Die Auswirkungen des vom Menschen gemachten Klimawandels sind auch hierzulande immer deutlicher zu spüren – Österreich hat sich seit 1980 um 1,41 Grad erhitzt. Das klingt vielleicht nach einer kleinen Veränderung, hat aber dramatische Auswirkungen auf die Natur und den Menschen. Eine Folge der Klimakrise zeigt sich in der Zunahme von längeren Hitzeperioden in den Sommermonaten. Doch was bedeutet diese Entwicklung für die Arbeitswelt, insbesondere für Frauen, die sich häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen befinden?
von Carina Altreiter und Dorottya Kickinger für A&W blog
In den letzten Jahren sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt und die gesundheitlichen Folgen von Hitzebelastungen insbesondere durch Bündnisse aus Gewerkschaftsbewegung und Klimabewegung auch in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Eine aktuelle Studien von FORBA zeigt, dass Hitze in den Betrieben zunehmend zu einem Problem wird. 61,3 Prozent der Betriebsratsvorsitzenden geben an, dass die Beschäftigten ihrer Betriebe zunehmend von Hitze betroffen sind.
In der öffentlichen Debatte gelten momentan (männliche) Bauarbeiter als Inbegriff von Hitzebelastungen, da diese als Outdoor-Worker unmittelbar hohen Temperaturen ausgesetzt sind und dazu noch körperlich anstrengende Tätigkeiten verrichten. Allerdings gibt es auch viele andere Berufe, in denen Hitze am Arbeitsplatz ein großes Thema ist. Wir möchten in diesem Blog-Beitrag der Frage nachgehen, was Hitzebelastung in der Arbeit für Frauen bedeutet. Einerseits wollen wir auf frauenspezifische Problematiken hinweisen, die hohe Temperaturen mit sich bringen, und andererseits zur Sichtbarkeit von Hitzebelastungen insbesondere in von Frauen dominierten Branchen beitragen, die oftmals unter der öffentlichen Aufmerksamkeitsschwelle liegen.
Wie wird Hitze am Arbeitsplatz von Frauen erlebt?
Für Hitze am Arbeitsplatz gilt Ähnliches wie für die Betroffenheiten durch die Klimakrise im Allgemeinen: Wen diese Belastungen wie stark treffen, ist auch eine soziale Frage. Das bedeutet: Wetterextreme sind nicht für alle gleichermaßen ein Problem, sondern abhängig davon, wie sehr jemand exponiert ist und welche Möglichkeiten jemand hat, sich davor zu schützen. Frauen sind nicht grundsätzlich hitzesensitiver als Männer, sie sind jedoch aufgrund unterschiedlicher struktureller Benachteiligungen in vulnerablen Bevölkerungsgruppen überrepräsentiert.
Die Forschung zu den Auswirkungen und Anpassungen an den Klimawandel aus einer Geschlechterperspektive sind in Europa momentan noch überschaubar. Der überwiegende Teil der Studien zielt auf den Globalen Süden ab, da sich die Folgen der Klimakrise dort bereits viel deutlicher manifestieren. Aus diesem Grund haben wir im Frühjahr 2024 Gespräche mit Betriebsrätinnen geführt, um aus erster Hand zu erfahren, was Hitzebelastungen in unterschiedlichen Branchen für Frauen in Österreich bedeuten. Diese Berichte ergänzen wir mit verfügbaren Studien aus unterschiedlichen europäischen Ländern.
Aus den Gesprächen mit Betriebsrät:innen haben wir drei Themen ausgewählt, die besonders häufig thematisiert wurden: Arbeitskleidung, sanitäre Anlagen und Hygiene sowie die Verantwortung für andere Menschen.
Arbeitskleidung: Schwitzen im Plastiksackerl
Eine Betriebsrätin erzählt, dass nach einem Wechsel des Bekleidungsausstatters die Arbeitskleidung nun überwiegend aus minderwertigem synthetischem Material besteht, wodurch die Beschäftigten schneller schwitzen. „Das G’wand ist wie ein Plastiksackerl“, meint sie. Die Betriebsrät:innen wünschen sich dort, wo es möglich ist, luftigere Arbeitskleidung aus natürlichen Materialien, sehen aber andererseits die Gefahr sexueller Belästigung wenn diese zu „durchsichtig“ ist. In einigen Branchen ist an bestimmten Arbeitsplätzen zusätzlich zur Berufskleidung noch spezielle Schutzkleidung notwendig. Diese ist zum Schutz der Beschäftigten wichtig, bedeutet bei hohen Temperaturen aber zusätzliche Belastungen. Eine Betriebsrätin aus dem Gesundheitsbereich nennt den Infektionsschutz: „Das heißt extra Kleidung, zwei paar Handschuhe, eine Plastikschürze usw.“ Durch die zusätzlichen Kleidungsschichten kann der Körper seine Temperatur noch schwieriger regulieren. Studien aus Deutschland oder Großbritannien haben diese Belastungen durch Schutzkleidung während der Covid-19-Pandemie untersucht. 95 Prozent der Befragten gaben an, an heißen Tagen in der Schutzkleidung Schwierigkeiten zu haben, zu atmen. 88,6 Prozent gaben an, das sie für Patient:innen mehr Zeit benötigten, 85,8 Prozent gaben an, sich schwieriger konzentrieren zu können (siehe Grafik). An manchen Arbeitsplätzen ist es aber so heiß, dass auch die beste Kleidung nur wenig hilft, wie zum Beispiel in der Wäscherei oder in schlecht isolierten Produktionshallen. „Es ist das ganze Jahr über heiß. Aber im Sommer ist es am schlimmsten“, meint eine Betriebsrätin aus der Wäscherei, vor allem an den Bügelmaschinen sei es kaum erträglich.
Mangelnde sanitäre Einrichtungen: Mehr Trinken und dann?
Eine der grundlegenden Empfehlungen bei großer Hitze lautet in der Regel, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Mehr Hitze fördert mehr Schweiß, bedeutet noch mehr trinken, aber auch entsprechend häufiger eine Toilette aufsuchen zu müssen. Das stellt jedoch insbesondere in Berufen, wo die Arbeitnehmer:innen unterwegs sind, beispielsweise in der mobilen Pflege oder im öffentlichen Verkehr, eine große Herausforderung dar. Speziell für Frauen. Erstens ist für Frauen die bei Männern beliebte Methode der „Naturbewässerung“ in der Regel keine Option, weil für viele hier Grenzen der Würde deutlich unterschritten werden oder auch die Gefahr von Belästigung besteht. Zweitens benötigen Frauen auch entsprechende Möglichkeiten, um Monatshygiene-Produkte wechseln zu können – ein Thema, das nach wie vor weitgehend tabuisiert ist. Entsprechend wichtig sind saubere und gut erreichbare bzw. verfügbare Toiletten. Eine Betriebsrätin aus der mobilen Pflege berichtet: „Die Pflegerinnen wissen genau, bei welchen Klienten sie die Toilette benutzen können, und vor allem am Land entlang ihrer Strecke auch, wo sie notfalls Freiluft-WC-Möglichkeiten haben.“
Diese prekäre Situation hat zur Folge, dass Frauen beginnen weniger zu trinken, wie auch eine Straßenbahn-Schaffnerin erzählt. Gerade im Kontext großer Hitzebelastungen stellt diese Bewältigungsstrategie jedoch ein ernsthaftes gesundheitliches Risiko dar.
Die Hitze-Sorge-Spirale
In den von Frauen dominierten Gesundheits- und Sozialberufen oder auch in der Elementarbildung tragen Beschäftigte nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für andere. Das setzt in Hitzebelastungssituationen eine doppelte Spirale in Gang. Beschäftigte müssen nicht nur die eigenen Belastungen bewältigen. In einer Studie aus Deutschland zum Umgang mit Hitzebelastungen in Kindergärten berichten knapp die Hälfte der Beschäftigten von häufigen Konzentrationsschwierigkeiten an Hitzetagen, rund 45 Prozent von häufiger Ermüdung und Erschöpfung. Aber auch körperliche Aktivitäten, wie das Heben oder Waschen von Patient:innen, wird mit zunehmender Hitze beschwerlicher. Die Arbeitsbedingungen verschärfen sich noch zusätzlich, weil in diesen Branchen häufig mit vulnerablen Gruppen gearbeitet wird (Kinder, ältere Menschen, erkrankte Personen usw.), deren Bedarf an Zuwendung und Betreuung während großer Hitze ansteigt, wie Studien zeigen. „Wenn die Außenbeschattung fehlt, hat es in den Patient:innen-Zimmern an heißen Tagen auch über 35 Grad“, erzählt eine Betriebsrätin aus dem Gesundheitsbereich. „Wir hängen dann nasse Leintücher auf, damit es etwas kühler wird.“ Betriebsrät:innen aus dem Gesundheitsbereich berichten darüber hinaus von steigender Gereiztheit unter den Klient:innen und Patient:innen, da Hitze auch das Stress- und damit Aggressionslevel steigen lässt.
Hitzestress im privaten sozialen Umfeld
Wenn wir von Hitzebelastungen in der Arbeitswelt sprechen, müssen wir aber auch den großen Teil der unbezahlten Arbeit berücksichtigen, der bei Frauen – je nach Lebensphase – bis zu 65 Prozent ihrer Gesamtarbeitszeit vereinnahmt. Analog zu den vorhin thematisierten Care-Berufen gilt auch für die unbezahlte Sorgearbeit in den Familien: Steigende Hitze macht körperliche Tätigkeiten anstrengender, man ist weniger in der Lage, sich zu konzentrieren, gleichzeitig besteht Verantwortung für Kinder oder ältere Angehörige, deren Betreuungsbedarf mit der Hitze anwächst. Die Belastungen kumulieren vor allem in jenen sozialen Klassenlagen, wo die Betroffenheit groß (z. B. schlecht isolierte und beschattete Wohnungen), die Möglichkeiten zur Abwendung von Hitze jedoch gering sind (z. B. bauliche Änderungen). Es sind dann aber wiederum Frauen, die damit zurechtkommen müssen, wenn die Kinder (und sie selbst) in einer aufgeheizten Wohnung, die im Sommer bei Tropennächten auch in der Nacht nicht gut abgekühlt werden kann, nicht mehr gut schlafen und sich erholen können. Oder wenn die pflegebedürftigen Eltern noch mehr Unterstützung benötigen, weil beispielsweise längere Aufenthalte im Freien gefährlich sind und man deshalb für sie Einkäufe und andere Besorgungen miterledigen muss.
Gleichzeitig macht sich steigendes Aggressionspotenzial aber auch auf einer anderen Ebene bemerkbar – und zwar im Anstieg von häuslicher Gewalt. Studien aus Spanien zeigen, dass nach Hitzewellen Partnergewalt deutlich ansteigt. Hohen Temperaturen ausgesetzt zu sein erhöht Irritierbarkeit und Stress, was wiederum die Barrieren für Gewalt senkt. Der Effekt tritt aber mit einer gewissen Zeitverzögerung auf. Drei Tage nach einer Hitzewelle wurde in Madrid ein 40-prozentiger Anstieg des Risikos für Femizide beobachtet. Hitzebelastungen führen nicht automatisch zu häuslicher Gewalt, aber sie können in bereits belasteten Situationen der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Mitgestalten und mitverändern: Klimagerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit umsetzen
Frauen sind allerdings in vielen nationalen und europäischen politischen Gremien und Bereichen, in denen Maßnahmen zur Anpassung an die Auswirkungen der Klimakrise entwickelt und beschlossen werden, unterrepräsentiert. Die angemessene Repräsentation und Teilhabe unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in politischen Gremien ist jedoch entscheidend, weil Studien zeigen, dass Lösungen einseitig ausfallen bzw. wichtige Folgeeffekte von politischen Maßnahmen übersehen werden, wenn Lebensrealitäten bestimmter sozialer Gruppen nicht repräsentiert sind. Um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen sicherzustellen und damit eine geschlechtergerechte Klimapolitik umzusetzen, sind folgende Maßnahmen erforderlich:
- Gleichberechtigte Mitbestimmung und Einbindung von Frauen in allen Gremien und Prozessen, die mit klima- und umweltpolitischen Entscheidungen betraut sind.
- Gender-Mainstreaming und Gender-Budgeting als Leitprinzip bei allen klima- und umweltpolitischen Maßnahmen.
- Klimafittes Arbeitsrecht mit der Verpflichtung, ab einer Temperatur von über 25°C geeignete Maßnahmen zu setzen (Forderungen von AK und ÖGB dazu).
- Kürzere Arbeitszeiten und mehr bezahlte Pausen: Eine neue, gesunde Vollzeit ist ein wichtiger Ansatzpunkt, mit der auch Belastungen durch Hitze am Arbeitsplatz gering gehalten werden können. Eine Begrenzung der täglichen Höchstarbeitszeit auf 8 Stunden und mehr bezahlte Pausen sind notwendig.
- Investitionen, um öffentliche Care-Infrastruktur, wie Kindergärten und Pflegeheime, klimafit zu machen.
- Klimagerechtigkeit bedeutet auch Sorgegerechtigkeit: Gleichberechtigte Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit, indem Privathaushalte durch qualitätsvolle, leistbare und flächendeckende Care-Angebote entlastet werden.
Teile dieses Beitrags beruhen auf dem Kapitel zum Thema Geschlechtergerechtigkeit der Arbeiterkammer Wien für den sozialen und ökologischen Umbau.
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