Ein neuer Gesetzentwurf diskriminiert Ausländer und schränkt ihre Grundrechte ein. Applaus kommt von rechts und extrem rechts. Wer keinen deutschen Pass hat und gegen Krieg und Menschenrechtsverletzungen eintritt, lebt in Zukunft gefährlicher!
Vor wenigen Monaten deckte CORRECTIV die Pläne und Überlegungen aus dem Umfeld rechter und rechtsextremer Parteien auf, migrantische Menschen zu „remigrieren“ bzw. zu „deportieren“. Ein Sturm der Entrüstung mit Massenprotesten und Massendemonstrationen durchbrandete die gesamte Republik. Unter den Protestlern auch etliche Vertreter der Ampelparteien.
Die politische Realität hat die rechten Pläne nun für die Gruppe der „Ausländer ohne deutschen Pass“ brutal eingeholt.
Schon ein einzelner Kommentar oder Like im Netz soll reichen: Wer „terroristische“ Taten im Netz billigt, soll „problemlos“ aus Deutschland ausgewiesen werden können. Nicht einmal eine gerichtliche Überprüfung soll mehr vor der Abschiebung gewährleistet sein.
Das Kabinett beschloss dazu einen Vorschlag von Innenministerin Nancy Faeser.
Aber geht es wirklich darum, generell gegen gewaltverherrlichenden Rassismus und das Bejubeln von Menschenrechtsverletzungen vorzugehen? Das Gesetz ist selbst „Ausländer diskriminierend“. Und bisherige Praxis und Erläuterungen zum Gesetz machen klar: was „Terrorismus“ ist, geben letztlich allein staatliche Exekutive und Regierung vor. Träger kontroverser Meinungen sollen, vor allem wenn es die „Staatsräson“ zu Israels Politik betrifft, ausgegrenzt und leichter mundtot gemacht werden können. Und „verhältnismäßig“ ist die Ausweisung und gegeben falls Totalvernichtung einer Existenz wegen eines Likes sicher auch nicht.
Die Junge Welt bringt es auf den Punkt: „Wer also glaubt, das Gesetz könnte zum Beispiel auch jene treffen, die etwa die israelischen Kriegsverbrechen im Gazastreifen bejubeln, täuscht sich. Der Beschluss richtet sich ausdrücklich »gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz«, wie Faeser betonte. Durch die Verwässerung des Antisemitismusbegriffs, der zunehmend auch Kritik an der israelischen Kriegs- und Besatzungspolitik umfasst, wird das Gesetz so zu einem »Gummiparagraphen«, der sich gegen jeden ohne deutschen Pass richten kann, der den palästinensischen Freiheitskampf unterstützt. Aber auch in Deutschland lebende Kurden, die Aktionen der PKK-Guerilla in der Türkei begrüßen, könnten ins Fadenkreuz geraten.“ [1]
Ein schwerwiegendes Interesse des deutschen Staates an einer Ausweisung soll laut Faesers Entwurf künftig auch angenommen werden, wenn jemand bestimmte Straftaten in einer Art und Weise billigt und belohnt, die den öffentlichen Frieden stören könnte. In diesem Fall müsste eine strafgerichtliche Verurteilung vor einer Ausweisung nicht erst abgewartet werden.
Menschen zum Beispiel, die in Berlin „Stoppt das Töten, stoppt den Krieg“ skandierten und Menschenrechtler, die in vollem Einklang mit dem Internationalen Gerichtshof und UN-Institutionen Israels Vorgehen als mutmaßlichen Genozid kritisierten, wurden in den letzten Monaten von Polizei und Innenbehörden sowie großen Teilen der Presse deswegen immer wieder als „Antisemiten“ oder gar als „Judenhasser“ diffamiert. Sie wurden mit einer Flut von Repressalien überzogen. Etliche Gerichtsurteile wiesen im Nachhinein die Vorverurteilungen und behördlichen Auflagen und Maßnahmen zurück.
Nach der neuen Gesetzeslage müssen die Betroffenen nun, wenn sie keinen deutschen Pass haben, darunter auch viele Israel:innen und Jüd:innen, zusätzlich ihre Abschiebung befürchten. Gegebenenfalls nach behördlicher Willkür, ohne eine gerichtliche Überprüfung abzuwarten.
Laut Grundgesetz soll niemand wegen seiner Herkunft diskriminiert werden. Die Ampelparteien deklarieren, weltweit für „Demokratie“ einzutreten. Doch gerade das Ausländerrecht gestalten sie weiter zur Entrechtung „nicht-deutscher“ Menschen, denen verfassungsmäßige Rechte wie im aktuellen Fall die freie Meinungsäusserung eingeschränkt werden soll.
Das ist nicht nur praktisch zur Schaffung gefügiger Arbeitskräfte, sondern auch besonders einschüchternd zur Unterdrückung nicht staatskonformer Meinungen. Im Fadenkreuz steht aktuell das Verbot von Solidarität mit antikolonialen Bewegungen. Applaus gibt es dafür von rechts bis ganz rechts. Nur reicht denen die gegenwärtige Gesetzesverschärfung nicht aus. Aber manche machen sich schon vor Verabschiedung des Gesetzes auf den Weg, das Netz gegen missliebige „Ausländer“ zu durchforsten.
Zum Gesamtbild gehört. Es wurde gleichzeitig beschlossen, den deutschen Pass schon nach 5 Jahren zu vergeben. Es werden händeringend Fachleute gebraucht. Aber eben untertänigst.
Unschöne Nebeneffekte? Einige für die Digitalisierung so dringend benötigte ausländische Experten sollen schon ihre Koffer packen. Die Schaffung eingeschüchterter Arbeitnehmer, die „alles“ mit sich machen lassen, ist gelinde gesagt ein „gewerkschaftsunfreundlicher Akt“.
Wie die Exekutive inzwischen Tatsachen schafft und unabhängige Gerichtsurteile umgeht, zeigt der aktuelle Fall der Abschiebung von Maya T. nach Ungarn, bei dem sogar das Bundesverfassungsgericht durch die Berliner Generalstaatsanwaltschaft ausgetrickst wurde. Die Presse tituliert, dass das höchste deutsche Gericht und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit dabei geradezu verhöhnt wurden. [2]
Quellen:
https://www.jungewelt.de/artikel/478190.reaktion%C3%A4rer-staatsumbau-kein-like-ist-illegal.html
https://www.tagesspiegel.de/berlin/verhohnung-des-bundesverfassungsgerichts-linksextreme-queere-person-an-ungarn-ausgeliefert–berlin-bruskiert-karlsruhe-11922485.html?fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTEAAR0pMYmspgrUPxNUbOkwi2H7TdhS_YG_NcTFQN1xKVZHDK8pcoBJKvn7nu4_aem_qZOF0eMMBmjIDFq_1TcNZg
https://netzpolitik.org/2024/kabinettsbeschluss-ausweisung-schon-nach-einem-like/