Handelskrieg zwischen EU und USA droht mit einem erneuten Inkrafttreten von Strafzöllen auf Stahl aus der EU erneut zu eskalieren. Versuche, ihn auf dem EU-USA-Gipfel beizulegen, sind gescheitert.

Die EU und die Vereinigten Staaten stehen womöglich vor einer neuen Eskalation ihres Handelskriegs. Versuche, das zu verhindern, sind beim EU-USA-Gipfel am vergangenen Freitag gescheitert. Auf dem Gipfel sollte zum einen ein Weg gefunden werden, die Vergünstigungen des 369 Milliarden US-Dollar schweren Inflation Reduction Act (IRA) auch für Elektroautos zu erhalten, die aus der EU in die USA importiert werden. Das wäre insbesondere für deutsche Kfz-Konzerne von großer Bedeutung gewesen. Das Bestreben schlug fehl: Washington hatte als Gegenleistung EU-Strafzölle gegen China verlangt, die WTO-Regeln brechen und lediglich von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für gut befunden wurden. Nicht gelungen ist es außerdem, eine Lösung für Stahl- und Aluminiumlieferungen aus der EU in die USA zu finden. US-Präsident Donald Trump hatte Strafzölle auf sie verhängt, die sein Nachfolger Joe Biden ausgesetzt hatte, allerdings nur zum Teil sowie zeitlich beschränkt; die Frist läuft aktuell ab. Setzen die USA die Strafzölle wieder in Kraft, dürfte die EU mit Gegenzöllen antworten. Die neuen Belastungen träfen vor allem Deutschland in einer ernsten Wirtschaftskrise.

Strafzölle

Herbe Rückschläge für die Wirtschaft in der EU hat am vergangenen Freitag der EU-USA-Gipfel gebracht, zu dem US-Präsident Joe Biden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel in Washington empfing. Ursprünglich war geplant, eine Lösung für den Streit um die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU zu finden, die US-Präsident Donald Trump im Jahr 2018 verhängt hatte. Die Biden-Administration hatte sie im Herbst 2021 befristet teilweise ausgesetzt. Seither können Firmen aus der EU bis zu 3,3 Millionen Tonnen Stahl und bis zu 0,38 Millionen Tonnen Aluminium strafzollfrei in die Vereinigten Staaten exportieren. Die Genehmigung dafür läuft aber zum Jahresende aus. Außerdem wurden die Kontingente im vergangenen Jahr mit EU-Exporten in einem Umfang von 3,97 Millionen Tonnen Stahl und 0,67 Millionen Tonnen überschritten.[1] Noch kurz vor dem Gipfeltreffen war aus Brüssel zu hören gewesen, man sei sich sicher, zumindest eine Verlängerung der aktuellen Regelung, vielleicht gar die komplette Aufhebung der Strafzölle erreichen zu können – als kleine Geste des Entgegenkommens in Zeiten, in denen das transatlantische Bündnis in harten globalen Machtkämpfen stecke und sich keinerlei durch internen Zwist bedingte Reibungsverluste leisten könne.

Absage an die WTO

Daraus ist nichts geworden. Washington hatte als Gegenleistung von Brüssel verlangt, auf Stahlimporte aus China prinzipiell und ohne jede nähere Begründung Strafzölle in Höhe von 25 Prozent zu erheben. Dies bräche eindeutig die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Kommissionspräsidentin von der Leyen sei, so wird berichtet, „zu diesem Zugeständnis bereit“ gewesen, habe sich aber sowohl in ihrem Apparat als auch bei den Mitgliedstaaten nicht durchsetzen können.[2] Die EU-Kommission hatte deshalb zu prüfen begonnen, ob sie nicht ein Antisubventionsverfahren gegen den Import chinesischen Stahls einleiten könne. Ziel war es, eine WTO-konforme Begründung für die Verhängung von Strafzöllen möglichst nahe an den von Washington gewünschten 25 Prozent zu finden.[3] Als sicher gilt, dass ein derartiges Vorgehen den Konflikt mit China weiter eskalieren ließe; erst kürzlich hat die EU-Kommission ein Antisubventionsverfahren gegen chinesische Elektroautos eingeleitet, die vor allem deutsche Hersteller zu verdrängen begonnen haben.[4] Mit einem solchen Verfahren gaben sich nun aber die Vereinigten Staaten nicht zufrieden. Eine Einigung blieb daher, für die EU überraschend, aus. Zwar heißt es, man wolle weiter verhandeln; allerdings ist nicht klar, wie unter den gegebenen Bedingungen eine Einigung aussehen soll.

IRA-Vergünstigungen

Einen zweiten herben Rückschlag musste Brüssel am vergangenen Freitag im Streit um den Zugang von Konzernen aus der EU zu den Vergünstigungen des Inflation Reduction Act (IRA) hinnehmen. Der Sache nach geht es dabei vor allem um Interessen der Kfz-Branche in der EU. Der IRA sieht vor, dass der Kauf von Elektroautos mit lukrativen Summen staatlich bezuschusst werden kann. Voraussetzung ist aber, dass die Rohstoffe für die Batterien zu mindestens 40 Prozent aus den Vereinigten Staaten stammen; bis 2029 wird dieser Anteil auf 80 Prozent erhöht. Damit kämen europäische und insbesondere auch deutsche Kfz-Hersteller nicht in Betracht – ein ernster Nachteil im harten Wettbewerb um den Elektroautomarkt. Für die deutschen Autokonzerne wiegt dies besonders schwer: Im vergangenen Jahr verkauften sie rund 360.000 Fahrzeuge in die USA – mehr als in jedes andere Land.[5] Washington hat, um Kfz-Hersteller mit Produktionsstätten in Kanada und Mexiko nicht zu schädigen – auch US-Konzerne haben dort Standorte –, inzwischen erklärt, Rohstoffe aus Staaten, die mit den USA ein Freihandelsabkommen unterhalten, würden US-Rohstoffen gleichgestellt. Davon profitieren voraussichtlich auch Kfz-Konzerne aus Südkorea: Bereits seit 2012 ist ein Freihandelsabkommen zwischen Südkorea und den USA in Kraft.

Inspektionen bei EU-Konzernen

Als Ausweg für verbündete Länder, die kein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten unterhalten, ist ersatzweise der Abschluss eines Rohstoffabkommens geplant. Japan, dessen Handelsabkommen mit den USA nicht als Freihandelsabkommen anerkannt wird, hat ein solches Rohstoffabkommen bereits Ende März mit Washington vereinbart. Damals hieß es, es werde als Modell für weitere derartige Vereinbarungen mit der EU und Großbritannien dienen. Allerdings sei damit zu rechnen, dass Washington höhere Anforderungen etwa an Arbeitsschutzstandards stellen werde.[6] Genau das ist nun der Fall. Für das geplante Rohstoffabkommen mit der EU verlangen die USA nun unter anderem, dass sie Inspektionen in Bergwerken durchführen dürfen, aus denen europäische Unternehmen ihre Bodenschätze beziehen. Sie könnten dann, heißt es, „global gegen Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte vorgehen“; Konzerne aus der EU dürften dann „für Verstöße in von ihnen betriebenen Minen in Afrika“ von Washington „mit Sanktionen“ belegt werden.[7] Dies ist für die EU nicht akzeptabel. Die Option, mit einem transatlantischen Rohstoffabkommen die nötigen Voraussetzungen für den Zugriff europäischer Unternehmen auf attraktive IRA-Vergünstigungen zu schaffen, ist ihr also versperrt.

Transatlantische Rivalitäten

Das Scheitern der Verhandlungen um die Stahl- und Aluminium-Strafzölle und um den IRA lässt die erneute Eskalation des transatlantischen Handelskriegs erwarten, der im Herbst 2021 auf Eis, aber nicht beigelegt wurde. Setzt die US-Administration die Strafzölle wieder in Kraft, könnte die EU wie 2018 beispielsweise mit der Verhängung von Gegenzöllen auf die Einfuhr von Bourbon Whiskey, Harley Davidson-Motorrädern und Jeans antworten.[8] Die neuen Belastungen, die für die Industrie in der EU entstünden, kämen zu denen hinzu, die im Lauf der eskalierenden Machtkämpfe gegen Russland und China entstanden sind – so etwa die hohen Energiepreise in Deutschland wegen des Wegfalls russischen Erdgases oder die im Konflikt mit China aktuell drohenden Handelsbeschränkungen bei Rohstoffen wie Gallium, Germanium und Graphit. Die Option, wenigstens innerhalb des transatlantischen Bündnisses Reibungsverluste zu vermeiden, scheint nun zu scheitern – an den alten transatlantischen Rivalitäten zwischen der deutsch dominierten EU und den USA.

 

[1], [2] Moritz Koch, Annett Meiritz, Julian Olk: Gescheiterter Gipfel? EU und USA kommen handelspolitisch nicht voran. handelsblatt.com 20.10.2023.

[3] EU-Kommission prüft Strafzölle auf chinesischen Stahl. Frankfurter Allgemeine Zeitung 11.10.2023.

[4] S. dazu Paradebranche unter Druck (II).

[5] Export. vda.de.

[6] David E. Bond, Iain MacVay, Chris Thomas, Julia Marssola, Ian Saccomanno: Will the United States’ New Critical Minerals Agreements Shape Electric Vehicle Investments? whitecase.com 28.06.2023.

[7], [8] Hendrik Kafsack: Handelsgespräche mit USA geplatzt. Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.10.2023.

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