Der österreichische Satiriker Karl Kraus soll gesagt haben: „Wenn die Welt untergeht, dann gehe ich nach Wien. Dort passiert alles zehn Jahre später.“ Ein Befund über das weltanschauliche Lokalkolorit Österreichs und im Einklang mit dem berühmten „Schau ma’ mal“. Doch in einer stürmischen Zeit der Veränderung droht dieser gewohnte Ansatz krachend zu scheitern. Klimakrise, Digitalisierung, Demografie und Gesundheitsrisiken stellen Wirtschaft, Industriestandort und Innovationsysteme Österreichs in bisher ungeahntem Ausmaß und Geschwindigkeit vor Herausforderungen. Eine stärker auf die gesellschaftlichen Herausforderungen ausgerichtete Innovationspolitik kann in deren Lösung helfen. Doch was braucht es dazu?

Jasmo Nickol und Michael Soder für A&W-Blog

Gesellschaftliche Missionen: ante portas

Die aktuellen und mitunter globalen gesellschaftlichen Herausforderungen von Klimakrise, Demografie und Gesundheit verlangen aufgrund ihrer Komplexität von uns neue Antworten. Denn die althergebrachten Lösungen erweisen sich immer mehr als unzureichend. Unsere wirtschafts- und innovationspolitischen Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit müssen ebenso vielschichtig sein wie sie selbst. Es ist höchste Zeit, sich an integrative Lösungen zu wagen, politische Missionen zu definieren und diese auf Ziele, Akteure und Instrumente herunterzubrechen. Dabei geht es nicht nur darum, technische oder ökonomische Probleme zu lösen, sondern den Wandel selbst einzuleiten und negative soziale Auswirkungen der Veränderung aktiv zu vermeiden.

Das Innovationssystem kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, indem es auf die großen gesellschaftlichen Missionen ausgerichtet wird und die relevanten wirtschaftspolitischen Akteure in ihrer Koordinierung und Abstimmung unterstützt. Dazu braucht es eine Ausrichtung an gemeinsamen Zielen, welche von Hochschulen über Förderagenturen bis hin zu den Unternehmen und den angewandt Forschenden selbst verfolgt werden, und die entsprechenden Strukturen sowie finanzielle und organisatorische Kapazitäten, um diese zu koordinieren. Auch müssen Missionen sektorübergreifend angelegt werden, damit sie der Komplexität der Herausforderungen gerecht werden können. So sind bestehende Silos im Organisationssalat aus Verwaltung, Förderagenturen, Universitäten und Leitbetrieben zu überwinden, um bereits vorhandene Technologien und bewährte Verfahren rascher zu diffundieren und gleichzeitig Raum für Experimente zu schaffen.

Missionen, wie bitte?

Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Missionen haben zum Ziel, Ressourcen zu bündeln, Politikinstrumente abzustimmen, negative Nebeneffekte zu vermeiden und Akteure zu koordinieren. Zum Beispiel verfolgt die Europäische Union im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon Europe fünf zentrale Missionen, welche in der Folge auch in Österreich umgesetzt werden sollen. Die Europäische Kommission benennt als europäische Missionen fünf Themenfelder:

  1. Mission CANCER: Krebs besiegen – Mission Possible
  2. Mission CLIMATE: Ein resilientes Europa, um dem Klimawandel zu begegnen
  3. Mission OCEAN: Mission Starfish: Unsere Meere und Gewässer bis 2030 regenerieren
  4. Mission CITIES: 100 klimaneutrale Städte bis 2030 – mit und für die Gesellschaft
  5. Mission SOIL: Gesunde Böden für ein gesundes Leben

Um diese Missionen erfolgreich in den bestehenden verwaltungstechnischen und organisatorischen Rahmen umzusetzen, braucht es nicht nur den politischen Willen zur Gestaltung sowie personelle wie finanzielle Ressourcen, sondern auch die Beteiligung der unterschiedlichsten Akteure und politischen Umsetzungsebenen. Neue und vielfältige Aufgaben kommen damit auf die Verwaltung zu. Sie muss fit für ihre Rolle als Entwicklerin, Fördererin und Ziel-Überwacherin werden.

Grafik: Missionen © A&W Blog

 

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