Mexiko ist einer der größten Avocado-Exporteure der Welt. Haupterzeuger ist der Bundesstaat Michoacán. Der Anbau dieses im globalen Norden so beliebten Produkts führt seit Jahren zu Gewalt gegen die Bevölkerung und die Umwelt. Im Jahr 2022 wurden mehr als eine Million Tonnen Avocados in die Vereinigten Staaten exportiert.
Gesundheit zum Preis von Umweltschädigung und Gewalt
Es ist fast Mittag in der Nähe von Caurio de Guadalupe im Bundesstaat Michoacán. Die Sonne scheint hell, der Himmel ist strahlend blau und fast wolkenlos. Auf dem von trockenen Büschen gesäumten Feldweg nähern sich zwei Rancher auf weißen Pferden. In der flimmernden Hitze wirken sie auf größere Entfernung wie eine Fata Morgana. Es sind Javier León und sein Sohn, die den Vormittag auf ihrem Stück Land gearbeitet haben. Bisher hatten sie eine Kälberzucht, mästeten die Jungtiere und verkauften sie. „Aber damit ist jetzt höchstwahrscheinlich Schluss“, sagt Javier. In seiner Stimme schwingen Traurigkeit und ein wenig Wut. Seit Jahren kaufen große Unternehmen in dieser Gegend Land auf. Caurio de Guadalupe hat knapp 2.000 Einwohner*innen. Investor*innen schätzen den 2.000 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Ort, da der Anbau und Export von Avocados, Erdbeeren und roten Früchten hohe Gewinne bringt. Im vergangenen Jahr wurden Avocados im Wert von fast 3 Milliarden Euro in die USA ausgeführt. Während die Avocado im globalen Norden unverzichtbarer Bestandteil der „gesunden“ Ernährung geworden ist, steht sie in den Anbauregionen für Gewalt, Enteignung und ausgelaugte Böden. Die angestammten Landbesitzer*innen verarmen reihenweise und enden als Sklav*innen der großen multinationalen Konzerne oder des organisierten Verbrechens. „Dazu kommt die massive Abholzung. Ich behaupte nicht, dass es alles Kriminelle waren, aber es war nun mal immer derselbe Typus von Leuten, die nie bestraft wurden, nämlich die mit den Waffen, die die Bäume abbrennen und fällen und anschließend Avocados anpflanzen“, erzählt Alejandro Méndez, Umweltminister von Michoacán. Im Jahr 2022 wurden über 100 Umweltverbrechen dokumentiert. Doch die Ausweitung des Avocadoanbaus wurde nicht wirksam strafrechtlich verfolgt. „Selbst für die Trinkwasserversorgung müssen wir kämpfen“, beschwert sich ein Nachbar, der nicht namentlich genannt werden möchte. Dazu Dr. Benjamin Revuelta, Forscher an der Universität von Michoacán: „Umweltverbrechen werden seit 1996 strafrechtlich verfolgt, der Erfolg bleibt jedoch weitgehend aus. Strafrechtlich lässt sich da kaum etwas bewirken.“ Gründe dafür sind Korruption und Angst. „Ich habe oft Anzeige erstattet, aber wir sind hier in Mexiko, und hier ist Geld leider wichtiger als alles andere“, erklärt ein Anwohner aus Caurio de Guadalupe, auch er möchte seinen Namen lieber nicht nennen. Als er gegen illegale Holzfäller kämpfte, erhielt er Morddrohungen. „Es kamen Polizisten und Soldaten, aber sie haben die Täter nur kurz verhaftete und wieder laufen lassen. Und ich konnte nur noch bewaffnet herumlaufen, weil ich Angst um mein Leben hatte.
Die Bewässerung der Felder hat Vorrang vor der Trinkwasserversorgung
Laut Statistiken der mexikanischen Regierung wurden in Michoacán zwischen 2001 und 2018 über 260.000 Hektar Wald abgeholzt; fast ein Viertel davon wurde in Ackerland umgewandelt. Der Umweltminister von Michoacán geht davon aus, dass etwa 30 Prozent der Avocadoplantagen illegal sind. „Einige Gebiete sind so ausgelaugt, dass sie nicht mehr lebensfähig sind“, so Umweltminister Méndez. „Dieses Phänomen wird in Zukunft immer häufiger auftreten, der Klimawandel wird die Situation noch befeuern. Durch den Avocadoanbau versteppen die Böden, Niederschläge werden unregelmäßiger, und 2023 ist ein sehr trockenes und heißes Jahr, so wird es unweigerlich zu Konflikten um Wasser kommen“, befürchtet Méndez. Offiziellen Angaben zufolge herrschte im August 2023 in Michoacán eine extreme Dürre. In 60 Prozent der Gesamtfläche herrschte ein ausgeprägter Wassermangel. In Caurio bilden die unzähligen Reihen grüner Avocadobäume einen auffälligen Kontrast zu den staubigen Straßen und dem Umland. Ein strahlendblaues Wasserbassin, das inmitten der Dürre umgeben von den Brauntönen der Erde zum Baden und Abkühlen einzuladen scheint, sticht ins Auge. Doch das Wasserreservoir dient ausschließlich der Bewässerung der Avocado-Baumreihen. „Der Grundwasserspiegel sinkt jeden Tag weiter ab“, berichtet ein Anwohner. Schuld sind die riesigen Bewässerungsteiche. Das verändert die geologischen Eigenschaften des Gebiets und beeinträchtigt die traditionelle Lebensgrundlage der Bevölkerung. Früher habe das Dorf von der Viehzucht gelebt, erinnert er sich. „Wir haben hauptsächlich Ziegen und Kühe gezüchtet. Aber mit der Ausbreitung der Avocado- und Erdbeerpflanzungen können wir keine Tiere mehr halten. Früher wurde hier Getreide angebaut, früher hatten wir unsere eigenen Nahrungsmittel, Mais, Hafer und Alfalfa, aber jetzt ist der Boden nicht mehr feucht genug. Er hat richtige Risse.“ In der Nähe des riesigen Wasserreservoirs, das die trockenen Felder bewässert, liegen verbrannte Baumstämme: Überreste dessen, was einmal da war und nun für immer verloren ist, um Flächen für den Avocadoanbau zu erweitern. Große Maschinen arbeiten unermüdlich daran, den Boden so schnell wie möglich urbar zu machen.
Plünderung der Ressourcen
Auf unserem Weg durch die trostlose Landschaft treffen wir auf einen der Lastwagen, die die geernteten Früchte abholen. Auf der Beifahrertür des Lastwagens prangt das Logo der Firma El Cerezo. Obwohl auf seiner Website einige seiner Produktlogos auf Englisch sind, versteht sich die Firma als „stolzes mexikanisches Familienunternehmen“. Seit 2003 nahm El Cerezo zusätzlich Erdbeeren, verschiedene rote Früchte und Avocados in sein Produktprogramm auf. Im Bundesstaat Michoacán haben mehrere Landarbeiter*innen gegen den exorbitanten Wasserverbrauch des transnationalen Unternehmens Driscoll’s und gegen den Einsatz von Kinderarbeit protestiert. Das in Kalifornien ansässige Unternehmen bestreitet die Vorwürfe. „Wir wissen: Wasser ist ein lebenswichtiges Gemeingut, von der Gemeinschaften, Ökosysteme und auch wirtschaftliche Sektoren abhängen“, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme des Unternehmens, anschließend werden die Maßnahmen beschrieben, die das Unternehmen in diesem Sinne ergriffen haben will. Trotzdem sprechen Landarbeiter*innen aus verschiedenen Teilen Michoacáns von Plünderung ihrer Ressourcen. „Mir wurde schon oft Arbeit angeboten, aber ich habe meine eigenen Tiere, mein eigenes Land, und ich versuche, für mich selbst zu arbeiten. Ich habe Kühe, Pferde, Schweine und meine Ernte, Mais und Futter und Hafer“, erklärt ein Bewohner von Caurio in Bezug auf El Cerezo. „Sie wollten mich kaufen“, fährt er fort. „Sie boten mir einen Lastwagen und ein Motorrad, aber ich bin nicht darauf eingestiegen. Manchmal bitte ich sie um Gefälligkeiten für die Gemeinschaft, Geld für Hochzeiten und andere Dinge, und manchmal unterstützen sie mich.“