Wieder ist ein Flüchtlingsboot vor Lesbos gekentert. Seit Anfang August sind 33’000 Flüchtlinge auf Lesbos angekommen. Europa ist in der Verantwortung für die Bewältigung der Krise.
33‘000 Flüchtlinge sind allein seit dem 1. August 2015 auf der griechischen Insel Lesbos gelandet, Hunderte weitere kommen täglich an. 90 Prozent von ihnen sind Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan, Irak und Syrien. Ein Team von Amnesty International hat sich in den letzten Tagen vor Ort ein Bild der Lage gemacht und berichtet von erschreckenden Zuständen.
Die griechischen Behörden sind restlos überfordert. Da ihnen die erforderlichen Mittel fehlen, sind sie auf die Hilfe von Freiwilligen aus der Bevölkerung, NGO-Aktivistinnen und Touristen sowie auf das Uno-Flüchtlingshilfswerk angewiesen, um die Situation auch nur einigermassen zu bewältigen.
Die Lage, die das Amnesty-Team angetroffen hat, ist mehr als erschreckend: Überfüllte Auffanglager mit sanitären Anlagen in völlig desolatem Zustand; Menschen, die in Zelten auf einem Parkplatz übernachten müssen – falls sie überhaupt einen Platz zum Schlafen finden; Flüchtlinge, einschliesslich Frauen, Kinder, Alte und Kranke, die bei Temperaturen von über 35 Grad bis zu 70 Kilometer zu Fuss zurücklegen müssen, um von der Nordküste zum Aufnahmezentrum im der Hauptstadt Mytilene zu gelangen.
Am 24. August wurde zudem bekannt, dass ein Boot mit 15 Flüchtlingen an Bord vor Lesbos auf Höhe des Ortes Skala Mystegnon gekentert war. Gemäss unbestätigten Berichten konnten in einer Rettungsaktion neun Personen gerettet werden, nach fünf Vermissten sucht die Polizei weiterhin.
Amnesty International fordert:
- Mehr Personal in allen Bereichen, von den Empfangszentren über die Polizei bis zur Küstenwache
- Mehr Busse für den Transport von Flüchtlingen nach Mytilene und zu den Aufnahmezentren
- Bessere sanitäre Anlagen, medizinische und andere Infrastruktur in den informellen Lagern und am Hafen
- Ein offizielles Management für die informellen Camps, die zur Bewältigung der grossen Zahl von Neuankömmlingen geschaffen wurden
- Neue Empfangszentren im Norden von Lesbos, wo immer mehr Flüchtlinge ankommen.
«Die Wirtschaftskrise und die Krise der Flüchtlingspolitik überlagern sich in Lesbos und den anderen ägäischen Inseln. Den Preis dafür zahlen die Flüchtlinge und Migranten», sagt Gauri van Gulik von Amnesty International. «Die angekündigten EU-Gelder für Griechenland können helfen, darauf zu reagieren, doch dringend nötig ist auch operative Hilfe der europäischen Länder, um das Land bei der Bewältigung der Situation zu unterstützen. Auf längere Sicht muss Europa Druck von Griechenland nehmen, indem für Schutzbedürftige sichere und legale Zugangswege nach Europa geschaffen werden. Solange dies nicht geschieht, trägt Europa direkte Verantwortung für das, was auf Lesbos und an anderen Brennpunkten der flüchtlingspolitischen Krise geschieht.»