Church and Peace: Der Rassismus wächst in unseren europäischen Gesellschaften. Auch die Kirchen müssen sich fragen, was sie zu Rassismus, Diskriminierung und Sklaverei beigetragen haben.
„Rassismus in der Kirche überwinden“ war das Thema der diesjährigen Konferenz von Church and Peace in Baarlo (Niederlande). Geert van Dartel, Vorsitzender des Niederländischen Nationalen Rat der Kirchen stellte in seiner Begrüßung dar, wie sich die niederländischen Kirchen auf den schmerzhaften Weg der Versöhnung und Wiedergutmachung begeben haben.
Hedwig Komproe, Vorstandsmitglied von SKIN (Together Church in the Netherlands) unterstrich, dass die gegenwärtige Praxis von Rassendiskriminierung nur dann wirklich wahrgenommen und bekämpft werden könne, wenn zuerst die Geschichte der Beteiligung von Kirchen an Sklaverei und kolonialer Ausbeutung anerkannt und betrauert wird. Daher sei es von großer Bedeutung, dass am 1. Juli dieses Jahres das Gedenkjahr zur Beendigung der Sklaverei in den Niederlanden und den ehemaligen Kolonialgebieten vor 150 Jahren eröffnet wurde.
Nahezu 100 Menschen aus 15 europäischen und außereuropäischen Ländern waren zu der Konferenz gekommen. Von Rassismus betroffene Menschen, People of Colour, brachten als Referenten und Referentinnen ihre Erfahrungen und Analysen ein, die in Workshops vertieft wurden.
„Nach Gottes Ebenbild geschaffen zu sein bedeutet, dass wir geschaffen wurden, um mit anderen in Beziehung zu stehen“, so Yawo Kakpo, Pastor und Professor aus Togo, „denn letzten Endes geht es darum, allen Menschen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und den Zugang zu sozialen, kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und geistigen Ressourcen zu ermöglichen.“
Aber genau dies erzeugt bei reichen Christinnen und Christen des Globalen Nordens Angst, die eigenen Privilegien zu verlieren. Theologie und Kirche müssen daher diese Spaltung von Armut und Reichtum thematisieren, indem sie ihr koloniales Erbe aufarbeiten und die Fortdauer des Kolonialismus bis heute sichtbar machen.
Adejare Oyewole aus London, Schatzmeister der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME), wies darauf hin, dass Rassismus von Anfang an ein zentrales Anliegen der ökumenischen Bewegung gewesen ist. Die erste Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 1948 in Amsterdam verurteilte „Vorurteile, die auf Rasse oder Hautfarbe“ und „Praktiken der Diskriminierung und Segregation“ beruhen als „Verweigerung von Gerechtigkeit und Menschenwürde“. „In diesem Kontext entstand auch CCME als Anti- Rassismus-Kampagnen-Organisation der europäischen Kirchen, die sich dafür einsetzt, dass alle Menschen – als Ebenbilder Gottes geschaffen – mit Würde und Respekt behandelt und als Nachbarn und nicht als „die Anderen“ betrachtet werden.“
Die Arbeit von CCME konfrontiert uns mit der konkreten Erfahrung von Menschen aus Migrationskirchen. Dazu gehört, dass Diskriminierung zunimmt in dem Maß, in dem die Abwehr gegenüber geflüchteten Menschen wächst.
„Das Thema Rassismus ist in Europa sehr breit gefächert“, so Oyewole, „es reicht von der Situation der Roma in Europa über die Behandlung indigener Bevölkerungsgruppen bis hin zur Geschichte des Kolonialismus und den Überschneidungen zwischen Rassismus und der Diskriminierung von Migranten.“
Oyewole warnte: „Die Auffassung, dass Mission nur von den Mächtigen für die Ohnmächtigen, von den Reichen für die Armen oder von den Privilegierten für die Ausgegrenzten geleistet werden kann, trägt zur Unterdrückung und Ausgrenzung der Menschen der globalen Mehrheit bei.“ Stattdessen ginge es darum, z.B. Ressourcen gemeinsam zu nutzen, einander als gleichberechtigte Partner zu betrachten und gemeinsam Zeugnis abzulegen. Und: Migrant*innen müssen in die Leitung der großen Kirchen und der ökumenischen Gremien einbezogen werden.
Nicole Ashwood, Programmleiterin für Gerechte Gemeinschaften für Frauen und Männer des ÖRK, und ihre Kollegin Thandi Soko de Jong aus den Niederlanden erinnerten: „Mit dem ÖRK-Programm zur Bekämpfung des Rassismus hat sich der ÖRK seit 1969 für die Ausübung von geistlichem und politischem Druck durch seine Mitgliedskirchen für das Ende der Apartheid in Südafrika eingesetzt… Das bedeutet, dass Menschen aller Rassen, Klassen und Ethnien unermüdlich als Fürsprecher und Aktivisten gearbeitet haben, wobei sie Leib und Leben, aber niemals ihren Glauben riskiert haben, um sicherzustellen, dass die sichtbare Einheit des ÖRK in der vielfältigen Verkörperung der nach der imago Dei geschaffenen Völker zum Ausdruck kommt.“
Die beiden Referentinnen verwiesen auf das Bekenntnis von Accra aus dem Jahre 2004, in dem es heißt: „Darum sagen wir Nein zu jeder Ideologie und jedem wirtschaftlichen Regime, das den Profit über die Menschen stellt, das nicht die ganze Schöpfung schützt und jene Gaben Gottes, die für alle bestimmt sind, zum Privateigentum erklärt.“
Mit dem 2023 neu aufgelegten Programm „Überwindung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Diskriminierung“ „sind wir der Transformation nähergekommen, auch wenn das Ziel noch nicht erreicht wurde“, so Ashwood.
Transformation – das ist die Herausforderung, der wir uns als Church and Peace stellen wollen. Wir wollen die Angst vor der Irritation zulassen und dort wachgerüttelt werden, wo uns unser Rassismus oder diskriminierendes Verhalten nicht bewusst sind.
Betroffene Menschen sprachen von den 1000 kleinen Nadelstichen des Rassismus. „Dem können und wollen wir als Einzelne die 1000 kleinen Schritte der Liebe entgegensetzen“, so Yawo Kakpo in der Predigt im Schlussgottesdienst.
Um wirklich voranzukommen, müssen wir zunächst aus unserer Komfortzone treten und uns den Fragen stellen, wie sie von Dr. Masiiwa Ragies Gunda, Programmleiter für die Arbeit zur Überwindung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängenden Diskriminierungen im ÖRK formuliert wurden:
Was fürchten wir, wenn wir uns vorstellen mit anderen Völkern gleichberechtigt zu sein?
Ist der Himmel so klein, dass wir Angst haben, dass der Platz zu knapp wird, bevor wir unseren Teil erhalten?
Ist die Erde so arm, dass ihre Ressourcen nicht für uns alle ausreichen?
Ist die Gnade Gottes so begrenzt, dass wir Angst haben, dass sie zur Neige geht, wenn sie mit allen Kindern Gottes geteilt werden soll?
Warum fürchten wir Gerechtigkeit, Gleichheit und Fairness?