In keinem EU-Land wird so viel gespendet wie in Deutschland. Und in keinem anderen Land sind Spenden so intransparent.
Zu diesem Ergebnis kommt eine heute veröffentlichte Recherche von ZDF Frontal, dem niederländischen Investigativmedium Follow The Money, dem britischen The Guardian und 22 weiteren Medien. Darin wurden die Regeln und veröffentlichungspflichtigen Angaben zu Parteispenden in 22 EU-Staaten untersucht. LobbyControl hat an der Erarbeitung der Daten für Deutschland mitgewirkt.
Aurel Eschmann fasst die Ergebnisse zusammen:
„In Deutschland erhielten die Parteien im Zeitraum 2019 bis 2022 über zehnmal so viele Zuwendungen von Privatpersonen, Mandatsträgern und Unternehmen wie jedes andere untersuchte Land. Allein an die Parteien im Bundestag flossen in diesem Zeitraum 633 Millionen Euro – ohne Sponsoring-Einnahmen zu berücksichtigen. Insgesamt gingen in den 22 untersuchten EU-Staaten ungefähr 937 Millionen Euro an Spenden und ähnlichen privaten Zuwendungen an Parteien. Davon erhielten 67,5% die sechs Parteien im Deutschen Bundestag. An die Parteien in den nächstplatzierten Ländern, Frankreich und Niederlande, gingen im gleichen Zeitraum jeweils nur knapp 50 Millionen Euro. Bei über Dreiviertel dieser Spenden erfährt die deutsche Öffentlichkeit nie, von wem sie kommen. Denn erst Spenden ab 10.000 Euro werden namentlich veröffentlicht.“
Zu den Gründen erklärt Eschmann weiter:
„Der Hauptgrund für die im europäischen Vergleich gigantischen Spendeneinnahmen der Parteien in Deutschland sind die von Land zu Land sehr unterschiedlichen Regeln, welche Art von Spenden angenommen werden dürfen. Deutschland ist eines der acht EU-Länder, das keinerlei Obergrenze für Parteispenden hat. Hinzu kommt auch, dass sich in Deutschland die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung daran bemisst, wie viel eine Partei selbst aus anderen Quellen einnimmt. Das Anwerben von Spenden ist für deutsche Parteien also besonders wichtig.“
„Das immens hohe Spendenaufkommen ist ein Problem für die Demokratie, besonders wenn die Regeln so schlecht sind wie in Deutschland. Hohe Spenden werden nur selten ohne Hintergedanken gegeben. Sie verschaffen Vermögenden und Unternehmen privilegierte Zugänge in die Politik und mehr Macht, um ihre Interessen durchzusetzen. Das ist zutiefst undemokratisch. Außerdem schafft es Einfallstore für Lobbyismus oder sogar strategische Korruption, wenn Parteien in solchem Maße auf private Finanzierung angewiesen sind, um im finanziellen Wettrüsten bestehen zu können.“
Aus den Ergebnissen der Recherche ergibt sich dringender politischer Handlungsbedarf, so Eschmann:
„Nach dieser vernichtenden Bilanz sollte die Ampelkoalition umgehend reagieren und eine Obergrenze von 50.000 Euro pro Spender:in pro Jahr einführen, sowie zur namentlichen Nennung von Spender:innen ab 2.000 Euro anstatt wie aktuell 10.000 Euro Spendenvolumen verpflichten. Auch braucht es Verbesserung bei der Kontrolle und Durchsetzung der bestehenden Regeln.“
Hinweis an die Redaktion
- Hier können Sie die Recherche abrufen.
- Mehr zu der Recherche von LobbyControl, ZDF Frontal und 24 weiteren Medien finden Sie hier.