Oliver Feldhaus ist fast täglich vor dem LaGeSo, vor welchem Hunderte von Flüchtlingen auf Zuweisung einer Unterkunft warten und wo mittlerweile katastrophale humanitäre Zustände herrschen, die völlig unzureichend von Behördenseite angegegangen werden. Feldhaus dokumentiert die Ereignisse in Wort und Bild. Wer die Geflüchteten vor dem LaGeSo unterstützen möchte, findet hier wichtige Informationen – Was kann ich tun? Was wird gebraucht? An wen kann ich mich wenden? –
http://moabit-hilft.com/ und http://www.berlin-hilft-lageso.de/

Berlin 20. August, LaGeSo: Unbegleitete Minderjährige, medizinische Notfälle und für viele weiterhin keine Unterkunft.

Gegen 16 Uhr bin ich heute am LaGeSo in Berlin eingetroffen. Schon auf dem Weg dorthin fiel mir am Hauptbahnhof ein Junge auf, der offenbar rat- und hilflos nicht wußte, wo er hin sollte. In der Hand hatte er die mir mittlerweile wohlbekannten Zettel mit dem Briefkopf des LaGeSo und einen BVG-Stadtplan, in welchem jeweils die Nahverkehrsstationen Karlshorst (Flüchtlingsunterkunft), Turmstraße (LaGeSo) und Zehlendorf (Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtling) mit dem Kugelschreiber eingekringelt waren. Ich fragte den Jungen, ob ich ihm helfen könne und wo er denn hin wolle. Die Verständigung viel schwer, doch er verstand, dass ich zum LaGeSo wollte. Er war sichtlich erleichtert, dass ich ihn bis dorthin begleiten würde und ich war sicher, dass wir dort einen Sprachmittler finden und die Situation klären könnten. Auf dem Weg im Bus erzählte er mir, dass er M. heiße, 15 Jahre alt sei, aus Aleppo in Syrien stamme, alleine geflohen sei und sich seine Familie seines Wissens noch in Aleppo befinde. Er sei jetzt seit fünf Tagen in Berlin, davon vier Tage in Karlshorst und dort jetzt aufgefordert worden, sich nach Zehlendorf zu begeben. Am LaGeSo eingetroffen, traf es sich, dass just zu unserer Ankunft ein weiterer unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, Ch. (16), aus Syrien, Damaskus, eingetroffen war, um den sich die Helfer von „Moabit-hilft“ bereits bemühten. Ch. war zunächst mit seiner Familie aus dem Palästinenserlager Jarmuk nach Damaskus geflohen und wurde von dort dann alleine auf die weitere Flucht geschickt.
Ein für solche „Härtefälle“ jetzt bereitstehender freiwilliger (!) Helfer der Caritas nahm sich der Jungen an, telefonierte mit der Clearingstelle in Zehlendorf und vereinbarte, daß die beiden Jungen dort eine Unterkunft finden würden und dass er sie am Abend dort noch vorbei bringen werde. Da Ch. völlig ohne Gepäck und M. mit nur einer Tasche mit wenigen Habseligkeiten unterwegs war, wurden sie von den Helfenden von „Moabit hilft“ noch mit ein wenig Kleidung, Proviant und Hygieneartikeln aus dem Spendenfundus versorgt. Besonders anrührend war dann noch, als Ch., der erst heute in Berlin angekommen war, um ein Telefonat bat. Mit dem Handy eines Helfers rief er dann seine Familie in Syrien an, um zu berichten, dass er angekommen sei und dass es ihm gut ginge.

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Während die Jungen noch warteten, ging ich wieder auf das Gelände. Dort sah ich dann einen Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht an einem Baum lehnen. Noch während ich ihn ansprach, ob er Hilfe brauche, brach er zusammen und blieb reglos am Boden liegen. Ich lief zum nahen Medizinzelt der freiwilligen Helfer und alarmierte die Sanitäter. Dann lief ich zum einige hundert Meter entfernt stehenden Rettungswagen der Johanniter und alamierte die Notärztin. Zusammen liefen wir zurück, unterwegs rief jemand etwas von einem Messerstich und die Ärztin rief noch im Laufen einen Rettungswagen und die Polizei. Die Ärztin und die herbeigeeilten Sanitäter leisteten Nothilfe. Der Mann war offenbar nicht bei Bewusstsein und hatte eine stark blutenden Wunde am Bauch. Wenig später erreichte der Rettungswagen und ein weiterer Notarzt das Gelände und auch die Polizei rückte mit zahlreichen Einsatzkräften an. Der Mann wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Später erfuhr ich aus den Medien, dass er bereits mittags gegen 13 Uhr in der Turmstraße beim Einkaufen überfallen worden sei. Drei Personen hätten ihn ausgeraubt und mit einem Messer in den Oberkörper gestochen. Der Mann schleppte sich jedoch zurück zum LaGeSo. Wie es dem Mann jetzt geht, weiß ich nicht. Während die Polizei den Tathergang ermittelte, kümmerten sich die Helfenden von „Moabit hilft“ um die Angehörigen des Verletzten. Auch der LaGeSo Leiter Allert beobachtete vor Ort das Geschehen. Ob er in diesem Moment mehr Angst um das Leben des Mannes am Boden oder um seinen eigenen Job hatte, kann Allert wohl nur selbst beantworten.
In der Zeit bis zur Schließung des LaGeSo konnte ich zwei weitere Notfalleinsätze beobachten, die offenbar auf Kreislaufzusammenbrüchen und Erschöpfung zurückzuführen waren.
Nach Schließung des LaGeSo warteten immer noch zahlreiche Geflüchtete vor dem Amt, ohne eine Unterkunft erhalten zu haben. Auch hier bemühten sich Freiwillige von „Moabit hilft“ um eine private Unterkunft oder wenigstens um Decken und Schlafsäcke für die Nacht im Park.
All die vielen anderen Helfer werden viele ähnliche Ereignisse berichten können, von den Geflüchteten ganz zu schweigen.
Ich habe schon lange keine Worte der Empörung mehr über die Zustände vor dem LaGeSo. Die Ereignisse sprechen für sich.

Berlin 18. August, LaGeSo: „Ich komme mir vor, wie in einem Dritte Welt Land, und selbst dort gibt es richtige Versorgungszelte.“

Ein Bericht von Nadine Völker, einer ehrenamtlichen Helferin, über eine medizinische Notsituation gestern vor dem LaGeSo, der fassungslos macht:

„Rita. Ich höre ihren Namen später zum ersten Mal. Sie wird ihn nur noch leise und mit schmerzverzerrtem Gesicht aussprechen. Gestern, als wir Angst um sie und ihr ungeborenes Kind haben mussten. Jetzt erstmal spricht mich ein Mann in ein paar Brocken Deutsch an. Er hat zufällig mein Stethoskop um den Hals gesehen. Doctor? Ja. Er erklärt mir, dass es einer schwangeren Frau nicht gut gehe. Wir gehen hin und ich sehe eine blasse junge Frau. Hochschwanger, bestimmt 8./9. Monat. Sie fasst sich an den Kopf und zeigt, dass ihr schwindelig sei. Also Blutdruck messen. Ich gehe zurück zum Provisorium, das sich medizinisches Zelt nicht schimpfen darf. Es sind lediglich zwei kleine Kisten an Sammelsurium zu finden, von Ehrenamtlichen zusammen gesucht. Das Zelt steht auf Sandboden. Es gibt keine Untersuchungsliegen. Und auch gerade nicht das, was ich brauche. Kein Blutdruckmessgerät. Mist! Sie jetzt bis zum weit entfernten Johanniterbus zu bringen. Keine Chance. Also sage ich meiner ehrenamtlichen Krankenschwester- Kollegin Bescheid, sie solle messen, sobald sie das Gerät wieder habe und laufe mit dem Mann los, den Ehemann suchen, um zu erfahren, in welche Unterkunft sie sollen. Dann können wir sie mit gespendetem Taxigeld von „Moabit hilft“ gleich losschicken, anstatt sie noch mindestens zwei Stunden auf die Busse warten lassen zu müssen. So also der Plan. Sozialarbeit ist hier alles. Improvisation Regelwerk. Ich weise den Übersetzer an, bei der Frau zu bleiben und schnappe mir den Ehemann, der nur russisch spricht. Also hoch ins Haus J. Warten. Erklärungen. Warten. Übersetzer finden. Warten. Sie können uns nicht helfen. Verweis an Haus A. Also da in den vierten Stock. Security-Mitarbeiter meinen, die Verantwortliche stehe gerade unten vorm Haupteingang. Eine Telefonnummer haben sie nicht. Also wieder runter, dort gefragt. Sie sei Richtung Haupteingang gelaufen. Ok, so kommen wir gerade nicht weiter. Endlose Minuten Zeit sind vergangen. Aber nun will ich wissen, wie der Blutdruck ist, vielleicht müssen wir einen Rettungswagen holen. Der Mann spricht auch immer wieder von einem Tumor im Kopf. Als ich nachfrage, ist das Blutdruckgerät (das einzige?) der Ehrenamtlichen immer noch unterwegs. Der Frau geht es inzwischen sichtlich schlechter, sie hängt wie ein Schluck Wasser auf der Bank, wo sie wohl schon seit morgens sitzt. Anruf Johanniter. Als die angelaufen kommen erstmal Blutdruck messen, der ist niedrig, aber okay. Trotzdem geht es der Frau sehr schlecht und sie kann nicht laufen. Also auf die Plastiktrage gehievt von vier Männern getragen. Durch die Mengen erstaunter Augen laufen wir Richtung Johanniter-Wagen, der etwa 700 Schritte entfernt steht. Jeder Schritt wird zur Ewigkeit. Die Frau wäre ohne Schwangerschaft ein Fliegengewicht, aber die Männer schwitzen. Ich halte die kalte Hand der Schwangeren. Sie drückt meine. Sie hat Angst. Dafür bedarf es keiner Worte. Anspannung bei jedem. Plötzlich lässt der Druck, der meine Hand vorher umschloss, nach. Kaum noch Muskeltonus, der Arm hängt schlaff runter. Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden, Mädchen! Ich sage, sie solle die Augen öffnen, doch es passiert lange nichts. Meine Sprache versteht sie ja auch nicht. Dann erst auf heftigere Ansprache eine Reaktion. Noch 150 Schritte zum Wagen. Ewigkeit. Minuten werden zu Stunden. Angekommen. Der Johanniter- Notarzt übernimmt. Auch er, ein erfahrener Mediziner ist nicht mehr die Ruhe selbst. Wir haben inzwischen eine Übersetzerin gefunden, die hilft, herauszufinden, was es mit diesem Tumor auf sich hat. Alles kyrillische Schrift. Es dauert, im Wagen ist es eng. Wir vier Leute haben gerade so Platz. Nicht alle Sachen werden auf Anhieb gefunden. Anstatt eines Stauschlauches, versuche ich einen Handschuh um den Arm zu befestigen, der aber reisst. Ich komme mir vor, wie in einem Dritte Welt Land, und selbst dort gibt es richtige Versorgungszelte. Ich halte den Arm der Patientin weiterhin, in den inzwischen eine Infusion läuft, weil die Liege zu schmal ist. Sie klagt über Schmerzen um den Nabel und nun hyperventiliert sie auch noch, was wir daran merken, das sie Krämpfe in den Händen bekommt. Der Rettungswagen in die Frauenklinik ist längst gerufen. Aber wieder nur warten. Hektische Blicke zu den Vitalparametern. Dann immer wieder Ansprache. Rita, bleib wach. Nicht die Augen schließen. Sie hat Rückenschmerzen, Krämpfe und Schwindel, es sind nur Fremde um sie herum, weil kein Platz ist, es ist stickig, sie hat stundenlang im Freien gewartet, kaum gegessen, erwartet das erste Kind in der 30. Schwangerschaftswoche und hat wahrscheinlich ein Aneurysma im Kopf. Eine tickende Zeitbombe, die jederzeit auch platzen könnte und eventuell zu lebensgefährlichen Hirnblutungen führt. Die Frau fängt an zu zittern, bekommt Schüttelfrost, wahrscheinlich eine Infektion. Könnte es schlimmer sein für sie? Wir müssen WARTEN. Der Notarzt wiederholt ständig, in der Frauenklinik sei sie gut aufgehoben. Es ist, als wolle er sich selbst Mut machen, wie ein Mantra, das helfe, die Situation zu entschärfen, dass sie hier und jetzt schon nicht entgleisen werde und die Patientin es in die Klinik schafft. Warten. Zusehen. Hilflosigkeit. Dann endlich nach ca. 12-15 Minuten kommt der ersehnte Rettungswagen. Erleichterung bei allen. Nach kurzer Übergabe wird die Patientin umtransportiert und kann mit Ehemann und Übersetzerin ins Krankenhaus fahren. Ich staune über ihre Tapferkeit. Sie ist so ruhig geblieben und hat nicht einmal angefangen zu weinen, angesichts ihrer hilflosen Situation. Aus Tschetschenien sind sie. Wer weiß, was die junge Frau schon erlebt hat in ihrem Leben, dass sie nicht mal weinen konnte. Ich stehe noch schweißgebadet vor dem Wagen. Einmal war es sehr anstrengend, die ganze Zeit den Arm zu halten und natürlich auch psychisch. Da spricht mich ein Sanitäter an, den ich bisher noch nie gesehen hatte. Scheint hier neu im Einsatz zu sein, ist aber schon ein erfahrener Kollege. Er fragt mich, ob ich hier ehrenamtlich helfe. Ich bejahe. Was dann folgt, überrascht sogar mich, vor allem in der Deutlichkeit, wie es vorgetragen wird. Wir stehen etwas abseits, so dass keiner mithören kann. Immer wieder guckt sich der Mann um, ob niemand in der Nähe ist. „Sie haben ja gesehen, dass selbst wir hier ganz schnell an unsere Grenzen stoßen können. Und das war nur EIN Fall zur gleichen Zeit. Das kann noch ganz anders aussehen. WIR können da aber nichts sagen, ich bin da in Abhängigkeiten gebunden. Aber SIE, sie könnten das alles weitergeben und sich einsetzen.“ Sinngemäß wiedergegeben. Manche Worte davon habe ich aber noch ganz genau im Ohr. Wenn die professionellen Helfer sich schon so allein gelassen fühlen, wie fühlen sich dann erst die Ehrenamtlichen. Herr Allert, ich hätte Sie gerne auch in diesem engen Wagen gesehen, mit dem wenigen an medizinischer Möglichkeit und Personal vor Ort, oder gerne beim Tragen dieser Schwangeren über das halbe Gelände, weil ja kein Versorgungszelt an Ort und Stelle war, wo es gebraucht wird. Oder im Verwaltungsgebäude herumirrend, auf der Suche nach Verantwortlichen für medizinische Notfälle, während man weiß, es geht einer Patientin schlecht. Oder verzweifelt nach Übersetzern suchend, da ja keine gestellt sind für den Arzt. Aber ich sehe Sie nur abends, wenn die Flüchtlinge schon weg sind und Sie Interviews geben möchten, erklärend wie sich die Situation entschärft habe. Bitter und unzumutbar nenne ich sie, vor allem für die Flüchtlinge, aber genauso für die professionellen und eigeninitiativ arbeitenden Leute vor Ort, denen Sie endlich Gehör geben müssen und auf deren Rat und Expertise Sie auch Wert legen sollten, damit nicht bald ein Unglück passiert. Hören Sie auf, die Situation zu verleugnen und handeln Sie! Der humanitäre Katastrophenfall ist längst eingetreten. Wir sehen ihn jeden Tag. Er geht nicht von alleine Weg, wie eine Erkältung, bei der man zuwartet und mit Hausmittelchen weiter kommt. Es bedarf einer gut geplanten Operation. Die Maßnahmen reichen aus medizinischer Sicht nicht im Geringsten, sind ganz klar verhöhnende Augenwischerei. Wären Sie in dieser Situation dabei gewesen, wüssten Sie das. Aber für Sie wird diese schwangere Frau nur eine Nummer bleiben. Sie haben ihren Namen nicht gehört. Sie heißt Rita.“

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Berlin 17. August, LaGeSo: Nichts wurde von den Versprechen von Müller, Czaja und Allert heute eingelöst.

Die versprochene amtliche medizinische Versorgung ist nach wie vor nicht vor Ort.

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Ärzte organisieren privat medizinische Nothilfe

Noch immer herrschen dieselben katastrophalen und menschenunwürdigen Bedingungen für die Geflüchteten wie in der Woche zuvor. Nichts wurde von den Versprechen von Müller, Czaja und Allert heute eingelöst. Noch immer liegen Kinder vor dem LaGeSo im Dreck. Noch immer sind viele Geflüchtete obdachlos, noch immer sind Kranke, Alte, Schwangere und Verletzte unversorgt.

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Noch immer muss die medizinische Versorgung ebenso von den freiwillig Helfenden von „Moabit hilft“ organisiert werden, wie die Versorgung der Geflüchteten mit Wasser und Lebensmitteln und vielem anderen Lebensnotwendigem mehr.

Die Initiative „Moabit hilft“ wirft dem Senat und dem LaGeSo darum zu Recht vor, die Lage vor dem LaGeSo zu eskalieren und spricht von „unterlassenen Hilfeleistungen eines beschämenden und katastrophalen Ausmasses“.

Hier die Erklärung im Wortlaut:
http://moabit-hilft.com/…/Pressemitteilung-Moabit-Hilft-LaG…
https://www.youtube.com/watch?v=sThV8DKydto&feature=youtu.be

Berlin 14. August, LaGeSo: Wissen die Regierenden eigentlich noch was sie tun?

Da kommst du abends nach einem Tag vor dem LaGeSo nach Hause, an dem du dort die alte Frau mit gebrochenem Arm und Bein in sengender Hitze im Staub hast liegen sehen, der Mann, der dringend ins Krankenhaus muss, weil das Auge, in dem sich ein Bombensplitter aus Aleppo befindet, hoch entzündet ist, er aber seit Tagen obdachlos mit seinen zwei kleinen Kindern und seiner Frau in einem benachbarten Park übernachten muss oder die syrische Familie mit dem kleinen gelähmten Mädchen, die erst nach privatem Einsatz eine Unterkunft bekommt – und dann schaltest du nach diesem Tag den Fernseher an und Dein Innenminister erklärt dir, dass den Geflüchteten das Taschengeld gekürzt werden müsse.

Da kommen Gefühle in mir hoch, für die ich überhaupt keine Worte habe.

Berlin 13. August, LaGeSo: „Bleibt dran, macht weiter, seid laut, lasst uns jedem zeigen, dass es auch anders geht.“

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Man sieht es den Gesichtern vielleicht an, nach dem über 2stündigen Gespräch blieben Erschöpfung, Skepsis aber auch die Hoffnung, dass man endlich einen Schritt weiter gekommen ist, um die Situation der Geflüchteten etwas erträglicher zu gestalten. Diana hat in der unten stehenden Erklärung aber deutlich gemacht, was nach wie vor nötig ist: Dran bleiben und weiter machen!

„Liebe Alle.Wie vielleicht einige von Euch schon durch verschiedene Kanäle mitbekommen haben, gab es heute einige Wendepunkte während unserer Arbeit. Das Veterinäramt führte eine Kontrolle im Haus R durch und hat uns Auflagen vorgeschrieben, die eine weitere Versorgung der Menschen, so wie wir es notgedrungen aufgrund der zugeteilten Räume, die letzten Tage versucht haben, unmöglich machen. Direkt im Anschluss hatten wir (Orga-Team) endlich, nach einer Woche Bemühungen um eben diese Kommunikation, ein Meeting mit dem Leiter des LaGeSo und seinen Vertretern und dem Bezirksbürgermeister. Zwei Stunden Debatte haben einiges bewegt:
1. Wir konnten das erste mal klar machen, wie riesig die Solidarität und dadurch die Vernetzung und Reichweite ist und was das für mediale Konsequenzen haben kann, wenn man nicht endlich zusammen arbeitet.
2. Es wurde sofort nach Lösungen für die Essenszubereitung gesucht und vermutlich auch eine gefunden.
3. Wenn alles klappt, wird ab Montag eine Hilfsorganisation unsere organisatorische Leitung übernehmen, die wir nicht mehr leisten können und wollen, da wir eine Privatisierung der humanitären Hilfe ablehnen und dazu nach dieser Woche so heftig an unsere körperlichen und emotionalen Grenzen stoßen, dass es langsam untragbar wird und natürlich keiner für immer ein Ehrenamt in der Form ausüben kann. Das ist eine Brückenlösung, bis es eine feste gibt. Wir bleiben natürlich trotzdem dabei, aquirieren weiter Spenden, Helfer_innen usw., aber eben nicht mehr 17 Stunden am Tag.
4. Für eine angemessene ärztliche Vollversorgung wird ab morgen, spätestens Montag gesorgt
5. Es wird gerade eine Fläche vorbereitet, auf der große Zelte stehen werden, um die wartenden Menschen auch vor Unwetter zu schützen.
6. Es werden neue Unterkünfte erschlossen.
Das und noch einiges mehr. Wir sind mit diesem Dialog zufrieden, wir versuchen die Zusammenarbeit zum Wohl der Geflüchteten weiter zu optimieren.
Trotz der schrecklichen, unmenschlichen Bedingungen der letzten Woche, haben wir alle, die sich engagiert und ihren Mund aufgemacht haben, einen Druck aufgebaut und eine Hilfestellung geleistet, die in der Form nicht mehr einfach ignoriert werden kann und nur dadurch wird wenigstens hier vorm LaGeSo und hoffentlich in den Unterkünften für die Menschen eine humanere Grundlage geschaffen, um die Scheiße, die davor war und die danach kommen wird, etwas gestärkter und nicht noch demoralisierter zu überstehen.
Bleibt dran, macht weiter, seid laut, lasst uns jedem zeigen, dass es auch anders geht. Vielleicht krabbeln so mehr Menschen an vielen Orten aus ihren Komfortzonen und organisieren sich. Danke an alle Unterstützer_innen! Refugees Welcome!“

Berlin 11. August, LaGeSo: Aber nichts ist gut!

Auch heute stehen die Geflüchteten schon wieder seit 4:30 am Morgen vor dem LaGeSo an.
Und auch weiterhin wird die Behörde nichts im Griff haben und auch heute wird sich das (gewollte?) Totalversagen der Berliner Politik zeigen.

Für Würde und Respekt für die geflüchteten Menschen dort aber sorgen die freiwillig Helfenden.

Aber nichts ist gut!
Manches war heute etwas besser vor dem LaGeSo in Berlin, weil sich seit Tagen freiwillig Helfende bewundernswert um das Lebensnotwendigste der Geflüchteten bemühen, und die Politik gezwungen wurde, zu reagieren.
Nichts ist gut, weil die Geflüchteten von den politisch Verantwortlichen offenbar weiterhin in erster Linie als unangenehmes Problem und nicht als Menschen in Not begriffen werden. Anders kann ich mir nicht erklären, dass man diesen Menschen noch immer Bedingungen zumutet, die niemand von uns auch nur zwei Tage und Nächte erdulden könnte.

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Berlin 10. August, LaGeSo: „Oh wie sehr wünschte ich mir, dass dieser Junge einmal sagen kann „Papa, danke, dass du uns gerettet hast“.

Die Situation vor der LaGeSo war heute durch die enorme Hilfsbereitschaft aus der Zivilgesellschaft, und der so geleisteten Versorgung der Geflüchteten mit dem Nötigsten, ein wenig entspannter, als noch in der letzten Woche. Und auch die Mitarbeiter des LaGeSo tun ihr Möglichstes und mit jetzt etwas verstärkten Kapazitäten. Aber dennoch war die Situation vor dem LaGeSo in Berlin weiterhin so völlig unhaltbar und unwürdig, dass Hilfe und Unterstützung für die Geflüchteten nach wie vor mehr als dringend nötig ist. Einfach mal vorbei kommen und ein bisschen freundlich sein, kann auch sehr hilfreich sein.

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Berlin 7. August, LaGeSo: Eine Aufgabe, vor der die Behörde, der Senat, die Politik in Berlin total versagen.

Es war ein Tag, der für mich von Eindrücken voller Beschämung und Empörung geprägt war. Vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) Berlin harrten Hunderte von Flüchtlingen unter erbärmlichen Bedingungen, unterversorgt und obdachlos aus, um dort ein Papier für eine Notunterkunft zu bekommen, das dann oft doch nichts wert ist, weil sie an allen zugewiesenen Unterkünften wieder abgewiesen werden, weil auch diese heillos überfüllt sind.

Viele sind seit Tagen auf den Wiesen vor dem LaGeSo, manche erzählen mir, dass sie seit zwei, drei Wochen ohne Obdach sind und in angrenzenden Parks übernachten. Unter ihnen sind viele Familien mit Kindern, manche krank, Säuglinge, schwangere Frauen.

Und dann gibt es diese Momente der Freude und der Hoffnung, wenn eine Welle von Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung die Geflüchteten mit Wasser, Brot, Zahnpasta, Binden, Windeln oder Schirmen gegen die sengende Sonne und ein wenig mit Respekt und Würde versorgt. Eine Aufgabe, vor der die Behörde, der Senat, die Politik in Berlin total versagen.

Und dann gibt es die kurzen Momente, in denen echtes Glück in den Augen der Kinder aufscheint. Wenn zum Beispiel einfach einer auf die Idee kommt, einen dicken Schlauch mitzubringen und anfängt die Kinder, die seit Tagen unter der Hitze leiden, nass zu spritzen. Oder wenn da plötzlich ein Kleinlaster vorfährt, bis unters Dach voll mit Speiseeis, das ein kleines Unternehmen gespendet hat, und dies dann von vielen freiwilligen Helfern an die Menschen verteilt wird.

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