Christof Leisinger für die Online-Zeitung INFOsperber
Maulheld, Meinungsmacher, Machtmensch oder einfach nur getriebener Opportunist? Wie auch immer – Donald Trump hat gerade enormen Aufwind. Die Presse feiert den jüngst noch höchst umstrittenen 78-Jährigen als «politisches Genie», nachdem er bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Provinz instinktiv mit telegener Heldenpose auf ein haarscharf fehlgeschlagenes Attentat reagiert hatte.
Die zweite Amtszeit sei dem «Messias» praktisch nicht mehr zu nehmen, weil er bei der Präsidentschaftswahl im November haushoch gewinnen werde. Die Demokraten hätten gegen die «geeinten» Republikaner keine Chance, selbst nachdem sie den altersschwachen Amtsinhaber Joe Biden kurzfristig noch gegen einen agileren Kandidaten wie die Vizepräsidentin Kamala Harris austauschen wollen, heisst es in diesen Tagen allenthalben.
Auch für die «Paypal-Mafia» ist Trump ein Held
Die Medienlandschaft hat sich offensichtlich von Trumps «heroischen Anwandlungen» und vom euphorisierenden Parteikonvent der Republikaner in Milwaukee anstecken lassen. Dort haben sich die Mitglieder gegenseitig gefeiert und wider besseres Wissen – die angestrebte Wirtschaftspolitik ist widersprüchlich, kurzsichtig und wird wohl die systemischen Risiken vergrössern – die Aussicht auf eine angeblich glänzende Zukunft für die bisher politisch und wirtschaftlich Benachteiligten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten unter ihrer Führung verbreitet.
Offensichtlich auch zur Freude der «Paypal-Mafia». Damit sind vor allem Peter Thiel, David Sacks und Elon Musk gemeint. Dieses Dreigestirn war mit der Gründung, der Entwicklung und dem späteren Verkauf des Zahlungsverkehrsunternehmens Paypal vor etwa 20 Jahren reich geworden, hatte das Vermögen durch geschickte Folgeinvestitionen stark vermehrt und hat auch heute noch erhebliche betriebswirtschaftliche Eigeninteressen.
Musk zum Beispiel ist auf enorme Subventionen und staatliche Aufträge in aller Welt angewiesen, um die Kapazitäten seiner Autofabrik Tesla oder seines aufstrebenden Raumfahrtunternehmens SpaceX auszulasten. Die Interessen Thiels sind ähnlich gelagert, weil er zum einen an SpaceX beteiligt ist und weil er zum anderen zu den Gründern der ominösen Software-Firma Palantir gehört, welche wiederum auf den amerikanischen Staat als massgeblichen Kunden angewiesen ist.
Wen wird es also überraschen, dass Musk Trump nicht nur umschmeichelt, sondern unmittelbar nach dem Attentat sogar ankündigte, dem inzwischen frisch gekürten Präsidentschaftskandidaten bis zur Wahl im November monatlich indirekt 45 Millionen Dollar zukommen zu lassen. Der bekannte Milliardär wird also weit mehr als 100 Millionen Dollar in die Hand nehmen, um Trump zurück ins Weisse Haus zu verhelfen. Das ist selbst für amerikanische Verhältnisse eine gewaltige Summe, die natürlich an entgegenkommende Erwartungen gebunden ist, falls Trump tatsächlich für eine zweite Amtszeit gewählt werden sollte.
Offensichtlich lockt künftig im Erfolgsfall eine direkte Verbindung ins Weisse Haus, möglicherweise sogar eine beratende Rolle in der Regierung. Schon heute gibt es offenbar einen regen Austausch zwischen den beiden Männern: Im Rahmen der Tesla-Hauptversammlung im Juni hatte Musk erzählt, Trump rufe ihn öfters «aus heiterem Himmel» an.
Thiel kennt Trump schon seit seiner ersten Präsidentschaft, und er zieht hinter den Kulissen schon eine Weile strategisch die Fäden zu seinen eigenen Gunsten. So hat er jüngst nicht nur massgeblich dazu beigetragen, dass die Republikaner den Senator J.D. Vance aus Ohio zum Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten machten, sondern er hat den Mann praktisch über Jahre hinweg alimentiert und genau auf diese Gelegenheit vorbereitet. Der «Underdog vom Land» hatte seinen scheinbar erfolgreichen Werdegang in einem gut verkauften Buch veredelt. Heute verspricht der Sohn einer einst drogensüchtigen Mutter das Comeback der Arbeitnehmerinteressen ins Zentrum der Politik.
Selbst die Tech-Überväter wollen nun Trump unterstützen
«Wir sind fertig mit der Wall Street», rief der opportunistische Populist jüngst auf dem Parteitag den johlenden Anhängern zu. Schon etwas früher hatte er sich für Fortschritte in der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz ohne grosse Regulierung, für die Lockerung der Vorschriften im Umgang mit an sich wertlosen Kryptowährungen und andere Themen ausgesprochen, die den verschiedensten Interessenvertretern mit starkem Gewinnstreben auf Kosten der Allgemeinheit am Herzen liegen.
Die libertären Erzkapitalisten wollen mit ihren Aktivitäten um jeden Preis möglichst hohe Gewinne erzielen, aber die sozialen und sonstigen Risiken möglichst auf andere abwälzen. Längst hat sich auch Trump vom Krypto-Kritiker in einen Krypto-Freak verwandelt, weil diese «Industrie» verspricht, ihn mit Wahlkampfspenden zu überschütten. Bei einer privaten Spendensammlung am 27. Juli in Nashville müssen Krypto-Vertreter 844’600 Dollar für einen Platz an einem runden Tisch mit Trump berappen. In den vergangenen Jahren sind die Lobby-Ausgaben der selbst ernannten Industrie nur so explodiert, auch in der Schweiz.
Die «Krypto-Mafia» erkauft sich die politische Gunst. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.
Stand die Technologieszene aus dem Silicon Valley traditionell der Demokratischen Partei nahe, so desertieren offensichtlich immer mehr. Neben Musk, Thiel und Sacks kann Trump inzwischen auch auf die Unterstützung von Joe Lonsdale verlassen, einen früheren Paypal-Praktikanten, den Gründer des Wagniskapitalfinanzierers 8VC und Mitgründer von Palantir. Selbst die Tech-Überväter Marc Andreessen und Ben Horowitz wollen Medien zufolge bald zum ersten Mal ihre Portemonnaies für Trump öffnen. Ihre politischen Bemühungen konzentrieren sich darauf, Startups, die sie als «Little Tech» bezeichnen, vor staatlichen Regulierungen zu schützen, welche ihrer Meinung nach die Position der etablierten Big-Tech-Unternehmen zementieren.
Im Valley gebe es einen »Vibe« des »lasst uns etwas erschaffen, uns herstellen und lasst uns in Ruh«, heisst es. In Trump sehen immer mehr Entrepreneure und Kapitalgeber jemanden, der »sie machen lässt, was sie wollen« – und dafür öffnen sie im Wahlkampf bereitwillig ihre Portemonnaies. Kritiker dürften sich fragen, ob das noch Kapitalismus ist oder schon Korruption. Das ändert allerdings nichts daran, dass sich Trumps Wahlkampfkasse in jüngerer Vergangenheit deutlich gefüllt hat. Mit Einnahmen von 430 Millionen Dollar bis zum 20. Juli hat er gemäss Informationen von Open Secrets inzwischen sogar die finanziellen Möglichkeiten des inzwischen zurückgezogenen Joe Biden überrundet. Angesichts zunehmender Kritik an dessen Alter war aufgrund seiner Missgeschicke früh absehbar, dass er wohl nicht der demokratische Kandidat für die nächsten vier Jahre sein kann.