Wohnungen sind plötzlich doch schon vergeben, auf WG-Plattformen antwortet niemand oder Vermieter:innen handeln bei Besichtigungen rassistisch. Für Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung scheitert die Wohnungssuche oft bereits wegen des eigenen Namens. FlüWi will das ändern und vermittelt WG Zimmer an geflüchtete Personen.
von Katrin Kastenmeier
Österreichweit stehen Wohnungen leer, während die Mieten steigen. Für viele wird der Wohnungsmarkt immer unbezahlbarer. Es gibt aber auch die, die von vorneherein gar keinen Zugang dazu bekommen. Denn Vermieter:innen, Hausverwaltungen und Makler:innen kategorisieren Bewerbungen oft nach einem unzulässigen Merkmal: dem Namen. Klingt er “österreichisch”, haben Bewerbende gute Chancen die Wohnung zu bekommen. Wird er als “anders” wahrgenommen, sinken sie extrem.
Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet es, dass Personen bei der Wohnungssuche aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werden. In der Praxis ändert das aber wenig. Eine Studie im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft zeigt die rassistische Diskriminierung: Im letzten Jahr wurden 157 Inserate in Graz, Wien, Innsbruck und Linz von zwei Testpersonen mit fiktiven Biografien kontaktiert. „Muhammad Asif“ erhielt nur für die Hälfte der Anfragen einen Besichtigungstermin. Fast jede fünfte Absage wurde damit begründet, dass die Wohnung bereits vergeben sei. „Michael Gruber“, der immer nach Asif anrief, erhielt jedes Mal einen Termin.
Was schützt vor Diskriminierung?
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen eine Studie der Universität Linz, der Arbeiterkammer Wien sowie eine investigative Recherche von Journalistinnen in Wien. Sie alle zeigen: Bei der Wohnungssuche in Österreich gibt es strukturellen Rassismus und soziale Schlechterbehandlung. Weil naturgemäß sehr intransparent ist, wie und warum man eine Wohnung bekommt oder eben nicht, bleibt den betroffenen Personen meist nichts anderes übrig, als eine Absage tatenlos hinzunehmen. Die AK-Studie zeigt: Von 2.317 Befragten in Österreich, gibt nur die Hälfte der Betroffenen einer Diskriminierung im Wohnbereich an, dass sie sich gewehrt hätten.
Die andere Hälfte gibt an, nicht genau zu wissen, wie sie sich wehren könnte. In Wien gibt es eine Stelle zur Bekämpfung von Diskriminierungen. Die Stadt will Betroffene künftig noch besser informieren, heißt es auf Nachfrage von MOMENT.at. Eine Strategie werde gerade ausgearbeitet. Bis dahin solle man sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden. Die staatliche Einrichtung vertritt und unterstützt Betroffene im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens. Dabei muss glaubhaft gemacht werden, dass man allein aufgrund bestimmter Diskriminierungsmerkmale die Wohnung nicht bekommen hat. Das ist kaum möglich. Die AK fordert deshalb strengere Gesetze in Bezug auf Wohnraumsuche.
Soziale Exklusion?
Personen, die aufgrund von Rassismus und Diskriminierung keinen Zugang zum Wohnungsmarkt finden, können aber nicht auf die nötigen politischen Veränderungen warten. Sie brauchen akut eine Wohnung. “Ganz besonders gilt das für geflüchtete Menschen, die neu nach Österreich kommen”, sagt Jascha Dor. Er arbeitet seit zwei Jahren bei FlüWi – kurz für “Flüchtlinge Willkommen”. Die NGO vermittelt freie Zimmer an Personen, die sonst aufgrund ihres Namens, ihres Aussehens oder ihrer Herkunft diskriminiert werden.
Kommen Schutzsuchende nach Österreich, durchlaufen sie erst einmal ein Zulassungsverfahren. Sobald sie zu einem Asylverfahren zugelassen sind, bekommen sie eine Grundversorgung. In Wien sind das insgesamt 235 Euro pro Monat. Nach positivem Asylbescheid müssen geflüchtete Menschen innerhalb von vier Monaten die Grundversorgung verlassen und eigenständig eine Wohnung oder ein Zimmer finden. Die Stadt Wien beschreibt den leistbaren und zugänglichen Wohnungsmarkt als eine “Voraussetzung für erfolgreiche Integrationswege und soziale Inklusion”. Jascha weiß: “Ein rassistischer Wohnungsmarkt schließt Asylwerber:innen aber konsequent aus”.
Geflüchtete bekommen kaum staatliche Hilfe bei der Wohnungssuche. Immer mehr leben in prekären Wohnsituationen. Sogenannte Schrotthäuser ohne Heizung, Strom und Warmwasser gibt es in Wien häufig. “Um nicht auf der Straße zu stehen, müssen Betroffene in diese kurz befristeten Unterkünften ziehen und mit mehreren Fremden in einem Zimmer leben”, sagt Jascha. Dabei zahlen sie viel zu hohe Mieten oder sind von Wohnungslosigkeit bedroht. Dahinter stecken oft verschachtelte Untermietkonstruktionen und Abzockerei. Die Mieter:innen leben unter menschenunwürdigen Verhältnissen.
Zusammenleben auf Augenhöhe
FlüWi vermittelt vor allem junge Einzelpersonen mit Fluchtgeschichte, die in eine WG ziehen wollen. 700 Menschen haben dadurch in den vergangenen acht Jahren eine langfristige Unterkunft gefunden. Bei FlüWi stehe die Qualität und nicht die Quantität im Vordergrund, sagt Jascha: “Wir nehmen uns sehr viel Zeit für eine Vermittlung, weil wir wollen, dass es zu einem längerfristigen Zusammenleben kommt”.
Die Vermittlung läuft niederschwellig und unbürokratisch ab: Hat man ein Zimmer frei, kann man es bei FlüWi registrieren. Sucht man ein Zimmer, kann man sich auf der Webseite anmelden. Die NGO führt beide Seiten zusammen. “Sobald wir sicher sind, dass die neue Person zur WG passt, bemühen wir uns, auch Personen mit geringen finanziellen Ressourcen, den Einzug zu ermöglichen” sagt Jascha. In den meisten Fällen können die Wohnungssuchenden zumindest einen Teil der Miete bezahlen. “Für den Rest können wir in vielen Fällen Mietkostenzuschüsse durch Spender:innen organisieren”. Nach dem Einzug unterstützt FlüWi mit Sachspenden, Gutscheinen von Partner-Organisationen und Sozialberatungen.
Was hat sich in den letzten Jahren verändert?
“Mittlerweile müssen wir viel schneller arbeiten und viel schneller vermitteln als früher”, sagt Jascha. Der Grund? Der finanzielle Druck sei auf beiden Seiten spürbar. Auch für die Menschen, die ein Zimmer anbieten, sind die Miet- und Lebenshaltungskosten immer schwieriger zu stemmen. “Da will niemand eine Monatsmiete doppelt zahlen, wenn ein Zimmer leer steht”, sagt Jascha.
Deshalb kommen mittlerweile auch Leute auf FlüWi zu, die ursprünglich nicht in einer WG gelebt haben, aber jetzt ein Zimmer untervermieten müssen, weil es sich für sie selber nicht mehr finanziell ausgeht. “An erster Stelle steht da nicht unbedingt der Gedanke, sich solidarisch mit geflüchteten Menschen zu zeigen, sondern der pragmatische Vorteil, die Wohnung halten zu wollen”, sagt Jascha. Das seien neue Herausforderungen, ein Zusammenleben auf Augenhöhe zu vermitteln.
Aber auch für die Zielgruppe von FlüWi ist die Teuerung und Erhöhung der Mietkosten ein großes Problem. “Die Differenz zu dem, was sich eine geflüchtete Person leisten kann und was ein Zimmer mittlerweile tatsächlich kostet, wird immer größer”. Dazu kommt: Der Andrang an günstigen Wohnungen sei aktuell riesig. “Aus Erfahrungen wissen wir: Auf eine Wohnung kann es schon mal passieren, dass rund 150 bis 200 Anfragen kommen. Eine junge geflüchtete Person hat da alleine oft keine Chance”, sagt Jascha.
Die Politik ist am Zug
FlüWi hat deshalb auch das Ziel, den Austausch zwischen Menschen mit Fluchterfahrung und der Lokalbevölkerung zu fördern. Jascha ist der Ansicht: “Wenn Menschen organisiert untergebracht sind, sind sie auch stark isoliert von der restlichen Gesellschaft.” Wenn sie in WGs wohnen, würden sie einen ganz anderen Zugang dazu finden. Kleine Netzwerke und Freundschaften könnten hier viel leichter geschlossen werden. Das helfe sehr, wenn man sich in einer neuen Stadt und anderen Kultur erst einmal zurechtfinden muss. Oft passieren auch berufliche Kontakte, sagt er. “Eine soziale Inklusion auf allen Ebenen, die Vorurteile abbaut.”
Die private Unterbringung soll den Staat aber nicht aus der Verantwortung nehmen. Dass Wohnungen als Spekulationsobjekte leer stehen und die Miete hochschießt, kritisiert Jascha. Das fällt in die Verantwortung der Politik. Und er findet: “Solange die das diskriminierende Wohnsystem nicht bekämpft wird, ist die Forderung nach Integration nur problematisch und leer.” Wien verstärke es sogar durch strenge Regeln für den Zugang zum Gemeindebau. Aktuell scheitert das unter anderem daran, dass Menschen zwei Jahre an derselben Adresse gemeldet sein müssen, um Anspruch auf eine Gemeindebauwohnung zu haben. “In der Praxis ist das bei geflüchteten Personen nie der Fall, das wissen wir”.
Wohnen ist ein Menschenrecht. Aber nicht für alle?
“Wir kritisieren die zentrale Unterbringung in Massenunterkünften oder unsicheren Wohnverhältnissen, die Menschen stigmatisiert und ausgrenzt”, sagt Jascha. Laut Rechnungshofbericht über die Betreuung von geflüchteten Menschen ist die individuelle Unterbringung deutlich kostengünstiger als die organisierte Unterbringung von Asylwerber:innen. “Es müsste also eine klare politische Entscheidung geben, die sagt: ‘Wir sind davon überzeugt, dass es eine gute Idee ist, Menschen im Asylprozess privat unterzubringen.’ Und die das dementsprechend finanziell auch unterstützt”, sagt Jascha.
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