Die großen und kleinen Probleme dieser Welt lassen sich angeblich mit dem Geldbörserl lösen, und vermeintlich grüner Konsum soll uns die sozial-ökologische Transformation bringen. Doch ein genauerer Blick auf den österreichischen Ressourcenverbrauch macht deutlich, wie wenig wir als Konsument:innen tatsächlich steuern können. Die ressourcenintensiven Entscheidungen finden nicht an der Supermarktkassa statt. Wir brauchen nicht als Konsument:innen noch mehr Auswahl, sondern als Arbeiter:innen und Bürger:innen die Möglichkeit mitzubestimmen, was wir produzieren wollen, unter welchen Bedingungen und für wen.
von Anke Schaffartzik, Karin Fischer und Julia Eder für A&W blog
Von der Unmöglichkeit „richtiger“ Konsumentscheidungen
Glaubt man der Werbung, so liegt die Macht über unser Glück und die Zukunft bei uns als Konsument:innen. Wer einsam ist, braucht nur ein anderes Deo. Wer grantig ist, braucht einen Schokoriegel. Wem alles unglaublich teuer vorkommt, der kennt nur nicht die besten Angebote. Wem die heimische Wirtschaft am Herzen liegt, der kauft regional. Und wer den Planeten retten will, kauft einen Elektro-SUV.
Der gleichen Logik folgend wären dann auch die großen Probleme, vor denen wir stehen, dem „falschen“ Konsum geschuldet: Wenn die Konsument:innen wirklich etwas gegen die Klimakrise tun wollen würden, würden sie keine Autos mit Verbrennungsmotor kaufen und bestimmt nicht in den Urlaub fliegen. Mit sogenanntem „consumer scapegoatism“ werden Konsument:innen zum Sündenbock gemacht, für Probleme, die sie nicht verursacht haben und – in ihrer Rolle als Konsument:innen – auch nicht lösen können. Dem wollen wir mit diesem Beitrag ein paar fundierte Argumente entgegensetzen. Uns interessiert dabei vor allem die Frage, welche Möglichkeiten wir eigentlich haben, uns für eine grundlegende sozial-ökologische Transformation einzusetzen. Dabei fokussieren wir auf zwei große Aspekte:
- den Ressourcenverbrauch in Österreich,
- Österreichs Ressourcenverbrauch in der Welt.
Anhand von beiden zeigt sich deutlich, dass die Gestaltungsmacht nicht bei den Konsument:innen liegt, sondern dass wir in dieser Rolle nur innerhalb gesellschaftlicher Strukturen handeln, die es zu transformieren gilt.
Ressourcenverbrauch in Österreich
Der durchschnittliche österreichische Ressourcenverbrauch – das heißt, alles, was über Bergbau, Land- und Forstwirtschaft im Land entnommen wird, zuzüglich der importierten materiellen Ressourcen und abzüglich der Exporte – liegt bei etwas unter 20 Tonnen pro Kopf und Jahr. Doch natürlich schleppt nicht jede:r täglich 55 kg (das würde nämlich den 20 Tonnen entsprechen!) Ressourcen nach Hause. Der durchschnittliche Ressourcenverbrauch hat kaum etwas mit individuellen Konsumgewohnheiten zu tun und viel mit der Volkswirtschaft, in der wir leben. Wenn z. B. in Österreich Straßen oder Supermärkte gebaut werden, schlägt sich das im Ressourcenverbrauch nieder, und zwar in Form von nicht-metallischen Mineralstoffen wie Schotter, Sand, Zement. Diese gehen in die sogenannten „gesellschaftlichen Bestände“ ein (Gebäude, Infrastrukturen, Maschinen), die als treibende Kraft im Ressourcenverbrauch gelten, in Österreich und global:
- Um gesellschaftliche Bestände wie Gebäude oder Straßen aufzubauen und instand zu halten, braucht es Rohstoffabbau (v. a. Bergbau) mit seinen Umweltauswirkungen und sozialen Folgen.
- Bestände beeinflussen zukünftige Ressourcennutzung: Der Bau eines Kohlekraftwerks setzt die weitere Nutzung von Kohle voraus, der Ausbau des Straßennetzes verursacht zusätzlichen Autoverkehr.
- Bestände sind oft ortsgebunden (z. B. Fabriken, Straßen, Lager) und strukturieren das Mobilitätsverhalten (deswegen brauchen neue Supermärkte am Land z. B. auch große Parkplätze).
Die Entscheidung, bestimmte gesellschaftliche Bestände zu errichten, können wir als Konsument:innen nicht mehr rückgängig machen. Nahezu der gesamte Verbrauch an nicht-metallischen Mineralstoffen und damit mehr als die Hälfte des österreichischen Ressourcenverbrauchs wird an anderen Stellen bestimmt als an der Kassa des (schon gebauten) Supermarkts.
Österreichs Ressourcenverbrauch in der Welt
Doch nicht nur das. Wird Verantwortung für die (mangelnde) Nachhaltigkeit von Produktion und Konsum den Konsument:innen umgehängt, setzen wir erst ganz am Ende einer langen Kette an, von Rohstoffabbau über Transport, Verarbeitung, Lagerung, Verpackung, Verkauf. Die sozialen und ökologischen Folgen sind schon passiert, ob das Produkt gekauft wird oder ein „Ladenhüter“ bleibt. Letzteres trifft zum Beispiel weltweit auf etwa 40 Prozent der Nahrungsmittel zu, die zwar produziert, aber nie gegessen werden. Und die ökologischen und sozialen Folgen der Produktion finden zunehmend in anderen Ländern als Österreich statt. Der graduelle Umstieg auf elektrisch unterstützte Mobilität beispielsweise mag zwar bedeuten, dass innerhalb der Landesgrenzen weniger Treibhausgasemissionen anfallen. Dafür wird aber eine massive Ausdehnung des Bergbaus, z. B. für Kupfer, Cobalt oder Seltene Erden, anderswo in Kauf genommen. Die Auslagerung oder sogenannte Externalisierung von Umweltauswirkungen, Sozialfolgen, Ressourcenverbrauch ist kennzeichnend für die Wirtschaftsweise vieler reicher Länder, so auch Österreichs. Hinter den Importen stehen Abbau und Produktion und damit verbundene Ressourcen-, Energie- und Landnutzung sowie Arbeitskraft in den exportierenden Ländern. Die enormen Auswirkungen internationaler Lieferketten sind nicht durch Entscheidungen einzelner Konsument:innen in den Griff zu bekommen.
Strukturen für eine umwelt- und sozial gerechte Gesellschaft
Zweifelsohne werden wir in einer gerechteren, nachhaltigeren Gesellschaft im Zuge sozial-ökologischer Transformationen anders konsumieren. Aber den Prozess hin zu einer solchen Gesellschaft treiben wir nicht an der Supermarktkassa voran. Zu behaupten, dass wir das können, gibt fälschlicherweise den Konsument:innen die Schuld dafür, dass sich zu wenig verändert, und erlaubt Teilhabe an der vermeintlichen Veränderung nur denen, die es sich leisten können. Denn grüngewaschene Güter und Dienstleistungen sind oft so teuer, dass hier – mit Unterstützung vom consumer scapegoatism – ein lukrativer neuer Absatzmarkt entstanden ist.
Wir brauchen als Konsument:innen nicht noch mehr Auswahl – was uns fehlt, sind Strukturen, innerhalb derer wir als Bürger:innen und Arbeiter:innen kollektiv zu einer besseren, umwelt- und sozial gerechteren Gesellschaft beitragen können. Rohstoffabbau und Produktion im In- und Ausland müssen demokratisch so gestaltet werden, dass wir uns beim Einkauf in jeglicher Hinsicht auf die Qualität der angebotenen Produkte verlassen können. Wir brauchen eine Wirtschaftsweise, die auf die Befriedigung von Grundbedürfnissen nach Nahrung, Schutz und Mobilität fokussiert ist und diese umwelt- und sozial gerecht bereitstellt. Wir können das gute Leben nicht kaufen, aber wir können es, wenn die entsprechenden Strukturen gegeben sind, alle führen.