Susanne Riegraf, die stellvertretende Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sprach vor den Staaten der UN und der versammelten Zivilgesellschaft über Deutschlands Position zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV).
„Die deutsche Rede ist ein deutlicher Rückschritt“, so Marian Losse, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland. „Während die Bundesregierung im letzten Jahr das Engagement der Mitgliedsstaaten des AVV für eine atomwaffenfreie Welt begrüßt hat, fehlte in der aktuellen Rede jegliche Wertschätzung für die immense Bedeutung des Vertrages und die wichtige Arbeit der AVV-Mitglieder. Insbesondere Länder des Globalen Südens haben sehr viel geleistet, um neue Bewegung in globale Abrüstungsbemühungen zu bringen.“
Ein Hauptfokus der deutschen Rede lag auf der Bedrohung durch Russland in Folge des Angriffskriegs auf die Ukraine. Auch die nukleare Aufrüstung Chinas spielte eine größere Rolle, als im letzten Jahr. Die Aufrüstung und Modernisierung der restlichen Atomwaffenstaaten – wie etwa USA, Großbritannien oder Frankreich – wurden in der deutschen Rede nicht kritisiert. Auch die Bundesregierung rüstet durch Modernisierung der eigenen Luftwaffenbasis Büchel und den Kauf neuer Flugzeuge für den Einsatz von Atombomben nuklear auf.
Marian Losse weiter: „Wir erleben seit Jahren den Zusammenbruch von internationalen Abkommen, nicht nur in der Rüstungskontrolle. Der Atomwaffenverbotsvertrag bricht diesen Trend. Nicht mehr lange, und die Hälfte der Staaten der Welt haben ihn unterzeichnet. Dass die Bundesregierung diesem Momentum so skeptisch gegenüber steht, ist eine große Enttäuschung. Ich bekomme das Gefühl, dass die deutsche Zeitenwende der weltweiten nuklearen Abrüstung im Weg steht.“
Deutschland ist kein Vertragsstaat zum AVV und nimmt an der Konferenz beobachtend teil. ICAN Deutschland begrüßt dies als wichtigen Schritt, den die Bundesregierung auch gegen den Widerstand einiger NATO-Verbündeter im Koalitionsvertrag festgehalten hat und einlöst.
In dem kurzen Zeitraum seit seinem Inkrafttreten am 22. Januar 2021 hat der AVV bereits stark dazu beigetragen, die humanitären Konsequenzen von Atomwaffen als Thema in der internationalen Politik zu verankern. Eingebettet in die nukleare Abrüstungsarchitektur kann er den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) an wichtigen Stellen ergänzen. Die erste AVV-Konferenz in Wien 2022 hat gezeigt, dass die Vertragsstaaten willens sind, sich konstruktiv und gestaltend einzubringen und gemeinsam auf das Ziel einer vollständigen nuklearen Abrüstung hinzuarbeiten. Mit dem dort verabschiedeten Vienna Action Plan gibt es bereits eine Blaupause für die vollständige Abschaffung von Atomwaffen. Im Sinne einer Stärkung des Völkerrechts sollte Deutschland diesen Prozess im Rahmen der Vereinten Nationen mit allen Kräften unterstützen.