geschrieben im Februar 2015
Die kürzliche Regierungsübernahme der linken Syriza Partei mit Tsipras als Premierminister hat erneut Hoffnungen auf einen Weg geweckt, den das Land einschlagen könnte, um seine Krise zu lösen. Tsipras Versprechen, den extremen Massnahmen ein Ende zu setzen, erzeugten wohlwollende Erwartungen, aber die Frage, die auftaucht, ist, wie weit kann Griechenland tatsächlich gehen, ohne komplett die Überwachung der Troika zu brechen, die Nichteinhaltung der Schuldenrückzahlung zu erklären und die Eurozone zu verlassen. Um diese Optionen zu untersuchen, müssen wir kurz auf die Wurzeln der Krise zurückschauen und was die Konsequenzen der Rettungsmassnahmen sind, die bis jetzt angewandt wurden.
Es ist wahr, dass Griechenland bereits vor der internationalen Finanzkrise ein Defizit angehäuft hatte und eine nicht tragfähige Schuldenlast, welche durch die allgemeine Krise schliesslich eskalierte. Es ist wahr, dass die Verluste bei den griechischen Finanzen, die mit der Zeit durch verschiedene Regierungen akkumulierten, eine Menge mit Korruption und einer Maßlosigkeit bei den Ausgaben zu tun hatten. Es ist auch wahr, dass die Konkurrenzfähigkeit der hellenischen Wirtschaft nicht mit dem Lebensstandard einiger Teile der Bevölkerung übereinstimmten und diese sich also mit Schulden selbst finanzierten.
Aber es ist auch wahr, dass während all dies geschah, es auf der anderen Seite auch deswegen geschah, weil jemand, indem er zum Schuldenmachen ermutigte, ein gutes Geschäft gemacht hat, mithilfe Spekulation und Zinswucher, dem Fördern von Konsumverhalten zur Erhöhung der Gewinne der Multinationalen oder dem Verkauf von Waffen. Die Menschen in Griechenland leiden also heute an einem tödlichen Cocktail aus korrupten Politikern und Finanzkräften, so wie es überall auf der Welt schon seit langer Zeit geschieht.
Viele vergleichen die Situation in Griechenland und anderen Europäischen Ländern mit der Situation durch die Argentinien 2001 ging. Und in der Tat gibt es einige Gemeinsamkeiten. In den Neunzigern führten neoliberale Strategien, die auf das Land angewandt worden waren, zu riesigen Schulden, mit welchen eine Art stabiler Währung in Form einer Wechselkursbindung für mehrere Jahre finanziert wurde, welche es erlaubte, Waren und Dienstleistungen zu einem niedrigeren als dem Kostenpreis zu importieren. Das nationale Defizit wurde mit Schulden finanziert und darüberhinaus erhielten die saftigen Gewinne aus dem Spekulationskapital überhöhte Zinsraten in Dollar. Als die Schulden untragbar wurden, eskalierte die Krise und zuerst wurde verkündet, die Schulden nicht zurückzuzahlen, dann wurde die Wechselkursbindung aufgegeben, was eine Abwertung von über 300% zur Folge hatte. Aber die größte Wirtschaftskrise der argentinischen Geschichte verursachte auch eine enorme Krise der Institutionen und Politik, welche die neoliberalen Tendenzen der Regierungen beendete. Die fortschrittlichere und industrialisierendere Profilierung der neuen Regierungen ermöglichte es, dass aus der Abwertung der Vorteil genutzt wurde, um an Konkurrenzfähigkweit zu gewinnen, die Exporte zu steigern, die Importe zu substituieren und die Arbeitslosigkeit zu verringern. Und die politische Entscheidung, aus den Schulden herauszukommen durch Entwicklung und Wachstum und nicht durch orthodoxen Ausgabeschnitt, erlaubte es dem Land, sich erst zu erholen, bevor es seine Schulden restrukturierte. Dies ermöglichte ein Jahrzehnt von unerhörtem Wachstum und Schuldenrückzahlung und einer bemerkenswerten Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung. Die Situation der letzten zwei Jahre, in welchen es wegen des internationalen Zusammenhanges kein Wachstum wie vorher gegeben hat und die Menschen mit einer Inflation leben mussten, entwertet keineswegs das Beispiel von Argentinien, wie das Land fähig war, erfolgreich aus der Krise zu kommen, und wie es seine Wirtschaft für zehn Jahren finanzierte. Und das wurde erreicht mit souveräner Expansionspolitik und nicht mit Sparmassnahmen, überwacht vom IWF.
Vielleicht ist es nicht richtig, den argentinischen Fall komplett auf den von Griechenland und anderen Europäischen Staaten in Krise zu übertragen, aber es ist klar, dass es einige gemeinsame Punkte gibt. In Argentinien verhinderte die Wechselkursbindung eine Abwertung der Währung, welche die Konkurrenzfähigkeit verbessert hätte; dies ist ähnlich der Situation von Ländern in der Eurozone, die nicht ihre eigene Geldpolitik kontrollieren können. Die Verbesserung der Kompetivität zusammen mit einer Abwertung kann verschiedene Auswirkungen haben, je nach Produktionspotential des jeweiligen Landes, und es ist klar, dass es nicht als eine magische Lösung gesehen werden kann, weil so gesehen, jedes Land permanent an einem Abwertungs-Wettlauf teilnehmen würde; aber es ist wahr, dass es im Falle von Ländern in Krise mit hohen Arbeitslosenzahlen und einem kommerziellen Defizit immer einen positiven Einfluss haben wird. In Argentinien profitierte in erster Linie die Bevölkerung von der Massnahme, den Konsum von Waren und Dienstleistungen der am wenigsten geschützten Gesellschaftsschichten zu unterstützen, aber sie stärkte gleichzeitig die Binnenwirtschaft und reaktivierte die Wirtschaft, was wiederum die Steuereinnahmen verbesserte. Während extreme Sparpolitik und Kürzungen, die von einigen Europäischen Ländern angewandt wurden, um ihren Haushalt auszugleichen, nur zu einem Leiden der Bevölkerung führten, während die Schulden weiter anstiegen. Oder in den besten Fällen blieb der Schuldenstand gleich, weil die Kürzungen die Ausgaben verringern, aber auch die Einnahmen wegen des Rezessionseffektes.
Die Konsequenzen der Kürzungen in Griechenland haben einen großen Teil der Bevölkerung in eine verzweifelte Situation gebracht, die Entlassung von beinahe 200 000 öffentlichen Angestellten, Einkommens- und Pensionskürzungen und Kürzungen der öffentlichen Ausgaben hatten ernste Auswirkungen. Mit 27,4% Arbeitslosigkeit, 30% der Bevölkerung ohne Krankenversicherung und 10% Kindern mit Mangelernährung, ist die soziale Lage untragbar. Und mit all diesen Kürzungen ist die Wirtschaft um 25% geschrumpft seit die Krise ausgebrochen ist mit dem Resultat, dass die Steuereinnahmen noch geringer sind und das Defizit nicht reduziert werden konnte, so dass die Schulden nicht zurückgezahlt werden können. Der IWF und die EZB haben sich für ein Hilfspaket ausgesprochen, nicht weil sie Griechenland retten wollen, noch weniger die Griechen, sondern vielmehr weil sie die Banken retten wollten, welche mehrheitlich deutsche und französische sind, weil sie kollabieren würden, wenn sie mit einem Zahlungsausfall konfrontiert würden. Und sie sind auch bemüht einen vollständigen Kollaps von Griechenland zu verhindern und einen möglichen Austritt aus dem Euro, weil dies ansteckend sein könnte für andere Krisenländer wie Spanien, Italien und Portugal. Der Finanzsektor ist definitiv der Hauptschuldige der Schuldenkrise, genauso wie er das wahre Ziel der Rettungsaktionen ist, die von internationalen Finanzinstitutionen koordiniert werden und er macht weiterhin Profite dank der Vermittlung in all den Refinanzierungsdeals.
Um die Frage zu beantworten, welche Wahlmöglichkeiten Griechenland hat, dabei bedenkend was gerade beschrieben wurde, wäre es daher gut zu klären, welches Ziel man verfolgt, welche Prozeduren angewandt werden sollten und wer der Ausführende sein sollte. Da es für diejenigen unter uns, die sich eine große universelle menschliche Nation wünschen, logisch ist, zu denken, dass ein Zwischenschritt, die regionale Integration, in diese Richtung geht, sollten wir folgern, dass Anstrengungen unternommen werden sollten, dass die Europäische Union nicht untergraben wird. Aber wir müssen uns fragen, ob diese Europäische Konstruktion eine Konstruktion der Menschen und für die Menschen ist, oder ob es eine Konstruktion der Wirtschaftskräfte ist für ihren eigenen Nutzen. Und heute deutet alles daraufhin, dass, wenn es zur Krise kommt, die Priorität nicht die Menschen sind, sondern die Banken. Daher, wenn wir das Ziel ändern wollen, so dass die Priorität die Menschen sind, müssen wir vielleicht alles neu formulieren. Denn Griechenlands Austritt aus der Eurozone wird eine große Wirkung haben und es wird Schwierigkeiten geben; natürlich wäre es das beste, alles zu lösen, während die Eurozone stabil bleibt, aber damit das passiert, müssten sich die Entscheidungen verändern. Die EZB sollte sich als ein Motor für Entwicklung in jedem Teil ihres Territoriums verhalten. Die EZB sollte die Priorität auf Sozialausgaben legen, um die Situation der Menschen zu erleichtern, statt darauf zu achten, dass die Inflation nicht mehr als 2% jährlich beträgt und so die Vermögenswerte schützt. Aber die EU wurde nicht auf humanistischen Idealen gegründet, sondern vielmehr auf ökonomischen Interessen mit einer neoliberalen Agenda. Daher wird es sehr schwer sein, ihre Politik zu ändern.
In diesem Kontext sollte die griechische Regierung den Weg vorschlagen, den man verfolgen sollte. Die Priorität müssen die Menschen sein und inhumane Kürzungen können nicht weiterhin angewandt werden in dem Versuch, ein Budgetplus zu generieren, das den Gläubigern erlaubt, weiterhin ausgezahlt zu werden. Schuldenrückzahlungen müssen ausgesetzt werden, zumindest für eine gewisse Zeit, bis das Land sich erholt hat, die soziale Situation sich verbessert hat und die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist. Danach kann Griechenland eine Restrukturierung der Schulden vorschlagen, um diese zu zahlen, ohne die Menschen dabei zu opfern. Und wenn die EU sich um die Situation der Griechen sorgt, sollte sie nicht nur diese Entscheidung ohne Repressalien akzeptieren, sondern sie sollte darüberhinaus Griechenland finanziell darin unterstützen, Entwicklungen voranzutreiben.. Aber da es schwierig sein wird, dass Ausführende einer Expansionspolitik in der Troika erscheinen, muss Griechenland wahrscheinlich den Euro verlassen, um befähigt zu werden, seine Geldwirtschaft selbst zu kontrollieren und sich zu erholen. Die Probleme, die dies zuerst hervorrufen wird, sind geringer, vom sozialen Standpunkt aus gesprochen, als das, was die griechische Bevölkerung jetzt durchmacht. Natürlich werden sie eine Menge interner Streitpunkte lösen müssen und die Regierungskorruption bekämpfen müssen, aber das wird dafür geschehen, den Lebensstandard der Menschen zu bessern, und nicht, um die Wucherer reicher zu machen.
Wenn die EU sich nicht von innen heraus revolutioniert und ihre neoliberale Politik ändert, werden früher oder später Griechenland und vielleicht auch andere Länder den Euro verlassen. Wenn dies geschieht, sollte das nicht gesehen werden als Rückschritt der regionalen Integration, sondern vielmehr als Fortschritt in Richtung eines anderen Integrationsparadigmas: eine Integration, bei welcher die Menschen und nicht diejenigen, die heutzutage ihre größten Feinde geworden sind – die Banken – die Priorität sind.
Übersetzung aus dem Englischen Johanna Heuveling