Irland gehört zu den Ländern mit den restriktivsten Abtreibungsgesetzgebungen weltweit. Amnesty International dokumentiert die lebensgefährlichen Folgen der geltenden Regelungen für schwangere Frauen und Mädchen und lanciert eine Kampagne: Irland muss den Schwangerschaftsabbruch endlich entkriminalisieren und den Zugang zu sicheren und legalen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs gewährleisten.

Schwangere Frauen riskieren unter Umständen ihr Leben oder ihre Gesundheit, wenn sie in Irland bleiben. Zu diesem Schluss kommt Amnesty International im neuen Bericht «She is not a criminal: The Impact of Irelands abortion law» (Sie ist keine Verbrecherin: Die Folgen der Abtreibungsgesetzgebung in Irland).

Nur wer in Lebensgefahr ist, hat in Irland das Recht, eine Schwangerschaft auf legalem Weg abzubrechen. Alle anderen Frauen oder Mädchen riskieren bis zu 14 Jahre Haft, auch wenn sie Opfer einer Vergewaltigung geworden sind oder ihre Gesundheit durch die Schwangerschaft gefährdet ist.

Damit gehört die Republik zu den Ländern mit den restriktivsten Abtreibungsgesetzen weltweit und verstösst gegen internationale Menschenrechtsnormen. Mindestens 4000 Frauen und Mädchen sehen sich jedes Jahr gezwungen, ins Ausland zu reisen, um eine unerwünschte Schwangerschaft abzubrechen, und zahlen dafür einen hohen psychischen, physischen und finanziellen Preis. Wer sich das nicht leisten kann oder will, riskiert hohe Strafen für eine illegale Abtreibung zuhause.

«Wer eine Schwangerschaft abbrechen will, wird wie eine Verbrecherin behandelt, stigmatisiert, und gezwungen, ausser Landes zu reisen, auch wenn ihre Gesundheit auf dem Spiel steht», sagt Cyrielle Huguenot, Zuständige für Frauenrechte in der Schweizer Sektion von Amnesty International. «Irland darf vor den verheerenden Folgen einer Gesetzgebung, die jedes Jahr Tausende betrifft, nicht länger die Augen verschliessen.»

Frauen müssen um ihr Leben fürchten

Der Bericht basiert auf zahlreichen Aussagen von Frauen, die für einen Schwangerschaftsabbruch ins Ausland reisen mussten, weil er ihnen im eigenen Land verweigert wurde. Einige von ihnen erlitten Fehlgeburten, mussten aber zuvor noch wochenlang einen toten oder lebensunfähigen Foetus in sich tragen, in der vergeblichen Hoffnung, die nötige medizinische Behandlung in Irland zu erhalten.

So zum Beispiel Roíín: Sie wurde gezwungen, wochenlang einen toten Fötus im Bauch zu behalten, weil die Ärzte absolut sicher sein wollten, dass kein Herzschlag zu hören war: «Ich würde dem Gesundheitssystem für Frauen hierzulande nicht mehr trauen», sagte sie gegenüber Amnesty.

Lupe, die 14 Wochen lang einen Foetus ohne Herzschlag in sich trug, musste in ihr Heimatland Spanien reisen, um die nötige medizinische Behandlung zu erhalten: «Ich fühlte mich überhaupt nicht sicher…. Ich hatte wirklich Angst, weil mir klar wurde, dass diese Leute mich sterben lassen würden, wenn ich irgendeine Komplikation bekäme.»

Der Fokus auf den ungeborenen Fötus trifft nicht nur Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollen. Der schwer kranken Rebecca H. wurde zum Beispiel ein Kaiserschnitt verweigert, weil die Ärzte befürchteten, den Foetus zu schädigen. Stattdessen wurde sie gezwungen, 36 Stunden Wehen durchzustehen: «An erster Stelle kommt das Baby», war die Begründung. «Ich würde um mein Leben fürchten, wenn ich nochmals in Irland gebären müsste», sagte sie zu Amnesty International.

Informationsverbot

Für Ärztinnen und Ärzte schafft das geltende Gesetz ein grausames Dilemma: «Wir müssen warten, bis es einer Frau schlecht genug geht, bevor wir intervenieren dürfen. Wie nahe sie dem Tod sein muss – darauf gibt es keine Antwort», so Dr. Peter Boylan, Gynäkologe und früherer klinischer Direktor der nationalen irischen Geburtsklinik.

Ein separates Gesetz, der so genannte Regulation of Information Act, verbietet zudem Ärztinnen, Ärzten und dem Pflegepersonal unter Androhung von Strafe, Frauen vollumfänglich über die erforderliche Behandlung und über einen möglichen sicheren Schwangerschaftsabbruch zu informieren.

«Die irische Gesetzgebung hat rund um das Thema Schwangerschaftsabbruch ein Klima der Angst geschaffen», kritisiert Colm O’gorman, Direktor von Amnesty Irland. «Ärztinnen und Ärzte können bestraft werden, wenn sie ihre Patientinnen über Behandlungsmöglichkeiten aufklären. Manche Frauen suchen in der Folge überhaupt keinen medizinischen Rat mehr.»

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