Der Bananenkonzern Chiquita Brands wurde zur Zahlung von 38,3 Millionen Dollar an Angehörige der Bauern verurteilt, die von den Paramilitärs der „Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens“ (AUC) getötet wurden. Schon jetzt gilt das Urteil als ein internationaler Meilenstein für die Menschenrechte.
Gerichtsurteil nach 17 Jahren Prozess
Das Urteil eines Gerichts im US-Bundesstaates Florida „ist eine deutliche Botschaft an Unternehmen auf der ganzen Welt, die auf Kosten der Menschenrechte Profit machen: Ihre Handlungen werden nicht ungestraft bleiben“, so Marco Simons, Anwalt der Umweltorganisation EarthRights International (ERI), die in dem Fall geklagt hatte. Am Ende des 17 Jahre dauernden Prozesses befanden die Geschworenen Chiquita Brands für acht Morde der AUC verantwortlich. Das Unternehmen finanzierte die AUC zwischen 1997 und 2004 mit regelmäßigen Zahlungen von mindestens 1,7 Millionen Dollar in der fruchtbaren Bananenanbauregion im Norden Kolumbiens. Agnieszka Fryszman, eine weitere Anwältin, die die Kläger*innen vertritt, sagte, dass „das Urteil die getöteten Ehemänner und Söhne nicht zurückbringt, aber es stellt die Fakten richtig und weist die Verantwortung für die Finanzierung des Terrorismus dorthin, wo sie hingehört: auf Chiquitas Türschwelle“.
Ein bahnbrechendes Urteil
Chiquita Brands ist Erbe der United Fruit Company, die sich nach ihrer Gründung im Jahr 1899 in Kolumbien und Mittelamerika ansiedelte. In dem Urteil wird der Konzern aufgefordert, 16 Angehörige von Bauern und anderen Zivilisten zu entschädigen, die bei verschiedenen Angriffen der AUC getötet wurden. Das Unternehmen kündigte an Berufung einzulegen. Das Urteil aus Florida könnte Hunderte ähnlicher Klagen vor US-Gerichten beeinflussen, die von Angehörigen anderer Opfer der AUC-Gewalt gegen linke Guerillas in dem internen bewaffneten Konflikt eingereicht wurden, der Kolumbien mehr als sechs Jahrzehnte lang erschütterte. „In einem bahnbrechenden Urteil befand ein US-Gericht das Unternehmen Chiquita für schuldig, paramilitärische Gruppen bezahlt zu haben, um seine wirtschaftlichen Interessen zu schützen. Die AUC haben schwere Menschenrechtsverletzungen begangen“, sagte Erika Guevara Rosas, Untersuchungsleiterin bei Amnesty International. Die Verbrechen der AUC gegen die Bauern trugen dazu bei, die Position von Chiquita in den Regionen Urabá und Magdalena im Norden Kolumbiens zu stärken. Das US-Justizministerium bezeichnete das Vorgehen des Unternehmens während des Gerichtsverfahrens als „moralisch verwerflich“. Die Opfer begrüßten die Nachricht als Anerkennung ihres Leids und als Chance auf Wiedergutmachung. Eine Betroffene wurde von EarthRights International wie folgt zitiert: „Wir kämpfen seit 2007. Wir befinden uns nicht freiwillig in diesem Prozess, sondern Chiquita hat uns durch ihr Handeln in diesen Prozess hineingezogen. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Familien, und wir müssen für unsere Familien kämpfen.“
„Warum die US-Justiz und nicht die kolumbianische?“
Der linke Präsident Kolumbiens, Gustavo Petro, kritisierte die Justiz seines Landes angesichts der Tatsache, dass es ein ausländisches Gericht war, das den transnationalen Konzern wegen der Finanzierung von Gewalt angeklagt und verurteilt hat. „Warum konnte die US-Justiz feststellen, dass Chiquita Brands die Paramilitärs in Urabá finanziert hat, und die kolumbianische Justiz nicht?“, fragte der Präsident auf seinem Account @petrgustavo im sozialen Netzwerk X. Er spielte auch auf die Vorhersagen des 2016 unterzeichneten Friedensabkommens zwischen der Regierung seines Vorgängers Juan Manuel Santos (2010-2018) und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) an, die die wichtigste Guerillagruppe des Landes war und deren Kämpfer größtenteils die Waffen niedergelegt und sich in das zivile Leben integriert haben. „Wenn das Friedensabkommen von 2016, das bekanntermaßen eine einseitige Erklärung des Staates ist, die uns vor der Welt verpflichtet, davon spricht, dass nur ein Gericht die juristische Wahrheit abschließend klären kann, warum dann nicht unseres?“, fragte Petro weiter.
Das Urteil umfasst Strafe, Entschädigung und Schadensbehebung
Im Fall von Chiquita hat das US-Gericht das kolumbianische Zivilgesetzbuch angewandt, da das US-Unternehmen seine Entscheidungen in Kolumbien getroffen hat. Konkret bezieht sich das Urteil auf Artikel 2341, der besagt, dass diejenigen, die anderen Schaden zufügen, sei es durch unerlaubte Handlung oder Fahrlässigkeit, das Opfer entschädigen müssen, und zwar zusätzlich zu den Strafen nach dem Strafgesetzbuch. Außerdem besagt Artikel 2356, dass Schäden, die durch gefährliche Handlungen verursacht werden, von der Person, die sie verursacht hat, behoben werden müssen. Damit hat zum ersten Mal ein Geschworenengericht in den Vereinigten Staaten ein großes amerikanisches Unternehmen für die Mitschuld an Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Land verurteilt, was als ein Meilenstein in der Rechtsprechung angesehen werden kann.
Die Geschichte von Chiquita Brands ist von der seines Vorgängers United Fruit geprägt. Der Konzern war für das „Bananenmassaker“ vom 5. und 6. Dezember 1928 mitverantwortlich, das von der kolumbianischen Armee auf Veranlassung des Unternehmens in der nördlichen Stadt Ciénaga verübt wurde. Die Armee schoss auf die streikenden Arbeiter, traf auch Frauen und Kinder, und Hunderte von Menschen kamen ums Leben. Auch Gabriel García Márquez, Literaturnobelpreisträger von 1982, nimmt in seinem preisgekrönten Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ Bezug auf den Massenmord: „José Arcadio Segundo versuchte, dem Alptraum zu entkommen, und kroch von einem Waggon zum anderen, in die Richtung, in die sich der Zug bewegte, und in den Blitzen, die die Holzlatten durchschlugen, als der Zug durch die schlafenden Dörfer fuhr, sah er die toten Männer, die toten Frauen, die toten Kinder, die ins Meer geworfen werden sollten wie eine aussortierte Banane.“