„Das sehr positive Szenario der künstlichen Intelligenz ist tatsächlich in vielerlei Hinsicht eine Beschreibung des Himmels, da wirklich niemand mehr arbeiten müsste. Ich würde es nicht schlicht ein Grundeinkommen nennen. Ich würde es nicht einmal als universelles Grundeinkommen bezeichnen. Ich würde sagen, es ist wahrscheinlich ein universelles hohes Einkommen.“ – Elon Musk beim AI Safety Roundtable, 18. September 2023
„Wir werden kein universelles Grundeinkommen haben. Wir werden ein hohes universelles Grundeinkommen haben.“ – Elon Musk beim AI Safety Summit, 2. November 2023
„In einer positiven KI-Zukunft wird es ein hohes Grundeinkommen geben, kein einfaches Grundeinkommen.“ – Elon Musk auf X, 25. Dezember 2023
„Es wird ein universelle hohes Grundeinkommen geben (nicht einfaches Grundeinkommen).“ – Elon Musk auf X, 29. Mai 2024
Da Elon Musk beschlossen hat, über ein Konzept zu sprechen, das er als „ein hohes Grundeinkommen“ bezeichnet, welches sich von dem Grundeinkommen unterscheidet und scheinbar besser ist, muss ich die Sache hier klarstellen. Einfach ausgedrückt ist ein hohes Grundeinkommen ein Grundeinkommen, das hoch genug ist, um als „hoch“ zu gelten.
Das Grundeinkommen ist nicht niedrig.
Gemäß der Definition des Basic Income Earth Network, der 1986 gegründeten internationalen Organisation zur Förderung informierter Diskussionen rund um das Thema Grundeinkommen, ist die aktuelle Definition des Grundeinkommens „eine regelmäßige, bedingungslose, individuelle Barzahlung an alle, ohne Bedürftigkeitsprüfung oder Arbeitsanforderung.“
Seit ich 2013 das Konzept des Grundeinkommens, auch bekannt als bedingungsloses Grundeinkommen oder universelles Grundeinkommen oder einfach BGE, zum ersten Mal entdeckt habe, nahm ich an vielen BIEN-Konferenzen teil und kann ich versichern, dass der Wortlaut der Definition sehr sorgfältig ausgearbeitet ist, mit vielen Überlegungen dahinter und vielen Debatten darüber, wie man es möglicherweise verbessern kann. Beispielsweise wurde als sechstes definierendes Merkmal Einförmigkeit vorgeschlagen.
Die Tatsache, dass in der Begriffserklärung des BGEs in keiner Weise ein Betrag erwähnt wird, ist beabsichtigt und darüber sind sich nicht alle in der BGE-Gemeinschaft einig, denn die meisten von uns wollen, dass der Betrag zumindest hoch genug ist, um alle aus der Armut zu befreien. Fakt ist jedoch, dass ein BGE als „zu niedrig“ gilt, wie beispielsweise 100 Euro pro Monat in Europa, aber immer noch der Definition eines BGEs entspricht, solange es sich um Bargeld (anstelle Gutscheinen oder Sachbezüge) handelt, das bedingungslos, universell, individuell und periodisch bereitgestellt wird.
Warum also finde ich es so wichtig, alle darüber zu informieren, nachdem Elon Musk beschlossen hat, ein hohes Grundeinkommen dem Grundeinkommen gegenüberzustellen? Das liegt meines Erachtens daran, dass Elon auf die Fehlinformationen reagiert, in denen seine treuen Fans offenbar schmoren.
Es besteht die Befürchtung, dass das Grundeinkommen eine Falle ist, dass es niedrig sein und bleiben soll, dass es uns alle dauerhaft in die Armut treibt, wenn unsere Arbeitsplätze automatisiert werden und die meisten von uns dazu verdammt sind, mit nur, sagen wir, 1.200 Euro im Monat zu leben, und dass wir nicht in der Lage sind, irgendein Einkommen zu erzielen, weil es keine Arbeitsplätze mehr gibt.
Elon beschäftigt sich mit der Automatisierung von Arbeitsplätzen. Er möchte Millionen von Optimus- Robotern erschaffen, um menschliche Arbeitskraft zu ersetzen. Er möchte Autos und Lastwagen schaffen, die menschliche Fahrer ersetzen. Er möchte jedoch nicht, dass die Menschen Angst vor all der Automatisierung haben, die er verkaufen möchte. Er hat auch beteuert, dass er das BGE nicht als etwas betrachtet, das postwendend eingeführt werden muss, sondern erst nachdem viele Jobs automatisiert wurden. Angesichts dieser Überzeugungen und der Ängste seiner potenziellen Kunden ist es sinnvoll, darüber zu sprechen, dass das BGE sehr hoch sein muss. Das muss doch so sein, wenn es keine Arbeitsplätze mehr gibt, oder?
Die Ansicht, dass das BGE hoch sein muss, fördert ein schlechtes Verständnis der Funktionsweise des Grundeinkommens, was ich hier versuchen möchte zu korrigieren.
Das BGE ist ein fester Sockel. Es ist eine Grundlage. Alle Einkünfte werden obendrauf erwirtschaftet. Wenn ein Einkommen derzeit 50.000 Euro pro Jahr beträgt, würde ein BGE von 15.000 Euro bedeuten, dass das Einkommen vor Steuern auf 65.000 Euro pro Jahr ansteigt. Wenn man ohne Kinder verheiratet ist und das Haushaltseinkommen 50.000 Euro beträgt, würde ein BGE von 15.000 Euro bedeuten, dass dessen Einkommen vor Steuern auf 80.000 Euro ansteigt. Wenn man verheiratet ist und zwei Kinder hat und der Kinderanteil des BGEs 5.000 Euro beträgt, würde ein BGE von 15.000 Euro für einen Haushalt mit 50.000 Euro eine Erhöhung um 40.000 von 50.000 auf 90.000 Euro bedeuten.
Die Armut in den USA zum Beispiel würden ein BGE von 15.000 USD (14.000 Euro) für Erwachsene und ein BGE von 5.000 USD (4.600 Euro) für Kinder, wie sie derzeit dort im Jahr 2024 definiert ist, praktisch sofort beseitigen. Keine Roboter erforderlich. Das könnte jetzt getan werden.
Das könnte anstelle einer Reihe von Sozialprogrammen oder Steuersubventionen getan werden. Die Steuern könnten für diejenigen erhöht werden, die am meisten von der Technologie profitieren, die seit Jahrzehnten die Löhne schmälert, darunter Elon Musk und andere Milliardäre und ihre Unternehmen.
Deshalb spricht Elon von einem hohen Grundeinkommen. „HGE“ ist etwas, was wir derzeit nicht tun können. Das können wir in der Zukunft einführen. Erhöhen wir seine Steuern nicht jetzt. Wir können uns über all diese Dinge später Gedanken machen, wenn es eine massive Arbeitslosigkeit gibt. Dann können wir über das BGE reden, und keine Sorgen, denn es wird überaus hoch sein. Wird es etwa sechsstellig sein? Das ist hoch, oder? Oder sind 250.000 Euro vielleicht hoch? Es spielt keine Rolle. Darüber können wir uns später Gedanken machen. Dahin führt jene Logik.
Aber wir können es uns nicht leisten, uns erst später darüber Sorgen zu machen. Genau das müssen wir jetzt umsetzen, denn die Menschen sind bereits von Künstlicher Intelligenz und Robotern betroffen. Das Grundeinkommen ist etwas, das wir schon vor Jahrzehnten, in den 1970er Jahren, hätten in Gang bringen sollen, bevor die Computerisierung losbrach, bevor Automatisierung und Offshoring eine Menge Arbeitsplätze zerstörten, das Lohnwachstum zunichte machten und bevor 46 Billionen Euro an neuem Wirtschaftsvermögen größtenteils in die Hände der Top-1-%-Verdiener umgeleitet wurden.
Das Bedingungslose Grundeinkommen sollte als eine ererbte technologische Dividende betrachtet werden, die genau jetzt fällig ist, und nicht in wer weiß wie vielen Jahren, wenn „genug“ Arbeitsplätze vernichtet worden sind und ausreichend Arbeitskräfte verdrängt wurden, um eine Panik und Gewalt auf den Straßen auszulösen.
Was wäre, wenn wir in den 1970er Jahren mit einem winzigen BGE begonnen hätten und es langsam mit der Produktivität gewachsen wäre? Laut einer Studie der RAND Corporation hätte diese BGE-Dividende im Jahr 2020 1.055 Euro pro Monat betragen.
Das wäre zusätzlich zum aktuellen Einkommen aller, vor Steuern. Das könnte es jetzt schon geben, anstelle der massiven und ständig zunehmenden Ungleichheit, die an ihrer Stelle besteht.
Es ist auch wichtig zu verstehen, dass von jetzt an bis zu einem unbekannten Zeitpunkt in der Zukunft, an dem die Technologie die Arbeitslosigkeit in einer Weise erhöht hat, die von Leuten wie Elon als ausreichend für die Einführung von UBI angesehen wird, die Auswirkungen weiterhin so sein werden, wie sie schon immer waren. Die Ungleichheit wird zunehmen. Leute wie Elon werden noch viel reicher werden. Diejenigen, die ihren Job verlieren, werden einen neuen finden. Einige werden einen besser bezahlten Job finden, aber viele – möglicherweise die meisten – werden einen weniger gut bezahlten Job finden.
Wie hoch muss die Ungleichheit sein, bevor sie als zu hoch angesehen wird? Wenn die Arbeitslosigkeit nie auf ein Niveau ansteigt, das als zu hoch angesehen wird, weil die Menschen ständig neue Jobs finden, die weniger bezahlen, wann sagt dann jemand wie Elon, dass es Zeit für ein BGE ist, hoch oder nicht hoch? Gibt es eine funktionierende Gesellschaft für uns, in der die Arbeitslosigkeit bei 5 % liegt, die Mehrheit der Bevölkerung jedoch Arbeitsplätze hat, die ihre Lebenskosten oder die zur Ankurbelung der Wirtschaft erforderlichen Ausgaben nicht ausreichend decken? Wie sieht jene Gesellschaft aus?
Ich denke, dass jene Gesellschaft genauso aussieht wie unsere. Sie existiert bereits. Wir leben in jener Zeit mit niedriger Arbeitslosigkeit und hoher Ungleichheit, die größtenteils auf jahrzehntelangen technologischen Fortschritt, industrielle Verlagerung ins Ausland und Steuersenkungen für die Reichen zurückzuführen ist. Es ist ein sehr wütender Ort. Es ist ein Pulverfass in einem Waldbrand.
Weil der Bedarf unmittelbar und überfällig ist, müssen wir das BGE sofort einführen und nicht erst in einigen Jahren. Wir können nicht sofort ein hohes Grundeinkommen einführen, aber wir können jetzt ein universelles Grundeinkommen schaffen. Wir können der Armut jetzt ein Ende setzen.
Neben denen mit dem niedrigsten Einkommen können wir jetzt auch der Mittelschicht helfen. Jedem können wir helfen, sich stabiler und sicherer zu fühlen. Da die Menschen ihr Grundeinkommen ausgeben, werden dadurch mehr Arbeitsplätze geschaffen, die es mehr Menschen ermöglichen, Arbeit zu finden. Beim Übergang zu einer stärker automatisierten Wirtschaft müssen wir jetzt alle schützen, anstatt bis zur letzten Minute zu warten, zumal dann es zu spät sein könnte, um die schlimmsten Auswirkungen wie beispielsweise die Abschaffung der Demokratie zu verhindern.
Ich habe auch schon darüber geschrieben, wie jedes BGE, das wir jetzt einführen, mit der Zeit wachsen sollte. Es sollte als Produktivitätsdividende betrachtet werden. Ich habe vorgeschlagen, es zunächst auf 25 % des Pro-Kopf-BIP festzulegen, wie es der politische Ökonom und Mitbegründer von BIEN Philippe Van Parijs erstmals in seinem 1995 erschienenen Buch „Real Freedom For All“ vorschlug. Wenn die Produktivität durch die Implementierung und Verbesserung von KI zunimmt, wächst zusätzlich das BGE jedes Einzelnen. Es wäre eine echte Dividende der Künstlichen Intelligenz.
Es muss auch nicht nur bei 25 % bleiben. Auch das kann zunehmen, da sich das Gesamtverhältnis von menschlicher Arbeit zu maschineller Arbeit verändert. In einem Jahrzehnt ist es vielleicht sinnvoller, 30 % des BIPs pro Kopf zu erreichen. In einem weiteren Jahrzehnt vielleicht 40 %. Der Punkt ist, dass die BGE-Untergrenze im Laufe der Zeit auf einen Betrag anwachsen kann, den die meisten Menschen als ziemlich hoch betrachten würden. Und wenn dieser Betrag bei 50.000 Euro pro Jahr und Person läge, wäre das immer noch ein universelles Grundeinkommen. Wenn es 100.000 Euro pro Jahr und Person wären, wäre es immer noch ein universelles Grundeinkommen.
Jedoch gibt es eine praktische Grenze für die Höhe eines BGEs, die von der Größe der Wirtschaft abhängt.
Ein BGE, das auf 100 % des BIPs pro Kopf festgelegt ist, stellt eine Art theoretischer Grenze dar, bei der alle Einkünfte dem BGE entsprächen und es kein Einkommen aus Arbeit oder Kapital gäbe. Offensichtlich liegt die praktische Grenze unterhalb dieser theoretischen Grenze.
Einen idealen Punkt gibt es meines Erachtens, bei dem die Höhe des Grundeinkommens hoch genug ist, um alle aus der Armut zu befreien und die Gesamtproduktivität zu steigern. Allerdings, nicht so hoch, dass die Produktivität sinkt und das, was für andere Einkommen übrig bleibt, zu stark schrumpft.
Je größer der Anteil der Wirtschaft, der an das Grundeinkommen geht, desto weniger bleibt für Löhne und alles andere übrig. Ich glaube nicht, dass wir eine Wirtschaft wollen, in der jemand ohne Arbeit 50.000 Euro pro Jahr erhielt und ein Arzt 30.000 Euro zusätzlich verdient. Auf das Verhältnis kommt es an. Das BGE kann nicht einen so großen Anteil an der Wirtschaft einnehmen, dass nicht genügend Einkommen vorhanden ist, um über Löhne und Gehälter einen Anreiz für all die Arbeit zu schaffen, die die Menschen noch leisten müssen und wollen.
Im Moment belaufen sich in den USA 100 % des Pro-Kopf-BIP auf etwa 6.900 USD (6.400 Euro) pro Monat. Die Armutsgrenze liegt bei 1.255 USD (1.155 Euro) pro Monat, die 18 % des Pro-Kopf-BIP entspricht. Ich denke also, dass in den USA die Armutsgrenze bei mehr als 18 % liegt, aber unter einem unbekannten Prozentsatz, über den wir nur Vermutungen anstellen können, der vielleicht irgendwo bei 25 % liegt, aber auch bis zu 33 % betragen kann.
Deshalb schlage ich vor, dass wir an einem Punkt beginnen, der an oder um die Armutsgrenze oder der der Grenze der schweren Armut herum liegt, und von dort aus weiter nach oben kurbeln, um herauszufinden wo der unbekannt optimale Punkt liegt. In dem Maße, in dem Technologien wie KI und Roboter die Gesamtproduktivität steigern, wird sich die Obergrenze des optimalen Bereichs erhöhen. Eine hochautomatisierte Wirtschaft sollte einen geringeren Prozentsatz des BIPs für Löhne erfordern, und daher könnte die Obergrenze je nach Automatisierungsgrad von beispielsweise 33 % des Pro-Kopf-BIP für BGE auf 50 % oder mehr steigen.
Auf diese Weise wäre das Grundeinkommen zwar irgendwann ein „hohes“ Grundeinkommen, würde aber per Definition immer noch ein Grundeinkommen bleiben.
Das Grundlegende beim Grundeinkommen bezieht sich lediglich auf seine Natur als primäre Basisgrundlage. Es handelt sich um ein Einkommen, das wir alle zu Recht erhalten, um es für das auszugeben, was jeder für das Nötigste hält. Das dann als Grundlage für alle anderen Einkommen dient, die als zusätzliches Einkommen für ergänzende und weniger notwendige Ausgaben erwirtschaftet werden.
Dieser Text wurde von Scott Santens auf seinem Blog veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung stammt von Raymond R. Watson, M.A., und wurde von Reto Thumiger überarbeitet.