Ungeachtet der westlichen Sanktionen, die den russischen Agrarexport bremsen sollen, setzt Russland sein Versprechen um, afrikanischen Krisenländern kostenlos Getreide als humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Das erste russische Getreideschiff war am vergangenen Donnerstag in Somalia eingetroffen. Weitere Lieferungen werden in anderen Ländern bereits erwartet.
Von Alexander Männer
Angesichts der rigorosen Sanktionspolitik des kollektiven Westens verzeichnet Russland in den meisten seiner Wirtschaftsbereiche durchweg positive Ergebnisse oder sogar Rekordwerte. Im Agrar- und Nahrungsmittelsektor zum Beispiel erzielte Moskau im vergangenen Jahr einen historischen Höchststand – eine Gesamternte von fast 160 Millionen Tonnen Getreide.
Folglich legte auch der russische Export kräftig zu: Im Agrarjahr 2022/23 betragen die russischen Getreidelieferungen ins Ausland insgesamt etwa 60 Millionen Tonnen. Dabei soll der Export von Weizen, Mehl und Weizenprodukten 45 Millionen Tonnen ausmachen, was einem Weltmarktanteil von etwa 20 Prozent entspricht.
Damit steigt auch der Umsatz der russischen Agrarbranche. Laut der Nachrichtenagentur TASS, die auf vorläufige Angaben des russischen Landwirtschaftsministeriums verweist, konnte Russland seine Einnahmen aus dem Agrarexport im Vergleich zu 2021 bereits im Sommer um zwölf Prozent auf einen Rekordwert von 41,5 Milliarden Us-Dollar steigern. Das Landwirtschaftsministeriumgeht offiziell von einer Steigerung auf 45 Milliarden US-Dollar aus.
Für Russland ist dieser Aufschwung nach dem katastrophalen Niedergang seines gesamten Agrarbereichs in den 1990er Jahren und angesichts der damit einhergehenden Versorgungskrisen im Nahrungsmittelbereich im Grunde lebensnotwendig. Insofern war die Entscheidfindung in Russland richtig, die Gewährleistung der Selbstversorgung mit Lebensmitteln sogar als Teil der nationalen Doktrin zur Lebensmittelsicherheit im Jahr 2010 zu manifestieren.
Dank Zuschüssen oder Förderprogrammen in Milliardenhöhe, die seitdem an die Agrarproduzenten geflossen waren, ist ein laut der Doktrin festgelegter Selbstversorgungsgrad von 90 Prozent für die wichtigsten Grundnahrungsmittel im Land schon seit mehreren Jahren gewährleistet, so dass die russische Regierung das Augenmerk bei der Agrarpolitik mittlerweile auf den Export legt.
Kostenloses Getreide für afrikanische Krisenländer
Davon profitieren unter anderem jene Länder in Afrika oder Asien, die immer wieder mit Nahrungsmittelkrisen zu kämpfen haben. Diesbezüglich hatte Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem Russland-Afrika-Gipfel im vergangenen Juli seine Absicht bekundet, sechs afrikanischen Ländern, die auf der Liste des Welternährungsprogramms stehen, kostenlos Getreide als humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Bei diesen Krisenstaaten handelt es sich um Burkina Faso, Eritrea, Mali, Simbabwe, Somalia und die Zentralafrikanische Republik, die aus Russland urspruenglich bis zu 50.000 Tonnen Getreide erhalten sollten. Inzwischen ist der Umfang dieser Hilfe vom russischen Außenministerium auf 200.000 Tonnen Weizen vergrößert worden.
Der Schritt erfolgte, nachdem Moskau zuvor geweigert hatte, das Getreideabkommen mit der Türkei, der Ukraine und der Organisation der Vereinten Nationen zu verlängern. Dieser Deal sollte die Ausfuhren von ukrainischem Getreide, Lebensmitteln sowie Dünger aus den ukrainischen Schwarzmeer-Häfen entlang eines sicheren Seekorridors in Länder in Afrika, Asien und im Nahen Osten ermöglichen. Zudem sollten mit dem Vertrag unter anderem jene westlichen Sanktionen aufgehoben werden, die gegen den russischen Agrarsektor gerichtet sind. Dazu zählte zum Beispiel eine Aufhebung des Verbots der Getreide- und Düngemittelexporte, die Aufhebung bestimmter Sanktionen im Bankensektor oder beim Import von Landmaschinen.
Ungeachtet der Tatsache, dass die westlichen Sanktionen – die den russischen Agrarexport bremsen – weiterhin bestehen, setzt Russland sein Versprechen in Bezug auf die Agrarhilfe bereits um und schickte im November das erste russische Schiff mit kostenlosem Getreide nach Afrika. Wie russische Medien unter Berufung auf die somalische nationale Nachrichtenagentur SONNA kürzlich berichteten, ist ein Schiff mit 25.000 Tonnen kostenlosen Weizens aus Russland in der vergangegen Woche in Somalia eingetroffen.
„Somalia hat eine dringend benötigte Hilfslieferung von 25.000 Tonnen Weizen aus Russland erhalten, um die Folgen der Überschwemmungen im Land zu bekämpfen. Die Hilfslieferung, die am Donnerstag in Mogadischu eintraf, wurde an die somalische Katastrophenschutzbehörde (SoDMA) übergeben“, heißt es.
Als nächste Land soll Burkina Faso die russische Agrarhilfe erhalten. Laut der Agentur Interfax wird eine Lieferung von 25.000 Tonnen Weizen aus Russland in diesem afrikanischen Land in der ersten Dezemberhälfte erwartet. Was die Weizen-Lieferungen nach Simbabwe, Mali, Eritrea und in die Zentralafrikanische Republik betrifft, so sollen die Transporte bis Ende des Jahres erfolgen.
In diesem Zusammenhang hatte man im russischen Außenministerium mitgeteilt: „Wir sind sowohl bei der Erfüllung unserer Verpflichtungen aus Handelsverträgen für den Export von landwirtschaftlichen Produkten und Düngemitteln als auch bei humanitären Aktivitäten sorgfältig und verantwortungsvoll. Bis Ende des Jahres wollen wir weitere 200.000 Tonnen Weizen an sechs afrikanische Länder spenden […].“
Außrdem hätte man bereits 20.000 Tonnen Düngemittel nach Malawi und 34.000 Tonnen nach Kenia geliefert. Dazu hieß es weiter: „Die Genehmigung für drei weitere Lieferungen befindet sich in der Endphase: 23.000 Tonnen für Simbabwe, 34.000 Tonnen für Nigeria und 55.000 Tonnen für Sri Lanka.“