Was ich an Marie Benedicts biografischen Romanen immer besonders großartig finde, ist die Auswahl der portraitierten Frauen, meistens Erfinderinnen und Wissenschaftlerinnen aus Technik und Naturwissenschaften. Sie holt mit ihren Geschichten Frauen vor den Vorhang, deren Genie nicht wirklich allgemein bekannt ist. Schon durch ihren Roman über die österreichische Hollywood Diva Hedy Lamarr (Hedwig Maria Kieslinger), die zusammen mit einem Partner die technischen Grundlagen für das Bluetooth Verfahren entwickelt hat, ist sie mir in dieser Angelegenheit sehr positiv aufgefallen. Nun hat sie sich der Wissenschaftlerin Rosalind Franklin gewidmet, die die Doppelhelixstruktur der DNA nicht nur entdeckt, sondern auch durch kristallographische Röntgen-Bilder bewiesen hat.

Franklins Forschungsarbeit wurde von männlichen Kollegen ausspioniert, gestohlen und Konkurrenzinstituten zugespielt, die dann den Nobelpreis für die Forschung einheimsten. All das wäre unter einem Mantel des Schweigens und der Buddy-Korruption der männlichen Wissenschaftler verdeckt geblieben, wenn nicht der größte Profiteur, Nobelpreisträger und Lump James Dewey Watson, der aktiv in den Wissensdiebstahl verwickelt war, in seinem Buch auch noch wagte, die Bestohlene als feindselige, unattraktive, besessene und engstirnige Wissenschaftlerin zu diffamieren. Und das auch noch nach dem Abstauben eines Nobelpreises, den eigentlich sie verdient hätte, auf ihr Grab spuckend, in das sie frühzeitig musste, weil ihr weiterentwickeltes kristallographische Röntgenstrahlverfahren, das die Doppelhelix nicht nur als Hypothese formulierte, sondern auch optisch beweisen konnte, sie vorzeitig an Krebs sterben ließ.

Nach diesem Affront, den selbst die am Diebstahl beteiligten Buddies von Watson nicht mehr goutieren konnten, machte sich ihre Forscherfreundin Anne Sayre daran, diese Ungerechtigkeit akribisch zu recherchieren, zu beweisen und Rosalind zu rehabilitieren. Durch Annes Buch Rosalind Franklin and DNA kam sehr spät und Jahre nach dem Vorfall dann alles ans Licht der Öffentlichkeit und Franklin wurde ein bisschen die Ehre zuteil, die ihr gebührte. All das wird auch im Nachwort von der Autorin dargelegt, was ihre Intention war, sich ausgerechnet diese Frau auszusuchen.

Was mir auch noch gefallen hat, ist der Umstand, dass die Fakten, natürlich soweit sie recherchierbar sind, alle stimmen. Um all das legt Marie Benedict dann einen biografischen Roman, der das Leben der porträtierten Persönlichkeit sehr menschlich präsentieren soll. Dabei bedient sich die Autorin aber meist einer etwas blumigen romantischen Erzählweise, die ein bisschen an einen Frauenroman im Bianca Format erinnert. Das ist ein Stilmittel, das ich leider gar nicht mag.

Schon in ihrer Zeit in Paris werden romantische Verwicklungen thematisiert, bei denen sich bei mir ob des schmalzigen Stils immer die Zehennägel aufrollen. Das Stimmungsbild in den einzelnen Wissenschaftseinrichtungen, insbesondere die fiesen Intrigen am Kings College, die zum Diebstahl der Forschungsergebnisse führten, werden aber sehr gut beschrieben.

Fazit: Das sehr interessante wissenschaftliche Thema von Forschung, Unileben, Intrigen, Männerwelt, Diebstahl von Ergebnissen, Wettlauf um den Nobelpreis, etc. wiegt in diesem Fall die teilweise romantische Umsetzung mehr als auf. Wer das nicht so gerne mag, möge das Buch von Anne Sayre lesen.

Rezension von  

Das verborgene Genie von Marie Benedict ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch als flexibler Einband erschienen. Nähere Infos zum Buch über einen Klick auf das Cover im Beitrag oder auf der Verlagsseite.

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