen, die der NATO zur Verfügung stehen und die die Friedensbewegung nicht hat, um in die Produktion von Videos, Grafiken und sozialen Medien zu investieren.
  4. Die NATO ist brutal demokratiefeindlich, nicht nur in der Welt insgesamt, sondern auch innerhalb ihrer eigenen Verwaltung. Sie stimmt über nichts ab. Sie trifft ihre Entscheidungen, indem die US-Regierung andere Mitglieder bedroht und besticht, bis sie alle zustimmen. Dann tut der nicht gewählte Generalsekretär so, als sei er ein Weltführer, und läuft herum und verlangt von Präsidenten und Premierministern, dass sie tun, was er sagt. Das ist eine Bedrohung für die Demokratie, nicht ihre glorreiche Verteidigung. Ein relativ subtiles Mittel, um gegen die NATO vorzugehen, wäre, dass ihre Mitglieder sie als eine Bastion der Demokratie feiern und verlangen, dass sie interne demokratische Verfahren einführt, ohne dass diejenigen, die gleicher sind als andere, ein Veto einlegen können. Wenn wir das tun, wird die US-Regierung die NATO für uns schließen.

In dem Maße, in dem Kanada sich weigert, so viel Geld in die Kriegsmaschinerie zu stecken, wie es die NATO verlangt, sollte man es feiern und ihm danken und es ermutigen, weiter in die Richtung „Nein zur NATO“ zu gehen. Wenn die NATO-Mitglieder das Spiel der NATO mitspielen, erreichen sie in erster Linie, dass unglaublich unwissende Mitglieder der amerikanischen Öffentlichkeit davon überzeugt werden, dass irgendetwas vage Legales die Massenmorde legitimiert hat. Dadurch besteht zunehmend die Gefahr, dass wir in einen Atomkrieg getrieben werden.

Wenn man NATO-Befürworter:innen ihre Argumente gegen die NATO vorträgt, kann man sich natürlich leicht selbst in den Fuß schießen, indem man die kindliche Vorstellung übernimmt, dass die erklärten Feind:innen der NATO alle heilige Quellen der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der friedlichen Harmonie sind. In der Tat wird man kaum eine Chance haben, jemanden dazu zu bringen, sich die vorstehenden Fakten über die NATO anzuhören, bevor man nicht erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um der Person klar zu machen, dass man sich des Übels des Krieges bewusst ist, auch wenn Russland ihn führt. Nichts macht das Einebnen von Dörfern akzeptabel, nicht einmal die Opposition gegen die NATO. Nichts trägt mehr dazu bei, die NATO zu stärken und uns zu weiterem Blutvergießen zu verdammen, als wenn die Feind:innen der NATO ihr Spiel mitspielen, in ihre Fallen tappen und Männer, Frauen und Kinder unter dem Banner des Widerstands abschlachten. Man kann anderer Meinung sein, aber nur um den Preis des eigenen Anstands, der eigenen Überzeugungskraft und der Glaubwürdigkeit, sich als Friedensaktivist:in zu bezeichnen.

Was wir brauchen, ist nicht ein Gleichgewicht der Kräfte oder ein sogenannter militärischer Erfolg. Was wir brauchen, ist das, was die NATO vorgibt zu wollen: Macht für das Volk und Institutionen, die Verbrecher:innen weltweit zur Rechenschaft ziehen. Die NATO könnte uns in dieser Hinsicht einen Gefallen tun, wenn sie ihr nächstes Treffen praktischerweise im Juni in Den Haag abhält. Ich hoffe, wir sehen uns dort.

Anmerkungen zum Webinar des kanadaweiten Netzwerks für Frieden und Gerechtigkeit am 28. August 2024

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Der Originalartikel kann hier besucht werden