Liebes weißes, rosafarbenes, schwarzes, blaues oder violettes Mädchen: Ich habe das Gefühl, dass wir bereits Freunde sind, weil wir dich so oft erwähnt und nach dir gesucht haben, weil wir so oft auf die Plätze gegangen sind und Kerzen für dich angezündet haben; wir sind Tausende, Millionen, die dich zum Widerstand auffordern. Vom ersten Tag an warst du mutig und du weißt, dass wir ohne dich dieses unvollkommene Wunder, das wir Leben nennen, nicht voranbringen können. Es gibt keine Absichten, Kapital und Strategien, die uns nützlich sein könnten, wenn du dich geschlagen gibst.

Ich habe mich entschieden, dir so zu schreiben, mit offenen Worten und vor allem, weil ich dich um Verzeihung bitten muss. Ich habe dir tausendmal gesagt, dass du auf mich zählen kannst, aber ich konnte mich nicht so um dich kümmern, wie es meine Plicht gewesen wäre, und ich habe es nicht geschafft, zu verhindern, dass sie dich misshandeln. Einige schießen auf dich, andere sagen dir, dass du nichts weiter als eine Utopie bist, und du bleibst im Fadenkreuz von Heckenschützen, die sich im Schatten und in den Voraussagen der Skeptiker verstecken.

Du warst verletzlich, heldenhaft und hartnäckig, und es ist verständlich, dass du dich oftmals erschöpft fühlst, denn du bist ein Mädchen, das älter ist als die Zeit, und die Last der Geschichte wiegt schwer auf dir. Du versuchst seit Jahrhunderten, die Wunden zu heilen, die dir von denen zugefügt wurden, die im Namen eines Gottes, für eine Prinzessin oder für die Rechte des Volkes kämpfen; von denen, die töten, um Mauern, Grenzen und Vermögen zu errichten oder einzureißen; von den Besitzern von Rache, von Kilos und Kilometern von Gold und Heroin; von den Wahnsinnigen, die Tote, Schlachten und Reichtümer anhäufen. Du wurdest mit Speeren durchbohrt, du wurdest in Käfige, in Fallen und in Gefängnisse gesperrt, und es wurden Bomben aus Flugzeugen auf dich abgeworfen, die Körper und Wolken zerschlagen; du wurdest in Gaza und in Vietnam, in der Ukraine und in Cauca vergewaltigt; du wurdest in El Salvador und in Auschwitz, in Haiti und in Sinaloa gefoltert; auf dem Peloponnes, in Bosnien und in New York, in Francos Spanien, im Atompilz von Hiroshima und in der Diktatur von Santiago hat man dir die Flügel gebrochen. Sie haben dich, durch ich weiß nicht wie viele Verordnungen und Hinrichtungen, durch gesetzliche und geheime Bestimmungen, durch Kriegserklärungen und gebrochene Versprechen getötet; aber du liebes weißes, rosafarbenes, schwarzes, blaues oder violettes Mädchen, vergiss niemals, dass du jedes Recht der Welt hast, von Hafen zu Hafen und von Berg zu Berg zu ziehen, ohne dass dich jemand aufhält.

Wir werden weiterhin fordern, dass man dich nicht erschießt, dass man dich nicht belügt oder ignoriert, und wo du nicht existierst, werden wir dich aufbauen, und so oft wie du besiegt wirst, geben wir dir die Kraft, um wieder aufzustehen.

Liebes weißes, rosafarbenes, schwarzes, blaues oder violettes Mädchen, gib nicht auf! Denn wenn eines Tages niemand mehr übrigbleibt, hat sich nichts gelohnt; und die Götter werden ihre Niederlage beklagen und sich – nun hoffnungslos – fragen, warum sie sich so getäuscht haben, und was sie auf ihrem Olymp, in ihrem Himmel oder in ihrem Yanna getan haben, während hier auf der Erde die professionellen Krieger, die immer Desinteressierten und die Verletzten von einst, dir den Sauerstoff der Hoffnung abstellten. Du und ich wissen, dass uns weder Traurigkeit, noch Protokolle, noch Reue etwas nützen werden, wenn eines Tages die Sonne nicht mehr aufgeht und die Welt nur noch aus dem Tosen der Stille oder des Feuers besteht.

Liebes weißes, rosafarbenes, schwarzes, blaues oder violettes Mädchen, Pax, Frieden, Pace, Peace, Paix oder Salam… die ganze Hoffnung der Welt passt in deine Buchstaben, und Tausende von Händen werden dir so oft wie nötig schreiben müssen – wie Éluard es mit der „Freiheit“ tat  – bis du zur Gewohnheit wirst, bis du die wichtigste Lektion in den Schulen und die stärkste Wahl auf den Plätzen bist; bis es unvorstellbar ist, dass du nicht existierst und jeder Bewohner dieses Planeten beseelt und unbewaffnet ist.

Lieber Frieden, Mädchen mit so vielen Farben, Herausforderungen und Segnungen, egal wo und wie der Wind weht, du lebst!

Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Der Originalartikel kann hier besucht werden