Jahrzehnte verfehlter Agrarpolitik brachten die Landwirtschaft an den Subventionstropf. Heute machen „Wachse-oder-weiche-Drohungen“ und das unfaire Preisdiktat der Konzerne die Misere komplett. Was die Bauern jetzt brauchen, ist ihre Befreiung von diesen Zwängen. Damit bäuerliche Betriebe wieder von ihrer Hände Arbeit leben können, ohne klimaschädliche Subventionen!
Vergangene Woche schienen sich die Bauernproteste primär gegen die angekündigten Kürzungen der Agrardiesel- und KFZ-Steuer-Subventionen zu richten. Damit hatten sie ein geteiltes Echo im Netzwerk der Ernährungsräte: „Denn einerseits kennen wir genug Beispiele in unseren eigenen Reihen für die wenig beneidenswerte Lage gerade der kleineren und mittleren Betriebe. Andererseits können wir die Beibehaltung von Subventionen nicht gutheißen, welche die Bauern auf eine für viele prekäre Zwangslage festlegen. Vor allem nicht, wenn sie dem Klimaschutz entgegenstehen“, erklärt dazu Judith Busch, Mitglied des Netzwerkvorstands.
Inzwischen wird deutlich, dass es um viel mehr geht, als das kleinteilige Feilschen um vergleichsweise geringe Einsparpotentiale. Allein die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs brächte ein Vielfaches! Die gegenwärtige Lage vieler Landwirt:innen ist zudem nicht über Nacht durch einen unsozial übers Knie gebrochenen Ampelbeschluss entstanden.
Der bäuerliche Protest dieser Tage ist die lange vorhersehbare Reaktion auf alte und neue Fehlentwicklungen der deutschen und der EU-Agrarpolitik. Er wirft Fragen auf, was uns unser Essen und eine naturverträgliche regionale Landwirtschaft wert sind und wieviel Anerkennung die Bauern verdienen. Und ebenso nach dem Maß an demokratischer Kontrolle, das wir alle als Gesellschaft über unser Ernährungssystem haben oder haben sollten.
Zudem fragt sich, wie es sein kann, dass die Lebensmittelkonzerne ihre Marktmacht in den letzten Jahren – nicht zuletzt auf Kosten der Erzeuger und der Umwelt – für erhebliche Profitsteigerungen nutzen konnten. Und wie es möglich ist, dass vier Lebensmittelriesen auf der Rangliste der zehn reichsten deutschen Unternehmen zu finden sind, während gleichzeitig die Mehrzahl der bäuerlichen Betriebe am Limit ackert und dennoch sinkende Einkommen verkraften soll.
Auf all das braucht es jetzt endlich faire, sozial gerechte Antworten, am besten aus einer partizipativ geführten öffentlichen Debatte und dem darauffolgenden agrarpolitischen Umsteuern. Alle Bauern und Bäuerinnen, die eine agrarpolitische Wende fordern, welche die nötigen Rahmenbedingungen schafft, um betriebswirtschaftlich unabhängig, fair bezahlt und ökologisch nachhaltig gutes Essen für die lokale Bevölkerung zu produzieren, haben daher die uneingeschränkte Unterstützung des Ernährungsrätenetzwerks! „Eine Regierung, die die nötigen Reformen und Weichenstellungen jetzt noch weiter aufschiebt oder mit faulen Kompromissen schwächt, wird die Quittung von Rechtsaußen bekommen. Eine sozial und klimagerechte Landwirtschafts- und Ernährungspolitik wird dann zum Schaden aller noch schwerer umzusetzen sein”, warnt Vorstandsmitglied Gundula Oertel. Was ein agrarpolitisch progressiver Pakt zwischen allen am Ernährungssystem Beteiligten und der Politik beinhalten müsste, ist längst klar und braucht keine neuen Expertenkommissionen. Was wir jetzt brauchen, ist mehr Ernährungsdemokratie und die Abkehr von überholten agrarpolitischen Konzepten. Und dies zudem anstelle von Regierungspolitik, die allzu oft dem Lobbydruck der Nahrungsmittelkonzerne, der Einzelhandelskonzerne und Agrarlobbyisten für ein “Weiter-wie-gehabt” nachgibt!