Die UNESCO hat am 6. Dezember 2023 das Hebammenwesen in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Die UN-Organisation würdigt damit die weltweite kulturelle Vielfalt, die sich in der Praktik widerspiegelt. Das grundlegende Wissen und Können von Hebammen gleicht sich auf der ganzen der Welt, weist aber je nach Erdteil viele regionale und kulturelle Besonderheiten auf. Das Hebammenwesen wurde von acht Staaten für die UNESCO-Liste nominiert. An dem Antrag beteiligte sich Deutschland gemeinsam mit Kirgisistan, Kolumbien, Luxemburg, Nigeria, Slowenien, Togo und Zypern. Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe tagte noch bis zum 9. Dezember in Kasane, Botswana.

„Das Hebammenwesen ist ein wundervolles Beispiel für die Menschlichkeit unseres Erbes! Es zeigt, wie kulturelle Traditionen unsere Welt einen können. Ich gratuliere all den Hebammen, ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern, die so viel Herz, Geduld und Zeit in diese Nominierung investiert haben. Die gemeinsamen Anstrengungen von Menschen aus so unterschiedlichen Weltregionen ist gelebte Vielfalt“, erklärt Kerstin Pürschel, Deutschlands Botschafterin bei der UNESCO.

Hebammen begleiten werdende Mütter vom Beginn der Schwangerschaft über die Geburt bis zum Ende der Stillzeit und unterstützen Familien beim Übergang in einen neuen Lebensabschnitt, wodurch sie einen besonderen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit leisten. Während der Schwangerschaft übernehmen und veranlassen Hebammen Vorsorgeuntersuchungen, beraten und begleiten bei Beschwerden oder der Wahl des Geburtsorts. Sie nutzen evidenzbasierte Forschung und Intuition ebenso wie empirisches und traditionelles Wissen.

„In einem sehr innovativen interkontinentalen Antrag haben acht Staaten auf vier Kontinenten über Jahre zusammengearbeitet, um zu zeigen, wie essenziell das Hebammenwesen für die Menschheit ist. Diese globale wertvolle Tätigkeit der Hebammen geht weit über die UNESCO-Auszeichnung hinaus. In ihrer alltäglichen Arbeit leisten Hebammen einen äußerst wichtigen Beitrag zu einer menschenwürdigen Geburt“, erläutert der Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission Christoph Wulf.

Überall auf der Welt stehen erfahrene Hebammen Gebärenden zur Seite. Mit ihrer Arbeit schützen sie grundlegende Menschenrechte, insbesondere von Frauen. Neben ihren medizinischen und anatomischen Kenntnissen stützen sich Hebammen auf ihre Sinne: Betrachten, Berühren, Fühlen, Riechen. Anhand von Tastbefunden erfassen sie etwa die Größe, Lage und Vitalität des Kindes. Mithilfe eines Hörrohrs können sie Herztöne ausmachen. Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen wurden über Generationen hinweg bewahrt, weiterentwickelt und weitergegeben. In Deutschland ist die Ausbildung heute weitgehend formalisiert. Seit 2020 werden angehende Hebammen in einem dualen Studium ausgebildet.

„Die Geburt zählt zu den Schlüsselmomenten eines jeden Lebens weltweit. Es ist ein tiefes Bedürfnis, dabei eine verlässliche, medizinisch kundige Begleitung und Unterstützung zu erfahren. Das Hebammenwesen ist weltweit in die Tradition und Geschichte der Menschheit eingewoben. Die Aufnahme in die UNESCO-Liste würdigt die herausragende Stellung des Hebammenwesens als wichtigen Teil der menschlichen Kultur und Tradition. Von ganzem Herzen danken der Deutsche Hebammenverband, der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands und Hebammen für Deutschland allen Vertreterinnen und Vertretern der acht Staaten, die in den letzten Jahren an dem Antrag engagiert mitgearbeitet haben. Damit ist ein lebendiges Beispiel internationaler Kooperation entstanden“, erklärt die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes Ulrike Geppert-Orthofer.

Hintergrund

Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Die UNESCO unterstützt den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt gelebter Kultur seit 20 Jahren. Das Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes wurde 2003 von der Generalkonferenz der UNESCO in Paris verabschiedet. Bis heute haben 181 Staaten den Vertrag ratifiziert. Deutschland gehört der UNESCO-Konvention seit 2013 an.

Einzelne Elemente aus den nationalen Verzeichnissen des Immateriellen Kulturerbes der Vertragsstaaten können für eine von drei internationalen UNESCO-Listen vorgeschlagen werden. Rund 700 Bräuche, darstellende Künste, Handwerkstechniken und Formen des Naturwissens aus aller Welt werden derzeit auf diesen Listen geführt, darunter der Tango aus Argentinien und Uruguay, die traditionelle chinesische Medizin, Reggae aus Jamaika und die Praxis des Modernen Tanzes in Deutschland.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die UNESCO-Listen. Das Gremium setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten der Konvention zusammen, darunter Deutschland.

Der Originalartikel kann hier besucht werden