Am Montagabend des 20. Juli 2015 hat die Internetplattform WikiLeaks neue Dokumente veröffentlicht, die Beweis sollen, dass das Auswärtige Amt und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier offenbar systematisch vom US-amerikanischen Nachrichtendienst NSA abgehört worden ist.
Auf der Liste stehen insgesamt zwanzig Nummern, darunter auch mehrere Telefonnummern, die die NSA Steinmeier und dem Auswärtigen Amt zugerechnet hat.
Bereits in den vergangenen Wochen hatte Wikileaks insgesamt 125 Spähziele der NSA im Kanzleramt, im Bundesfinanzministerium, im Bundeswirtschaftsministerium sowie im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlicht. Es soll sich bei diesen Dokumenten auch um das Ausspionieren des schon damals tätigen Außenministers und Vizekanzlers, Joschka Fischer, in dem Zeitraum von 1998 bis 2005 handeln.
Von zentraler Bedeutung für die heutige Veröffentlichung ist ein “Top Secret“ Bericht der NSA über die Kommunikation von Außenminister Steinmeier. Diese Dokumente sollen am 29. November 2005 während eines offiziellen Besuchs von Frank-Walter Steinmeier bei seiner US-amerikanischen Amtskollegin, Außenministerin Condoleezza Rice entstanden worden sein. Ein Abschnitt des Berichtes enthielt die Information, dass Steinmeier „erleichtert schien“, dass es keine endgültige Antwort des US-Außenministeriums auf seine Anfrage gab, bei denen es um illegale CIA-Flugtransporte über Deutschland in geheime Gefängnisse in Osteuropa ging. In den führenden Nachrichtenmedien wurde behauptet, dass europäische Bürger und Einwohner außerhalb jeder Gerichtsbarkeit entführt und unter einer geheimen „schwarzen Liste“ von Gefängnisse ungestraft gefoltert und durch die CIA vernommen wurden.
Zumindest in einem Fall ist ausführlich dokumentiert, dass das verschleppte Opfer, der Ägypter Abu Omar, über den US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein in ägyptische Folterhaft gebracht worden ist. Wegen dieser Entführung sind später mehrere CIA-Agenten in Mailand in Abwesenheit zu langen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Jahrelange Ermittlungen der für Ramstein zuständigen Staatsanwaltschaft Zweibrücken gegen Unbekannt wegen Freiheitsberaubung und Nötigung mussten eingestellt werden. Die Bundesregierung hatte erklärt, sie habe keine Kenntnis über die Identität der Passagiere.
Es erfolgten nacheinander Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Gremien, wie dem Europarat, die untermauerten, dass außergerichtliche Überstellungen tatsächlich durchgeführt wurden. Damit erklärt eventuell auch die jetzige Situation von Julian Assange, der seit drei Jahren in der Ecuadorianischen Botschaft in London geflüchtet ist, da er befürchtet in die USA ausgeliefert zu werden.
Im Jahr 2007 gab das Europäische Parlament die Feststellung in einem Bericht eines Sonderuntersuchungsausschuss bekannt, wo festgestellt wurde, dass Deutschland neben anderen Staaten, diese außerordentlicher Überstellungen der CIA gefördert hatte bzw. die Programme bekannt waren.
Bevor Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2005 Außenminister wurde, war er als Leiter der Reichskanzlei (Stabschef) in der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, wo er für die Koordinierung der Arbeit der deutschen Geheimdienste zuständig war.
Während dieser Amtszeit im Jahr 2004 wurde der deutsche Staatsbürger, Khaled El-Masri, von der CIA an einem „geheimen“ Ort in Afghanistan entführt, wo er verhört und vier Monate lang gefoltert wurde. Bis schließlich die CIA erkannte, dass sie den falschen „El-Masri“ festgenommen hatten. Sie warf den Deutschen auf einer verlassenen Straße in Albanien und begingen einen Vertuschungsversuch. Der Fall El-Masri wurde durch zahlreiche Beweise untermauert und auf verschiedene Anfragen der Menschenrechtsorganisationen im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag bestätigt.
Julian Assange sagte zu den aktuellen Dokumenten, dass diese neuen Veröffentlichungen beweisen, dass die NSA dazu verwendet wurde, um die Maßnahmen der CIA straflos und systematisch im stillschweigenden Einverständnis mit den europäischen Regierungen durchzuführen. Unter diesen speziellen Maßnahmen soll es sich auch um Menschenrechtsverletzungen wie Entführung und Folter handeln.
„Ich würde mich freuen, wenn die deutschen Bundestagsabgeordneten zu mir kämen, um ihre Fragen zu stellen“, sagt der Wikileaks-Chef, Julian Assange in einem Interview mit dem „Spiegel“ vom 17. Juli 2015. Er biete sich dem Deutschen Bundestag als Zeuge zur Aufklärung der Spionageaktivität des US-Geheimdienstes NSA in Deutschland an. Des Weiteren könne er ihnen insbesondere über die US-Listen mit überwachten deutschen Politikern Auskünfte erteilen, auf denen auch Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier gestanden haben sollen. Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses würde er die unlängst von der Plattform veröffentlichten Listen auch ungeschwärzt übergeben.