Florian Chefai, Artikel erschienen bei unserem Partner
Der saudi-arabische Blogger Raif Badawi wurde wegen „Beleidigung des Islams“ zu 1.000 Stockhieben, zehn Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Ausgewählte Texte von ihm wurden vor Kurzem übersetzt und in einer Streitschrift im Ullstein-Verlag herausgegeben. Darin äußert er seine Ansichten zu Politik, Religion und Gesellschaft.
Raif Badawi ist zu einem Symbol der Meinungsfreiheit geworden. Im Juni 2012 wurde er aufgrund von regime- und religionskritischen Äußerungen festgenommen und zu einer brutalen Strafe verurteilt. Im Januar 2015 erhielt er auf dem Vorplatz der Al-Dschafali-Moschee in der Hafenstadt Dschidda die ersten 50 von 1.000 auferlegten Peitschenhieben.
Nachdem weitere körperliche Bestrafungen bislang aus medizinischen Gründen ausgesetzt werden mussten, hat das höchste saudische Gericht das Urteil gegen Badawi vor Kurzem unwiderruflich bestätigt. Allein eine Begnadigung durch den saudi-arabischen König und Premierminister Salman ibn Abd al-Aziz kann ihn vor weiterer Folter bewahren.
In einer von Constantin Schreiber herausgegebenen Streitschrift im Ullstein-Verlag kann man einen Einblick in Badawis Gedanken und politische Einstellungen erhalten. In 15 ausgewählten Texten setzt sich Badawi in aufklärerischer Manier mit den Strukturen eines theokratisch-autoritären Regimes auseinander und fordert Pluralismus, Toleranz, Menschenrechte und die Gleichberechtigung der Frau.
Badawi verteidigt in seinen im Buch abgedruckten Blog-Beiträgen entschieden den Liberalismus und die damit einhergehenden Freiheitsrechte des Individuums. „Meinungsfreiheit ist die Luft, die jeder Denker zum Atmen braucht, der Zündstoff für das Feuer seiner Ideen“, schreibt Badawi und befürchtet, „dass die klugen Köpfe der arabischen Welt eines Tages alle auswandern werden, auf der Suche nach frischerer Luft, irgendwohin, weitab von den Schwertern des religiösen Autoritarismus.“
Badawi verdeutlicht, dass ein richtig verstandener Liberalismus keineswegs per se im Widerspruch zur Religion stehe. Vielmehr sei er die Grundvoraussetzung für Religionsfreiheit und einen offenen Dialog in der Gesellschaft. Religionen sind für ihn keine Angelegenheit des Staates, sondern bloß eine personliche Entscheidung. Die Mehrheitsmeinung darf dem Einzelnen nicht aufgedrängt werden.
Für seine freie Meinungsäußerung mussste Badawi bereits viel erleiden. An die deutschen Leser gerichtet, schreibt er aus dem Gefängnis: „Jetzt, da ich Ihnen diesen Text schreibe, habe ich drei Jahre meiner Haftstrafe hinter mir, wurde ausgepeitscht, und meine Frau und meine drei Kinder mussten ins Ausland ziehen, nachdem man sie immer stärker unter Druck gesetzt hatte. All dies grausame Leid ist mir und meiner Familie nur deswegen widerfahren, weil ich meine Meinung ausgedrückt habe. All das war der Preis für jeden Buchstaben in diesem Buch!“
Die Streitschrift „1000 Peitschenhiebe – Weil ich sage, was ich denke“ ist ein Non-Profit-Pojekt zugunsten des Autors. Der Kauf lohnt sich also aus zweierlei Gründen: Man erwirbt nicht nur ein scharfsinnigfes Plädoyer für Humanismus und Aufklärung, sondern kann damit auch einen mutigen und toleranten Freidenker in drastischer Not unterstützen.
Raif Badawi; 1000 Peitschenhiebe – Weil ich sage, was ich denke, Ullstein 2015, ISBN 978–3–550–08120–0, 4,99 Euro