Vor einigen Stunden reichte der griechische Premierminister Alexis Tsipras seinen Rücktritt beim griechischen Präsidenten ein. Kurz zuvor richtete er sich in einer 15-minütigen Ansprache, die auch von vielen Presseagenturen weltweit übertragen wurde, an sein Volk. Gemäß der relevanten Artikel der Verfassung wird nun der Präsident anderen parlamentarischen Parteien das Mandat erteilen, eine Regierung zu bilden. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass es zu einer neuen Regierungsbildung kommt und das Land wird wohl von einer Übergangsregierung geführt werden, bis Neuwahlen stattfinden, was voraussichtlich in einem Monat der Fall sein wird.
Die Opposition erklärte, sie werde alle Möglichkeiten für eine neue Regierungsbildung ausloten und dazu mit allen im Parlament vertretenen Parteien Gespräche führen, auch mit der rechtsgerichteten „Goldene Morgenröte“, die bereits versprochen hat, das Memorandum und die „illegalen“ Migranten zum Hauptthema zu machen. Einige der Abgeordneten, die mit SYRIZA ins Parlament gewählt wurden, und die sich aber geweigert hatten, für die neuen Sparmaßnahmen zu stimmen, erklärten, dass für all diejenigen, die mit einer solchen Politik nicht einverstanden sind, sehr wohl die Möglichkeit bestünde, bei den Wahlen repräsentiert zu sein, was die Gründung einer neuen Partei impliziert.
In Brüssel fielen die Reaktionen auf baldige und schnelle Wahlen sehr positiv aus, wie aus den Kommentaren des Sprechers von J.C.Junker sowie den Worten von J.P. Moskovisi und J. Dijsselbloem zu entnehmen war.
Der Rücktritt Tsipras‘ erreicht die Griechen entweder müde und ausgelaugt in den Großstädten oder beim Versuch, sich in den Sommerferien zu erholen. Doch die Diskussionen darüber, für wen man bei den bevorstehenden Wahlen stimmen sollte, haben bereits begonnen. Fest steht, dass im Griechenland der vergangenen Jahre der Rekord für politische Instabilität gebrochen wurde. Es herrscht Enttäuschung als Resultat all dessen, was seit dem Referendum passiert ist. Möglicherweise werden viele Wähler der existierenden SYRIZA-ANEL Regierung aufgrund der inkohärenten Entscheidungen im Bezug auf die vorangegangenen Wahlversprechen den Rücken kehren, was zu einer niedrigen Wahlbeteiligung führen könnte. Wie einfach oder schwer wird es für eine neue Partei sein, die Leute innerhalb von 30 Tage für sich zu gewinnen? Wie viel Prozent der Wählerschaft werden zu anderen Memorandum-feindlichen Parteien innerhalb des Parlaments überlaufen? Wie viele Wähler werden SYRIZA treu bleiben, entweder weil sie der Meinung sind, dass eine aufrichtige Schlacht gegen die grausame Position der Eurozone geschlagen wurde und dass man nicht mehr hätte tun können, oder weil sie an die vorangegangenen Regierungen noch nicht einmal denken wollen. Wie werden die Menschen auf eine weitere Runde von systematischer Manipulation durch die Massenmedien reagieren?
Diese historische Momente sind entscheidend und die Welt blickt erneut besorgt auf Griechenland. Doch die Griechen sollten Ruhe bewahren, auch und nicht zuletzt, weil ein Monat in der Politik ein sehr langer Zeitraum sein kann.
Übersetzung aus dem Englischen von Evelyn Rottengatter